Trademark-Rätselhaftigkeit, transhumanistische Modems und Substanz 404Hype Williams, Meemo Comma, Khalil: drei Alben, drei Meinungen
25.8.2017 • Sounds – Gespräch: Christian Blumberg, Kristoffer Cornils, Thaddeus HerrmannNatürlich widmen sich Blumberg, Cornils und Herrmann in der neuesten Ausgabe ihres runden Musiktisches zunächst scharfkantig dem mittlerweile fast zehnjährigen Hype-Jubiläum von Hype Williams. Dean Blunt und Inga Copeland haben ja angeblich mit ihrem neuen Album „Rainbow Edition“ rein gar nichts zu tun, was den Hype vor lauter Vaporware nur noch interludiger knarzen lässt und die Hippos aus den Tanks erst wieder auferstehen und dann herzhaft prusten lässt. Derweil setzt sich Lara Rix-Martin aka Meemo Comma mit ihrer „Auditory Processing Disorder“, kurz APD, auseinander. Das ist eine Krankheit, die es den Betroffenen schwer bis unmöglich macht, die menschliche Stimme von anderen Geräuschen zu unterscheiden. Rix-Martin verwandelt die Schwäche in eine musikalische Stärke und kombiniert beide Elemente in einem verstörenden und irritierenden Mix. Ordentlich durchgeschüttelt, plumpst das Roundtable-Trio schließlich in den atomar verseuchten Autotune-Teich von Khalil, dem Projekt von Nikolaj Vonsild („When Saints Go Machine“, „Cancer“), für das er sich mit dem Produzenten Simon Formann und Villads Klint zusammengetan hat. Zwischen Forderungen nach Instrumentals, Berghain-Bassdrums und Atonal-Bewerbungsbögen wird schnell entschieden, dass nicht alles Pop ist, was fließt und diskutiert, warum das Hipster-Wasser Fiji nie gegen eine bodenständige Flasche Hayat aus dem Späti-Döner wird gewinnen können. Drei Alben und ein halber Liter Meinung mit 25 Cent Einwegpfand.
Hype Williams – Rainbow Edition (Big Dada)
Kristoffer: Ein Freund von mir bezeichnete Dean Blunt mal als Erik Satie des 21. Jahrhunderts und nach zwei Bieren konnte ich das absolut nachvollziehen. Was Saties Möbelmusik am Anfang des letzten Jahrhunderts, das ist Blunts – und Copelands – merkwürdig verrauschte Readymade-Musik in diesem. Sozusagen ein gebrauchtes Ikearegal, wenn wir die Analogie weiterspinnen. Der Clou bei „Rainbow Edition“ ist allerdings, dass vermutlich weder Blunt noch Copeland dabei sind. Die sollen bereits 2012 getrennte Wege gegangen sein, das Promo-Foto zeigt zwei mir unbekannte Leute. Die Spielereien mit künstlerischen Subjektivitäten beziehungsweise Entsubjektivierungsverfahren waren allerdings sowieso schon immer Hype Williams’ Ding – siehe allein der Name. Mal so gefragt: Klingt dieses Album wie eine Hype-Williams-Platte?
Christian: Tut es. Das der Musik beigegebene Autorschafts-Statement ist aber auch hinterhältig, weil man „Rainbow Edition“ – dank der Info, dass Blunt und Copeland ihr Projekt sozusagen weglizenziert hätten – gleich mit detektivischem Ohr hört. Man versucht also, die typische Blunt-Melodie aufzuspüren und dergleichen. Und wonach man sucht, das findet man ja oft. Ich wäre – gerade auch nach dem Verwirrspiel um Babyfather / DJ Escrow / Dean Blunt – gerne so cool zu sagen, dass egal ist, wer hier was produziert hat. Bin ich aber nicht. Im Gegensatz zu „10/10“, das 2016 auf einem ansonsten unbespielten Bandcamp-Account erschien, ist dies aber fast wieder Hype Williams as we know it. Mit dem Unterschied vielleicht, dass diese eigenwillige Musik heute in eine ganz andere Pop-Welt entlassen wird als vor – schluck – fast zehn Jahren.
Kristoffer: Vielleicht also liegt die Pointe darin, dass es eigentlich wie ein typisches Hype-Williams-Album klingt? Die Streicher-Loops, die Blechbüchsen-Snares, die gepitchten Vocals – das ist Handschrift.
Christian: Und diese geilen, chromatischen Flöten!
Kristoffer: Nach „Mask Off“ natürlich voll im Trend, ja. Nur denke ich eben auch, dass der konzeptuelle Witz genau das sein könnte – dass den Leuten hier eine Hype-Williams-Platte nach Zahlen hingeworfen wird. Thaddi, was meinst du?
Thaddeus: Dann lösen wir das doch einfach hier und jetzt auf, es sind ja schon alle wichtigen Stichworte gefallen: Die Platte ist von Erik Satin, also Uwe Schmidt. Dang. Da passt alles. Streicher-Loops, Flöten, Samples, runtergepitchte Stimmen. Und wie jede AtomTM-Platte ist auch die hier sehr angenehm.
