Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
Ben Frost – Threshold of Faith
Ji-Hun: Mittlerweile gehört es gerade in der elektronischen Szene zum guten Ton, spannende Sachen unnötig spannender zu machen. Snippet hier, Teaser da. Der Australier Ben Frost hat über Mute so ziemlich aus dem Nichts diese sieben Tracks lange EP releast. „Threshold of Faith“ ist in Chicago im Sommer 2016 gemeinsam mit niemand geringerem als Steve Albini entstanden. Jener Produzentenlegende, ohne die Indie und Alternative eine komplett andere Geschichte geworden wären. Eine ziemlich fade mit Sicherheit. Was für Musik entsteht, wenn zwei solche Individuen mit musikalisch eigentlich relativ weit entfernten Backgrounds aufeinander treffen? Ambient. Das scheint ein plausibler Nenner. Natürlich mit viel Drone, wunderbar klingenden Analogschleifen, ein bisschen anti und dank verzerrter Gitarrensounds auch immer verrockt erdig. Es klingt vor allem gut. Ob Albini demnächst Techno machen wird? So ganz uninteressant wäre die Vorstellung nicht.
Golden Retriever – Rotations
Thaddeus: Ein sehr erfreulicher Erstkontakt, eine faktische Neuentdeckung für mich: Jonathan Sielaff und Matt Carlson haben sich auf ihren vergangenen Platten an einem sehr reduzierten Setup abgearbeitet: Bassklarinette und Modularsystem. Klingt konzeptig-kunstig, ist, bzw. war es vielleicht auch, die Nachforschung verschiebe ich auf den Winter. Das neue Album hingegen bestreiten die beiden hingegen mit zahlreichen Gastmusikern, die den Sound des Projekts anfetten, die Grundstruktur bleibt die gleiche: Alles darf, nichts muss, es wird improvisiert, zugelassen, zugeschaut und zugehört, wie sich Dinge entwickeln. Dabei klatscht die Edgyness immer wieder auf wohl temperierten Schönklang und wenn letzterer die Nase vorn hat, ist das alles sehr nachvollziehbar und berührend. An den anderen Stellen, die nicht hektisch, aber schon zickig rüberkommen, ist es eher unterkühlt. Das passiert zum Glück nicht oft, Fans der Band mögen das genau andersrum sehen, und auch das hat natürlich seine Berechtigung. Immer wenn das Piano einsetzt, sind die Assoziationen natürlich eklatant, mich erinnert die Stimmung des Albums aber eher an die besten Momente von „Pavilion Of Dreams“ von Harold Budd, einer Platte, auf der auch Gavin Bryars mit am Werke war, damals, 1978. Und es kommt, wie es kommen musste: Das letzte Stück, „Sunsight“, ist eines der besten überhaupt, die dieses Jahr erschienen sind.
Mura Masa – Mura Masa
Benedikt: Was ist denn hier los? Allein das Cover dürfte Pottschnittträger im Palace-Hoodie auf Trap, Tumblr, Southern-Rap und LoFi-House erblassen lassen. Simpel, irgendwie weird, aber statt nichtssagender, fragwürdiger Verfremdung lieber gleich zur Sache kommen und erstmal rauslassen, wer sich zur stimmlichen Verstärkung ins Studio des 21-jährigen Wahllondoners gestellt hat. Bonzai, Nao, A$AP Rocky, Charli XCX, Desiigner, Jamie Lidell und Tom Tripp. Große Popmusik wird zum Bindeglied zwischen Trap, Dubstep, Drum’n’Bass, Garage und House mit einer ordentlichen Portion Caribbean Flavour. Auch ein Joe Goddard bringt tief verwurzelte elektronische und Tanzmusik mit zeitgenössischem Pop zusammen – nur auf völlig andere Weise. Während das Hot-Chip-Member seine Beats auf Hochglanz-Pop poliert, kommt Mura Masa von der anderen Seite. Er holt den Pop zu sich rein, verzichtet aber auf die anbiedernde Politur in der Produktion. Es bleibt rough, wo andere aufgeweicht hätten, die rudimentären Momente des Albums sind die waren Highlights. Wie zum Beispiel das geniale Feature mit Tom Tripp, dessen Echos und Rims den Song so Housefloor-tauglich klingen lassen, wie es selbst heute nur selten der Fall ist.