Drei Alben, drei Tipps, drei Meinungen. In unserer samstäglichen Filter-Kolumne wirft die Redaktion Musik in die Runde, die erwähnenswert ist. Weil sie neu ist, plötzlich wieder relevant, gerade entdeckt oder nie vergessen.
Arovane & Hior Chronik – Into My Own
Thaddeus: Eigentlich gehört es sich ja nicht, über Platten zu schreiben von Menschen, die man gut und lange kennt. Arovane ist so ein Musiker, ich hatte sogar die Ehre zwei seiner Alben zu veröffentlichen, aber das ist Jahrhunderte her. Und auch Hior Chronik habe ich immer sehr interessiert verfolgt: Seine ambienten Entwürfe waren und sind bemerkenswert, wenn auch nicht immer auf meine Ohren zugeschnitten. Das Gleiche gilt auch für Uwe Zahn, also Arovane, der sich seit ein paar Jahren in den unterschiedlichsten Richtungen ausprobiert. Hier aber, hier stimmt alles, für mich jedenfalls. Das Fundament bilden verhuschte Klang-Erinnerungen an Arovanes Album „Lilies“. Eine großartige Basis für noch großartigere Tracks. So ist der Ton ihres zweiten gemeinsamen Albums (nach „In-between“ von 2015) genau richtig gesetzt. Eine in unendlicher Leichtigkeit schwebende Art der Melancholie umschwirrt Ohr und Seele, man hebt sofort ab und gleitet sanft gen Zukunft. Je höher man so gelangt, desto mehr Schichten in diesem komplexen Sound-Gebilde lernt man kennen. Und genau hier ergänzen sich die beiden Produzenten so unnachahmlich. Denn auch wenn ihre musikalische Schnittmenge groß ist – wohl immer noch die beste Voraussetzung für so eine Zusammenarbeit –, schälen sich die unterschiedlichen Herangehensweisen hier klar und deutlich heraus. So gelingt es ihnen, ihre ganz eigenen Ansätze erst klar herauszustellen und dann miteinander zu verbinden. Nicht zu etwas Neuem, nein, das wäre zu viel. Aber zu etwas, was nachhallen wird. Bleiben wird. Vielleicht nicht für immer. Aber was tut das heutzutage schon?
LCD Soundsystem – American Dream
Benedikt: Was haben wir gefeiert, Daft Punk was playing at my House, every fucking day. Die Musik der New Yorker war für mich immer die Messlatte, an der sich Pop auf dem Schnittpunkt von Dance und Punk zu beweisen hatte. Sie blieb unerreicht. Als James Murphy 2011 das Ende von LCD Soundsystem ausrief, war ich tieftraurig und gleichsam schwer beeindruckt. Murphy schien einer der wenigen Musiker seiner Klasse zu sein, der wusste, wann ein Vorhang zu fallen hat. Dance- und Electro-Punk war bereits absehbar überlebt, ein Aufhören absolut nachvollziehbar. Noch eine Tournee. Eine Doku auf DVD. Ein vierstündiges Konzert im Madison Square Garden. Man will die Rockerrente schließlich genießen können – dann lass’ aber auch gut sein. Abtritt LCD Soundsystem, runter von der Bühne, rein ins kollektive Gedächtnis, für immer golden eingerahmt im Zeitgeist jener Jahre. „Nix da“, sagte David zu James und Bowie ging tatsächlich für immer, während LCD Soundsystem wiederauferstand. Jetzt ist mit „American Dream“ das neue Album da und muss beweisen, dass der Legendenstatus nicht in jenes Grab gefallen ist, dem die Band gerade entstieg. Musikalisch knüpft LCD Soundsystem an altes Schaffen an, ein bisschen mehr Gitarre, ein bisschen viel mehr Pathos. Was würde einem Auferstandenen auch besser stehen? Eben. Geblieben ist referenzgeschwängerte Produktion des wandelnden Poplexikons am Mikrofon, kuratiert und collagiert wie nur Murphy es kann. Inhaltlich wird das widerrufene Schaffensende wohl immer eine Art Endpunkt bleiben, wobei das Ende selbst zum zentralen Thema auf „American Dream“ wird, das Ende von Liebe, Freundschaft, Heldentum und Freiheit. Des Albumtitels Antithese ist das eigentliche Programm und Murphys Ergebnis einer Zustandsbeschreibung dieser Welt, in der der mittlerweile 47-Jährige alles sein will – nur bitte kein Zeitgeist. Status Quo ausgeschlossen, Veränderung bitter nötig. Volltreffer. Am Ende des Albums ist man nur noch glücklich, dass LCD Soundsystem zurück sind. Danke David Bowie.
Various Artists – Kompakt: Total 17
Ji-Hun: Seitdem Thaddi und ich im April den großartigen Wolfgang Voigt getroffen haben, nehm ich mir vor, mir den Output des Kölner Labels Kompakt mal wieder genauer vorzunehmen. Zu viel Zeit ist vergangen, seit ich Anfang der Nuller-Jahre die ersten Speicher-Platten so feierte wie Weihnachten. Oder einige Jahre später zu Gui Boratto in der alten Panoramabar wankte. Seit 17 Jahren nun gibt es die jährliche Werkschau des Labels „Total“. Viele Perlen sind im Laufe der Geschichte dort entstanden. Ich freu mich zuallererst auf den Track von Jürgen Paape, der mittlerweile nur noch für diese Compilation ins Studio geht. Sonst gibt es alte Helden wie Voigt & Voigt, The Orb, Laurent Garnier oder Superpitcher. Aber auch unbekannte Künstler gibt es hier zu entdecken. Nächstes Jahr wird der Laden 25. Mal abwarten, was dann noch aus dem rheinischen Hut gezaubert wird.