Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Kali Malone, Vladislav Delay und Caterina Barbieri.
Kali Malone – Living Torch
Thaddi: Die Musik von Kali Malone war in den vergangenen Jahre zwei mal Thema bei uns, zuletzt im Sommer 2019. Damals feierte ich die Macht ihrer Orgelkomposition des Albums „The Sacrificial Code“. Auf ihrer neuen LP – ursprünglich eine Auftragsarbeit für die GRM in Paris – lässt Malone die Orgel hinter sich und widmet sich Instrumenten Posaune und Bassklarinette, die durch zahlreiche Schaltkreise kreisen und mit einem ARP 2500 futuristische Patina bekommen. Die zweiteilige Komposition ist eine stehende Welle einer Partikel für Partikel faszinierenden Exploration. Es ließe sich problemlos das Genre-Schild „Drone“ davorhängen. Treffend wäre diese Kategorisierung nicht. Stattdessen erinnert mich Händisch-Loopige an „Virðulegu Forsetar von Jóhann Jóhannsson, was weniger die eigentlich Komposition betrifft, sondern vielmehr eine fast schon ehrwürdige Herangehensweise an die wenigen Harmonien, die beide Werke ausmachen. Malone ist in der Ausarbeitung radikaler, lässt das Zerren nicht nur zu, sondern integriert die Distortion als tragendes Element. So drängt sie den mitunter sakralen Habitus ihres isländischen Kollegen zurück und schafft ein Werk, das in aller Stille lauter ist als jeder Rave. Ein unfassbar gutes Stück Musik.
Vladislav Delay – Isoviha
Jan-Peter: Das neue Album von Vladislav Delay ist eigentlich sein vorvorletztes, denn die Stücke wurden schon vor vier Jahren produziert und damit vor den Vorgängern/Nachfolgern Mutila (2020) und Rakka II (2021). Ein präpandemisches Album also. Klingt aber wie härtester Lockdown mitten in der Stadt. Aneinander montierte Cutups und Loops, befrachtet bis überfrachtet, sehr intensiv. Piepen, Rattern, Rauschen. „Das ist hypermoderne musique concrète, gepaart mit dem intuitiven Rhythmusgefühl eines Jazzschlagzeugers“, schreibt der Bandcamp-Waschzettel, und das ist gut beschrieben. Musik für den Urlaub auf der Großbaustelle.
Caterina Barbieri – Spirit Exit
Ji-Hun: Die Komponistin Caterina Barbieri hat ihr Album „Spirit Exit“ während des ersten Lockdowns 2020 in Mailand aufgenommen. Und auch wenn es sich nicht um ein programmatisches Pandemie-Album handelt (was auch gut so ist), spürt man die Unruhe, Angst und Ungewissheit, die die letzten Jahre geprägt haben. Barbieri ist eine Meisterin der Klangwelten. Mit ihren Synthesizern schafft sie kathedrale Umgebungen, die zwar zurückgenommen elektronisch, aber tonal immer eindeutig und klar ausformuliert sind. Auch der Umgang mit Vocals arbeitet zum einen mit Verfremdungen, scheut aber nicht den direkten Weg der Hookline und Kadenz. Experimentelle, ernste Elektronik kann also gerne poppig sein, ohne gleich unangenehm käsig zu wirken. Caterina Barbieri zeigt das auf ganz unbeschwerte Weise, wenn auch der Hintergrund und die Intention des Albums alles andere als unbeschwert sind.