Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Blondes – Warmth
Benedikt: Sam Haar und Zach Steinman sind wahre Meister der Texturen. Vielleicht waren sie das schon immer. „Warmth“ ist immerhin ihr dritter Longplayer, allerdings der erste Tonträger des Duos aus Brooklyn, der es explizit in mein Bewusstsein geschafft hat. „Blondes“ (2012) und „Swisher“ (2013) sind genauso an mir vorbeigerauscht, wie die zahlreichen EPs und Singles. Vielleicht liegt’s am Label. Die gestern erschienene Platte ist nicht wie die beiden vorherigen bei den Nachbarn Rvng Intl. (Holly Herndon, Stellar OM Source) in gleichem Bezirk von NYC erschienen, sondern beim Traditionslabel R&S, das man – fast schon pflichtgemäß – irgendwie doch auf dem Schirm hat. Unter völliger Vernachlässigung des bisherigen Schaffens also, ist das gut einstündige Album eine ziemliche Bereicherung, nicht nur aber vor allem für die Tanzfläche. Da ist Techno, hinter dem sich irgendwo noch die Vorsilbe „Dub-“ und Basic-Channel-Anleihen erahnen lassen. Da ist House, der aber doch keiner zu sein scheint, weil die zuckersüße Melodie nur zwei bis vier Takte lang ist, darin komplett unveränderlich bleibt und letzten Endes nicht Zentrum des Tracks, sondern nur ein Pattern neben vielen anderen ist. Da ist der auf Hochglanz polierte Sound von Techhouse, aber ohne die Drops und Breakdowns, deren Übermaß das ganze Genre wohl für immer geschädigt haben dürfte. Die sorgsame und langsame, dabei aber komplexe und präzise Schichtung der Spuren entzieht sich jedem Fokus, jeder Reduzierung auf den Moment. „Warmth“ entfaltet einen längst vergessenen Zauber. Es geht allein um die große Konstanz bei ständiger Veränderung im Kleinen. Danke – Techno.
Photay – Onism
Ji-Hun: Dem aus Brooklyn stammenden Producer Evan Shornstein ist mit seinem Debüt „Onism“ als Photay ein spannender und hörenswerter Entwurf gelungen. Arbeitet sich heute Techno und Elektronik eher am Konzept der Dekonstruktion ab – es muss dark, unmelodiös und anti sein, gibt es hier auf den zehn Tracks nicht nur einen einnehmenden, fein austarierten Sound, sondern es darf auch wieder etwas jenseits des leicht frostigen Ketaminlochs empfunden werden. Die Synthesizer menscheln, die Historie des elektronischen Genres wird mit IDM oder auch Fourtracker-Ästhetik nicht allzu diskursiv umarmt. Es klingelt, es bimmelt und auch brachial-cheesige Harmonien, wie man sie vielleicht vom Yellow Magic Orchestra kennt, werden nicht negiert. Auf einem Song ist sogar Madison McFerrin zu hören, die Tochter des legendären Bobby Mc Ferrin. Das Spektrum wird erstaunlich weit gefasst. Glaubt man einmal, sich im LoFi-permeablen Umfeld gemütlich gemacht zu haben, packt Photay plötzlich cineastische Bombast-Arrangements heraus. Glaubt man danach in einem Pop-Album angekommen zu sein, wird es wieder stirnrunzelnd akademisch. Dabei wird der Fehler nicht begangen, einen Quilt von hohlen Stilskizzen abzuliefern. Man nimmt Shornstein die Sache ab. Die Produktionen faszinieren. Sind manchmal nahezu kokett. Photay scheint genau zu verstehen, was er da tut. Ein wohltuendes Highlight.
Oneohtrix Point Never – Good Time (OST)
Thaddeus: Ein Soundtrack ist immer dann besonders gut, wenn man ihn auch als Album durchhören kann. Wenn er also nicht nur aus einer Reihe aneinander geklebter Schnipsel besteht, die vielleicht gut aufs Bild passen, als Musik aber eher sinnlos verpuffen. Für OPN ist diese OST-Aufgabe kein Problem, die Art und Weise wie Daniel Lopatin seine Alben sequenziert, funktioniert sowieso nur vor der Leinwand seines inneren Auges. Den Film der Brüder Josh und Benny Safdie habe ich nicht gesehen, wird schon ordentlich krachen, OPN kracht jedenfalls wie eh und je. Episch kaputt und überkandidelt, das klingt ja immer ein bisschen wie „Switched On Bach“ nur ohne Bach und ohne alles andere auch. Schön ist, dass hier Samples aus dem Film verarbeitet werden, nicht nur an Stellen, an denen Lopatins Musik gar keine ist, sondern über rumpliges Sound Design nicht hinauskommt. Den Film auch in der Musik leben zu lassen, ist eine Tradition, die heutzutage viel zu selten gepflegt wird. Der Soundtrack zu „Good Times“ ist einfach ein weiteres OPN-Album. Solide, auf jeden Fall, vielleicht sogar besser als sein letztes. Und dieser Track mit Iggy Pop, der ist einfach herzzerreißend. Das gelingt sonst sowohl Pop als auch Lopatin eher selten.