Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen. Und im Zweifelsfall einfach ein kurzweiliger Zeitvertreib ist.
##Babyfather – BBF Hosted By DJ Escrow
Thaddeus: Eine Doppel-LP voller Rätsel. Dean Blunt steckt irgendwie dahinter, wer DJ Escrow ist, weiß niemand, wahrscheinlich existiert der nur in Blunts Kopf. Interviews? Fehlanzeige. Meinungen aus dem Kollegium? Zuckende Schultern. Das Intro? Fünf Minuten Sprach-Sample im Loop: „This Makes Me Proud To Be British“. Aha! Karrikiert man so den Brexit in Süd-London? Arka steuert etwas bei, genau wie Micachu. Alles andere? Ein großes Rätsel eben. Das sich musikalisch ziemlich einfach dechiffrieren lässt. Ein bisschen gefälliger – nein, ziemlich guter und tiefer – HipHop, schnoddrige Unterhaltungen aus der Vorstadt, immer wieder gebrochen mit unterbelichteten Noise-Orgien, die gar nicht so noisig sind, eher nervtötend, alles kongenial in kurzen bis sehr kurzen Häppchen aufbereitet. Komischer Flow in noch komischerer Stimmung. Klingt alles nicht so positiv, ist aber irre faszinierend, weil das in der Zusammenstellung so klingt, als wäre ein kleiner Bot einmal quer durch Blunts Archiv gestaubsaugt und hätte dabei mitgenommen was nur geht, seinen Bot-Freunden vorgespielt, von denen einer Rapper ist, und fertig war das Album. Stimmt natürlich nicht. Aber weil man eben nichts weiß über die Hintergründe, auch nichts wissen soll, vielleicht sogar nichts wissen darf, ist das die Geschichte, für die ich mich entschieden habe. Ein Album, das kein Album ist. Aber an vielen Stellen aus perfekten Versatzstücken zusammengebaut ist.
##Deftones – Gore
Susann: Prinzipiell wähle ich neue Platten und Bücher, die gehört und gelesen werden sollen, nach einem recht willkürlichen Prinzip aus: Wer trägt das schönste Cover? Das funktioniert in den meisten Fällen erstaunlich gut. Und manchmal sind dann ganz interessante Überraschungen dabei, wie das neue Deftones-Album „Gore“, das mit fliegenden Flamingos, weiß zentrierter Typografie und in den Pantone-Farben des Jahres mehr nach hippem Indie ausschaut als nach Deftones. Allein deshalb macht es neugierig – ebenso wie die kolportierten Spannungen zwischen Sänger Chino Moreno und Gitarristen Stephen Carpenter. Letzterer scheint seine größte musikalische Leistung bei diesem Album darin gesehen zu haben, dass er überhaupt noch dabeigeblieben ist. Gleiches gilt vermutlich für viele Hörer. Daher versuche ich die Erwartungen an die fast 30 Jahre lang tätigen Deftones auf Folgendes zu beschränken: Nuller-Jahre-Nostalgie (Wo sind all die T-Shirts mit dem kleingeschriebenen Schreibschrift-Logo hin?), tief gestimmte Gitarren, Gefühlsausbruchsgesang.
##Father – I’m a Piece of Shit
Benedikt: Father tritt so richtig auf die Bremse, sein Ende März erschienenes Album ist pure Entschleunigung. Irgendwo las ich „Hangover-HipHop“, ein ebenso furchtbarer wie treffender Begriff für das, was sich auf „Im a Piece of Shit“ findet. In den Drums steckt maximal reduzierter Trap, der durch Fathers vernebelte Stimmme stapft. Wie auf Xanax. Kein Wunder also, dass die Platte auch voller Anspielungen auf erwähntes Beruhigungsmittel und ähnliche Substanzen steckt. Father saugt seine Hörer in ein Loch, in dem nur Drogen und Sex und beides ziemlich düster stattzufinden scheinen. Father ist aber nicht nur Rapper, sondern vor allem Labelvater von Awful Records. Awful Records konnte im letzten Jahr schon mit Releases von Abra und Tommy Genesis ordentlich von sich reden machen, 2016 darf man sicherlich noch mehr erwarten. „I’m a Piece of Shit“ ist allemal ein guter erster Aufschlag – und ganz sicher keine Scheiße.