Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit Bali Baby, The Sea and Cake und uon.
Bali Baby – Baylor Swift
Benedikt: In Hoffnung auf handwerklich guten Pop-Rock der angenehm rotzig und verzerrten Art, musste erstmal die neue Arctic Monkeys ran. Aber die klingt, als wäre eine meiner einstigen Lieblingsbands in einer faden aber hochpreisigen Cocktailbar versackt, auch wenn das noch wie vor rauschige Mikro eine Flut von Erinnerungen hervorruft. Aber trotzdem: I Bet That You Look Bad On The Dancefloor müsste es heute heißen. Next. Dass dann ausgerechnet eine 20-Jährige Rapperin aus Atlanta ebenjene Hoffnung doch noch erfüllt, damit war nicht zu rechnen. Mit dem verschrobenem Trap-Rap von Songs wie „Iggady“ aus dem letzten Jahr hat „Baylor Swift“ bis auf die unbefangene Attitüde nichts mehr gemein. Da wird das beste aus dem 4-Chord-Highschool-Rock der Nullerjahre mit zeitgemäßer Synthetik angereichert, mit Beats aus der Maschine unterlegt, die Stimmverzerrung des Trap wird hinter den Gitarrenverstärker gestöpselt. Das ist nicht ganz leicht zu definieren, macht aber unfassbar Spaß und strahlt den Heartbreaking-Content in jugendlicher Katharsis und damit so positiv aus, wie lang nicht mehr erlebt. Produziert wurde die Platte komplett vom New Yorker Langzeit-Kollaborator Chicken. Ein Album, das wie ein gigantisches Mash-up daherkommt, in Kurzweiligkeit überzeugt und vor allem neugierig macht, auf alles was von Bali Baby noch so kommen dürfte.
The Sea and Cake – Any Day
Ji-Hun: Nach sechs Jahren meldet sich die amerikanische Über-Band The Sea and Cake mit einem neuen Album zurück. „Any Day“ nennt sich diese Perle und macht für mich das Musikjahr 2018 schon vor der Halbzeit zu einem gelungenen. I know, progressiv ist anders. Dabei scheint die Band bei vielen gar nicht so groß hängen geblieben zu sein. Auch im Post-Rock-Hype Ende der 90er-Jahre war die Band um Sam Prekop hinter den Labelfreunden von Tortoise irgendwie immer die Nummer Zwei. Vielleicht, weil The Sea and Cake gar nicht so anders sein wollten, sondern mit ihrer über die Jahrzehnte fein austarierten Bandsprache eigentlich immer nur auf der Suche nach dem besten Song sind. Das können sie mittlerweile so gut, dass jeder einzelne Song auf „Any Day“ ein kleines Meisterwerk geworden ist. Perfekte minimale Gitarren-Arrangements, Prekops unwiderstehliches Falsett, everything at it’s right place. Das Cover-Design erinnert mit dem weißen Hintergrund, der reduzierten Tyopgrafie und der Fotografie an die Alben „The Fawn“, „Oui“, und „One Bedroom“ aus den Jahren 1997, 2000 und 2003. Die für mich bislang größte Ära der Band. Daran schließt „Any Day“ mindestens an, bringt es wenn nicht sogar ein Level weiter. The Sea and Cake sind für mich in einer Liga angekommen, die derzeit vielleicht nur von Bands wie Wilco bespielt wird. Das meine ich völlig ironiebefreit als großes Kompliment. Wahre Könnerschaft eben. Ein wundervoller Longplayer.
uon – Untitled
Thaddeus: Im Januar freute ich mich sehr darüber, dass Huerco S. ein eigenes Label gestartet hatte und dieses gleich mit eigener Musik bespielte. Nun ist die zweite EP draußen. Ich fange am besten gar nicht erst an, die Geschichte von uon zu recherchieren, sondern stürze mich lieber kopfüber in die drei Tracks und deren waberndes Blubbern. Man nennt das wohl Ambient, könnte die Geschichte aber auch ganz anders erzählen. Aber hier, tief unten am Meeresgrund, spielen solche Dinge keine große Rolle. Denn genau dieses Flair vermitteln die Stücke des Menschen, der sich manchmal auch DJ Paradise nennt, und mit der zweiten Veröffentlichung des uon-Projekts seinen subaquatischen Schlendrian bereits um mindestens 500 Prozent geschärft hat. Hier ist alles leicht mumpfig, die Sicht eingeschränkt. Trüb und umso gleichmäßiger schwappen die Wellen an die Kaimauer. Und doch schöpft man sofort Vertrauen – es gibt kein Zögern, sich auf die Musik einzulassen. Ob die etwas mit einem machen wird? Um das herauszufinden, braucht es mehrere Durchläufe – Wasser lässt sich ja so schlecht greifen. Ich hab’ Zeit.