Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Czarface & MF Doom, Bad Stream und Cardi B.
Czarface & MF Doom – Czarface Meets Metalface
Ji-Hun: Wann und ob der große MF Doom mal wieder ein Album alleine rausbringt, ist weiterhin nicht bekannt. Dafür gab es die letzten Jahre immer wieder Kollaborationen mit dem wohl allerbesten Maskenmann der HipHop-Geschichte. Zuletzt mit Bishop Nehru als NehruvianDOOM (2014) oder auch mit Jneiro Jarel als JJ Doom (2012). Nun ist die neuste Zusammenarbeit mit Doom erschienen. MF Doom macht diesmal gemeinsame Sache mit Czarface (jene Supergroup mit Inspectah Deck vom Wu-Tang Clan und 7L & Esoteric aus Boston). Der Albumtitel „Czarface meets Metalface“ könnte programmatischer kaum sein. Aber: die Platte ist toll geworden. Die Producer-Skills der beiden Artists ergänzen sich wie 808 und 303 und mit Inspectah Deck hat Doom einen ebenbürtigen Rap-Partner auf seiner Seite. Was soll da groß schief gehen? Eben. Vor allem bei solch einer satt-brillanten Produktion.
Bad Stream – Bad Stream
Thaddeus: Dieses Wochenende fliegen wir zum Mars, um zu ertrinken. Bereits im vergangenen Oktober rauschte Bad Stream, das neue Projekt von Martin Steer mit einer Videopremiere über diese Webseite hinweg, nun ist das dazugehörige Album erschienen. Was ich damals schrieb, gilt auch heute noch: Die düstere Emphase von Steer übt eine Faszination aus, die sich nur schwer beschreiben lässt. Großes Songwriting, einer nicht näher definierten traditionellen Tradition verpflichtet, so angelegt, dass Steer und seine Stimme im Sweetspot der Aufmerksamkeit stehen – schwer bearbeitet und so mit einem Habitus versehen, der nicht recht passen will auf die rollenden Beats. Viel Elektronik, viel Gitarre und eben doch ganz anders. Ganz nah dran und immer wieder kontrastiert von im Winde wehenden Hallfahnen der Unendlichkeit. Bei aller Faszination gilt es hier noch viel herauszufinden. Passt das alles zusammen. Kann das überhaupt zusammenpassen. Muss und soll das zusammenpassen? Und wenn ja: Was passiert dann? Und warum? Zunächst aber gilt: In unseren Anything-Goes-Zeiten geht eben auch das. Dass Rock und Elektronik – bewusst so marktschreierisch formuliert –, zwei Dinge also, die man lange Zeit bewusst nicht zusammen denken konnte und wollte (eine reine Haltungsfrage und keine musikalische), plötzlich wieder gemeinsame Sache machen. Und dabei einige Schlaglöcher aufreißen, in die es dringend hineinzufallen gilt.
Cardi B – Invasion of Privacy
Benedikt: Neun Monate nach der Hitsingle „Bodak Yellow“ – fünffach Platin –, dem Follow-up „Bartier Cardi“, nach Features mit Nicki Minaj und Migos („Motorsport“), sowie Bruno Mars („Finesse“) ist das Debütalbum der Rapperin aus der Bronx bei Atlantic Records erschienen: 48 Minuten Feuerwerk, verteilt auf 13 Tracks, keine Sekunde Langeweile, dafür Ansage ab Sekunde Eins: „Look, they gave a bitch two options: stripmipin' or lose / Used to dance in a club right across from my school / I said "dance" not "fuck", don't get it confused / Had to set the record straight cause bitches love to assume.“ Nachdem Cardi B mit ihrer ungeniert sympathischen Art längst zum Social-Media- und Reality-TV.Star geworden ist, steht spätestens mit dieser Platte auch das musikalische und lyrische Talent außer Frage. An Erzählstoff mangelt es der einstigen Stripperin nicht, wobei trotz punchy Flow und hohem inhaltlichen Härtegrad immer wieder feinsinniger Humor in ihren Versen aufblitzt. Genau dieses Augenzwinkern bei gleichzeitiger Don’t-fuck-with-me-Attitüde macht den Reiz ihres Musik aus. „Invasion of Privacy“ bestätigt aber nicht nur, was sich längst erahnen ließ. Die bittersüße Popnummer „Be Careful“ und Tracks wie „Thru Your Phone“ und „I Do“ (feat. SZA) eröffnen den Blick auf das emotionale Dahinter des im HipHop pflichtgemäßen From-Rags-To-Riches-Gestus. Über die Tatsache, dass es Cardi Bs Stimme durchaus an Variantenreichtum mangeln könnte, wird produktionsseitig phänomenal hinweggetäuscht. Lateinamerikanisches Instrumentarium und Trap verschmelzen mit dem Sample der Salsa-Hymne „I Like It Like That“ von Pete Rodriguez aus dem Jahr 1967 zur Grundlage von „I like it“, R’n’B erklingt im Feature mit Kehlani, „Bickenhead“ stapft tief durch die mittlerweile fast schon zu weit ausgetretenen Southern-Rap-Pfade, und „Be Careful“ zeugt von tiefstem Gefühl für den R’n’B-Sound der 90er. Cardi B selbst ist übrigens Jahrgang 92. Was für ein Glück, dass hier keine musikalischen Erwartungen enttäuscht werden dürften – denn HipHop braucht ihren Content definitiv dringender als Instagram.