Wochenend-WalkmanDiesmal mit 1k Flowers, Brian Eno und Miley Cyrus

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Jeden Samstag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit 1k Flowers, Brian Eno und Miley Cyrus.

1k Flowers Artwork

1k Flowers – Unthreatening Auras

Christian: Stolze 19 Stücke finden sich auf „Unthreatening Auras“, die meisten davon Loop-basiert und im Rudimentären bleibend. Produziert hat sie Tim Roth, der sonst als Live-Musiker (z.B. für Drangsal) oder als Produzent (z.B. für P.A. Hülsenbeck) in Erscheinung tritt. Roths Ambient-Stücke aber kann man sich eher wie einen möglichen Fund aus dem Nachlass von Susumu Yokota vorstellen (ca. „Sakura“-Ära): Onirische Musik, flatternd und doch in sich ruhend, semi-akustisch und mit dezentem New-Age-Flavour. Der eigentliche Catch liegt dabei im Umstand, dass die Stücke in dieser Form niemals hätten veröffentlicht werden sollen: Streng genommen verdankt sich ihr Erscheinen dem Crash einer Festplatte. Nachdem die Spuren vieler in Ableton angelegter Projekte für immer verloren waren, fragte Roth seinen Bekanntenkreis nach Rücksendung von Files, die er als Hörproben zuvor in selbigem verteilt hatte. 19 davon ließen sich auf diese Weise zwar rekonstruieren, aber nicht weiter bearbeiten. Sie erscheinen nun auf dem jüngst von Martin Hossbach gegründeten Label „Martin Hossbach Demo“, wo man Demo-Versionen offenbar weniger als Vorstufen zu etwas bereits Veröffentlichtem versteht, mithilfe derer sich einigen Geeks noch ein paar Euros aus der Tasche ziehen lassen. Nein, hier soll dem Unfertigen zu eigenem Recht verholfen werden. Den „Unthreatening Auras“ ist somit eine Einladung zur Spekulation darüber implizit, was aus diesen Skizzen hätte werden können – sie funktionieren allerdings auch ganz hervorragend im hier vorliegenden Zustand. Der Festplattenabsturz, immerhin so etwas wie eine Naturkatastrophe des 21. Jahrhunderts, dürfte selten eine so positive Wendung genommen haben.

brian eno apollo walkman

Brian Eno – Apollo: Atmospheres and Soundtracks

Benedikt: Da dieses Wochenende die alleinige Aufgabe hat, den viel zu großen Sprung vom Arbeitsstress der Woche in den Urlaub der kommenden ein bisschen abzufedern, steht es ganz im Zeichen der Entschleunigung und ambienten Unterhaltung. Neben der Tour de France taugt Content aller Art rund um das 50-jährige Jubiläum von Apollo 11 zu diesem Zweck ganz wunderbar. Zumal ich dem denkwürdigen Geschehnis in den letzten Wochen jede Aufmerksamkeit und Beschäftigung schuldig geblieben bin. Also erstmal ein, zwei Stunden live dabei sein, Videos sehen und Funkverkehr mithören – dieses Projekt macht’s möglich. Darin findet sich auch Videomaterial, das Al Reinert für seine Dokumentation „Apollo“ benutzte, die allerdings eine Collage aller erfolgreichen Apollo Missionen ist und später zu „For All Mankind“ umgetitelt wurde. Und damit wären wir nun bei dieser Platte. Die Musik für den Film schrieb Brian Eno gemeinsam mit seinem Bruder Roger und Produzent und Musiker Daniel Lanois. Nun wurde das Album neu veröffentlicht, remastert und extended. Extended wird damit auch das wunderbare Gefühl der völligen Schwerelosigkeit, das sich ganz ohne die zugehörige Visualisierung einstellt. Musik, die nirgendwo hin will, die keine Orientierung braucht, die ganz mit sich selbst sein will, die einem Distanz ganz nah bringt. Fraglos großartig. Und mehr will ich dazu gar nicht sagen, das übernehmen die Schöpfer selbst.

Miley Cyrus & Her Dead Petz Cover

Miley Cyrus & Her Dead Petz

Ji-Hun: So sehr ich Popmusik ja eigentlich mag. Es gibt im Mainstream-Bereich nur sehr wenige Alben, die man ohne seltsame Bauchschmerzen und emotionale Fremdscham in Gänze ertragen kann. Man kann sich auch Musik schön saufen, aber wie mit Menschen, ist das nur mäßig zielführend. So ein Ansatz lässt natürlich viel Musik außen vor. Und ehrlich. Ich hatte nie die Absicht, ein Album von Miley Cyrus zu hören. Wieso hätte ich auch? Zu wenig Anknüpfungspunkte und so habe ich auch das bereits 2015 erschienene Album „Miley Cyrus & Her Dead Petz“ nie beachtet. Bis ich erst kürzlich herausfand, dass diese Platte mit den von mir hoch geschätzten The Flaming Lips aufgenommen und produziert wurde. Wie konnte so etwas überhaupt passieren? Scheinen diese beiden Welten – also die von Frau Cyrus und die von Wayne Coyne und Co. – so diametral wie Himmel und Hölle. So als würde Brian Eno die nächste Platte von Jeanette Biedermann produzieren oder Radiohead schreiben das nächste Album von Arianna Grande. Da wird man plötzlich hellhörig und skeptisch zugleich. Cyrus kann hier aber ihre volle Musikalität ausspielen und irgendwie ist das Album auch nicht schlechter als viele gehypte junge Indie-Acts, die immer wieder hervorkommen. Nur dass Miley sui generis niemals Indie sein werden dürfte. Von den Fans wurde diese Platte natürlich nicht so gut angenommen. Zu verkifft und unsouverän sei sie, hieß es immer wieder. Ich höre das ein bisschen anders. Ich habe eher das Gefühl, dass sich hier eine Miley zeigt, wie sie zu der Zeit eben wirklich war. Ich denke ein bisschen an Weezers „Pinkerton“, wenn sich mal wieder zeigt, dass kommerzieller und künstlerischer Erfolg zwei Paar Schuhe sind. Ich sehe die Künstlerin Miley Cyrus, aber auch die Flaming Lips nun mit anderen Augen. Mein popkulturelles Weltbild ist ein kleines bisschen anders geworden.

„Von einem Tag auf den anderen wurde meine Kindheit in Frage gestellt“Robag Wruhme im großen Sommer-Interview

Leseliste 28. Juli 2019 – andere Medien, andere ThemenGeorg Restle, E-Scooter, Schreibautomaten, Pupsen in der Beziehung