Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
##Bartellow - Panokoroma
Benedikt: Wieder so eine fahrlässig übersehene Platte, erschienen ist sie schon im März. Zu viel Musik – zugegeben ein Luxusproblem. Bartellow jedenfalls ist dem Techno bisher vor allem als ein Drittel der Münchner Kombo Tambien begegnet. In der klassischen Hochkultur irgendwo zwischen zwischen Oper und Theater kennt man ihn hingegen eher. Einen Studienabschluss in Jazzgitarre und -komposition, eine selbstgeschriebene Fast-schon-Oper und Arbeiten als Musikschreiber für die Kammerspiele München, das Bayerische Staatstheater oder das Theater Basel hat Beni Brachtel aka Bartellow schon auf der Rechnung. Der Mann versteht Musik, das wird auch schnell klar, wenn das Debütalbum erstmal seine Runden auf dem Plattenspieler dreht. Der zu Beginn vielleicht noch offensichtliche Jazz-Einschlag seiner Produktion verflüchtigt sich in kürzester Zeit in Richtung Subtilität, weg vom Instrumentarium, bleibend im Arrangement und Zusammenspiel der Spuren. Stattdessen: komplex repetitiv treibender House, gern auf Trommeln oder hauchdünnen Snares unterwegs. Weit in die Percussion reichende Melodien muten manchmal fast tropisch, balearisch an, nur scheint die Sonne leider nicht, ist verdeckt von dunklen, mal bedrohlich getürmten, dann wieder flüchtigen Synthie-Gewittern. Das Panorama des drohenden Unwetters ist keine Neuheit, kann aber immer wieder überwältigen. Tut es auch hier, mittendrin wie abseits des Dancefloors.
Sufjan Stevens, Bryce Dessner, Nico Muhly, James McAlister – Planetarium
Ji-Hun: Raumfahrt und Science-Fiction sind zur Zeit ja wieder voll en vogue. Ähnlich wie zu Zeiten des Kalten Krieges sehnt die Menschheit sich wieder gen Mars und anderen Planeten, um einen letzten Silberstreif in Angesicht eines anstehenden Erduntergangs zu erkennen. In diesem Kontext wirkt das Album von Sufjan Stevens, Nico Muhly und James McAlister nahezu anachronistisch. Es ist ein Konzeptalbum, eine Space Opera, Prog-Rock und das auch von noch einer Superband, wie man es in den 60ern von Cream gewohnt gewesen ist. Der Songwriter Sufjan Stevens tut sich mit seinem Drummer JamesMcAlister zusammen. Dann kommt noch Bryce Dessner von The National dazu und als wäre das nicht genug, sorgt der Komponist und Arrangeur Nico Muhly, der auch schon für Joanna Newsom, Usher, Villagers und Grizzly Bear gearbeitet hat, für die Extraportion Orchesterpomp. Die 17 Songs arbeiten sich an allen möglichen uns bekannten Himmelskörpern ab und schaffen eine interessanten retrofuturistischen Vibe, bleibt im Herzen aber Indie. Die Orchester-Arrangements erinnern wohlig an alte James-Bond-Filme. Hier ist nichts revolutionär, visionär oder neu. Es ist ein Album wie ein freudiger Besuch – eben – in einem Planetarium. Kürzlich fuhr ich am Bochumer Planetarium vorbei. Was für ein tolles, schönes Gebäude, das seine besten Zeiten, wie die Stadt selbst, aber leider schon hinter sich gelassen hat.
XXX – Kyomi
Thaddeus: Ich habe die letzten Tage in Cannes an der Côte d’Azur verbracht, auf der MIDEM, der alten Dame der europäischen Branchentreffen der Musikindustrie. Viel mehr dazu bald auf diesem Kanal. Drei Abende lang fanden dabei am Strand gleich neben dem Palais des Festivals, wo auch die Filmfestspiele funken, Konzerte statt. Und da spielten XXX aus Südkorea. Eine unglaubliche Entdeckung. Das Duo (DJ und Rapper) wusste selbst nicht so recht, wie ihm geschah, und machte das, was man in so einem Moment halt macht: Augen zu und durch. Zwischen Mittelmeer und überteuerter Strandbar droppten die Koreaner also ihre Tracks, gepaart mit tollen Visuals, auch wenn die, was den Style angeht, ein bisschen bei der Pfadfinderei und deren Arbeit für das zweite Album von Moderat abgeguckt waren. À propos abgeguckt: Die Musik von XXX changiert irgendwo zwischen clipping., Seth P. Brundel und trappigem Hustensaft mit gerader Bassdrum. Irre gut, irre deep und im koreanisch-englischen Mischmasch auch irre herrlich verwirrend. Wahnsinnig gut produziert, wahnsinnig gut gerappt, einfach wahnsinnig wunderbar. Unbedingt auf den Zettel der Notwendigkeiten schreiben. Bislang gibt es ein Mini-Album und zwei Singles. Alles Killer. Wichtig, weil eben eher HipHop und nicht so straight, ist aber das Album von 2016. Diesen beiden Jungs gehört meine Zukunft.