Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
Blanck Mass – World Eater
Michael Döringer: Lange wollte ich über Blanck Mass schreiben, dass Nebenprojekt von Fuck-Buttons-Mitglied Benjamin John Power. Und lange habe ich es vermieden. Kennt das jemand? Lieblingsmusik, über die man kein Wort herausbringt, weil man sich kaum Gedanken macht? Es passt einfach, man lässt es passieren, immer wieder. Eigentlich ist das toll, aber man will ja auch vermitteln. Jetzt ist es soweit, weil mit „World Eater“ gerade Powers drittes und bestes Album erschienen ist. In Erklärungsnot bin ich noch immer. Was soll das eigentlich für Musik sein? Eine typische Platte, bei der man zehn Stile aneinanderreihen muss, um sie irgendwie komplett zu fassen. Das ist müßig und doof, weil sie sich nicht nach einer aufgesetzt eklektischen Post-Genre-Platte mit Ambient-Drone-Black-Metal-Techno-Noise-Hip-Hop-Elementen anfühlt. Das ist sie zwar, aber nicht in diesem Sinn. Ich möchte diese Musik nicht so zerbröseln, sie muss ganz bleiben. Andere Reviews sagen: aggressiv, unzugänglich, dröhnende Synths. So redet man ein großartiges Album kaputt. So sind die Leute, oberflächlich und leicht einzuschüchtern. Da ist also diese Bestie auf dem Cover, von der man laut Titel annehmen muss, dass sie alles und jeden auf der Welt im Nu zerfleischen und verschlingen würde. Dabei ist das doch ein niedliches Schoßhündchen. „World Eater“ ist quasi der Yorkshire Terrier (ein edles Tier!) im Werwolfspelz. Natürlich darf man nichts gegen leichte Anflüge von Prurient oder Nine Inch Nails haben, das wären dann die aggressiven Passagen. Aber die sind eigentlich nur da, um die Angsthasen draußen zu halten. Drinnen wird dann gekuschelt, mit ein bisschen Beissen und Kratzen.
##Ryuichi Sakamoto – async
Thaddeus: Es scheint Jahre her zu sein, seit ich zuletzt eine Platte von Sakamoto bewusst gehört habe. Es ist faktisch auch Jahre her, seit er eine veröffentlicht hat: Diese beiden Dinge hängen freilich in keinster Weiser zusammen. Das Werk von Sakamoto ist mittlerweile so umfangreich, dass ich in alle nur erdenklichen Richtungen hätte hineinstürzen können. Tat ich aber nicht. Ich hatte Sakamoto schlicht vergessen. Und ihm kamen Dinge dazwischen: Das Beben von 2011 und eine Krebserkrankung. Letztere hat er überwunden und man kann diese Platte gar nicht hören, ohne sich genau das immer wieder vorzustellen. Irgendwann wird Sakamoto nicht mehr unter uns sein. Wer soll dann die besten Brillen tragen, wer sein bestens frisiertes herrlich graues Haar in die Kamera halten? Und – auch das gilt tatsächlich – wer soll dann noch solche Platten produzieren? Mit „async“ probt Sakamoto den Aufstand im Stillen. Das ist mitunter zwar ziemlich laut, sperrig und hier und da auch ruppig: Die großen Momente des Album sind jedoch so introvertiert, dass man voll und ganz in die Lautsprecher hineinkrabbeln muss, um sie aufzuspüren. Da sind die luftigen Streicher, wie sie nur die Schaltkreise eines Prophet 5 liefern können. Da ist das kategorische Herrschen über das Digitale und seine angeschlossenen Geräuschkulissen. Und da ist der Mut, Dingen ihren Raum zu geben. Sakamoto-Kenner könnten über die Einordnung dieses Albums in sein Gesamtwerk sicherlich kluge und wichtige Aufsätze verfassen. Von außen und mit Abstand ist „async“ einfach eine gute wie ungewöhnliche Platte, die gar nicht so asynchron ist, wie der Titel vermuten lässt. Ein guter Track folgt immer dem Prinzip einer mehrspurigen Autobahn mit besonders viel Aktion auf der Überholspur. Sakamoto adaptiert das lediglich für die Phasen der Entschleunigung und der Asphalt-Regeneration. Musik, die als Soundtrack nicht viel hergibt. Allein das ist schon eine gute Nachricht.
##Little Cub – Still Life
Benedikt: Little Cub tut, was viele tun, aber doch nur ganz Wenigen gelingt. Elektronische Beats, eingängige Riffs, Synthie-Melodien wie Zuckerwatte, die Indie-Pop Band aus London balanciert gekonnt an der Klippe zum Kitsch entlang, ohne jedoch zu fallen. Sie verpassen ihrem Pop die Power des Club, über weite Strecken der via Domino erschienen Platte juckts im Tanzfuß. Schwer wird jener Fuß nur dem, der den Lyrics lauscht. Kritisch bis zynisch pflügt sich das Trio durch gesellschaftliche Themen, arbeitet sich gar am Selbstmord des des walisischen Fußball-Nationaltrainers Gary Speed und dem Tod der eigenen Mutter ab. Der Kapitalismus kriegt ordentlich eins drauf, das daily „life of public masturbation“, und – natürlich – auch mit der Liebe ists nicht immer ganz einfach. Und obwohl „Still Life“ sich damit in klassisch, britischer Indie-Pop-Tradition bewegt, mehr oder weniger komplex und breit in den Inhalten, eingängig in den Melodien, ist die Debüt-LP am Ende doch ein ganz entzückendes, sehr gern gehörtes Album.