Kristoffer: Aluhut-Musikjournalismus! „Angenehm“ aber ist als Stichwort sehr ergiebig. Ich war letztens im Urlaub – Wetter top, Leute sehr nett, Essen toll, danke – und habe da wieder viel die letzte Frank Ocean gehört, die für mich im Grunde ein klassisches und nur eben sehr fühliges Ambient-Album ist. R’n’Bient, wenn ihr so wollt. Der Vibe ist hier ein ähnlicher. Das ist eigentlich pluckerige Musik – deshalb auch der Satie-Vergleich am Anfang. Eher Samt als Satin aber, allen Lo-Fi-Gesten zum Trotz. Wie so oft bei Hype Williams denke ich mir, dass mir das Konzept letztlich mehr reinfährt als die Musik als solche. Insbesondere weil ich das Konzept absolut nicht raffe.
„Tolle Platte, aber die Residents-Falle droht.“
Christian: Dabei ist die Musik aber wirklich gut. Auch tolle Samples, oder sind das jetzt wieder Fake-Samples? Egal, einen dicken Vibe spüre ich da trotz aller Verschmiertheit auch. Ich betone das nur, weil die ewigen Verwirrspiele sich so schnell vor die Musik schieben. Ich fürchte trotzdem, dass Hype Williams nach einer Dekade Versteckspiel irgendwann die Residents-Falle droht. Aber jetzt noch nicht, weil tolle Platte.
Thaddeus: Schade, dass wir die beiden nicht fragen können, wie ihnen die Platte so gefällt.
Kristoffer: Vielleicht finden sie ja vor allem die einlaufenden Lizenzgebühren geil?
Thaddeus: Wenn ich was zu kritisieren hätte, dann dass die Tracks nicht über den Interlude-Status hinauskommen. Aber das ist ja im Trend.
Kristoffer: Haben sie den Trend nicht mit gestartet? Wenn Blunt sich nicht gerade komplette Pink-Floyd-Stücke mopst, war schon immer wenig Song und Struktur im Kleinen. Ist es nicht sowieso angebrachter, das als Ganzes in den Blick zu nehmen? Ging mir zumindest bei der letzten Babyfather so. Christian, du meintest, dass die Popwelt heute eine ganz andere sei als vor – schluck – fast zehn Jahren. Was meinst du damit? Ist eine Hype-Williams-Platte 2017 weniger relevant als damals? Oder mehr?
Christian: Dann muss ich mich jetzt als Fanboy outen. Für mich waren Hype Williams so Ende der Nuller-Jahre maßgeblich, als diese ganze Retromania-/Hauntology-Sache so richtig losging. Hype Williams und ihr Label Hippos in Tanks generell. Aus meiner musikalischen Nischensicht jedenfalls hat das die Popwelt ziemlich verändert. Und das hallt immer noch nach. Insofern hat der „Klangentwurf Hype Williams“ vielleicht etwas von seiner damaligen Neuartigkeit eingebüßt.
Kristoffer: Womit wir vielleicht bei den Inhalten angekommen wären. Klar wirkt der Hauntology-Diskurs ironischerweise verstaubt und aus der gesamten Hippos-In-Tanks-Kiste wurde letzten Endes mit Vaporwave ein Genre, das sich mittlerweile dermaßen selbst überlebt hat, dass wir unter dem Hashtag #fashwave Pro-Trump-Mucke erleben durften. Grusel. Dieses Album aber setzt sich die Pride-Farben aufs Cover und spielt auch mit Vocalschnipseln beziehungsweise Tracktiteln auf sexuelle Identitätsfragen an. Es knüpft also vielleicht da an, wo die letzte Hype Williams – „Black Is Beautiful“ – beziehungsweise die genannte Babyfather-LP aufhörten. Oder nimmt zumindest etwas auf, was darauf ausgespart wurde. Ich muss aber zugeben, dass sich mir kein schlüssiges Bild ergibt. Worum geht’s hier?
Christian: Also wenn Hype Williams jemals ein schlüssiges Bild abgeben würden, dann hätten sie sich wahrscheinlich überlebt, oder?
Kristoffer: Ein Punkt für ihre Trademark-Rätselhaftigkeit. Kommen wir vielleicht stattdessen zum Schluss: Finden wir die Platte eher naja, eher geht so oder doch ganz geil?
Thaddeus: Letzteres. Weiß gar nicht warum, aber ja. Ganz geil. Ziept an den richtigen Stellen, aber natürlich immer nur kurz und Punkt. Ich kann das gar nicht näher oder detaillierter beschreiben, weil Hype Williams für mich immer nur so am Rand interessant war und ich in diesen Teich nie mit voller Wucht reingesprungen bin. Deshalb gehen mir auch die Vergleiche und das Einordnende bei diesem Thema eher ab. Von meiner abstrakten Warte aus aber: volle Sympathie. Wer auch immer das zusammengezimmert hat.
Kristoffer: Also vielleicht doch die „Gymnopédies“ unserer Tage. Christian?
Christian: Diesen Satie-Vergleich kapiere ich nur so halb, aber wenn dann über das Bild der Ikeamöbel. Hype Williams machen Musik, die genauso torkelt wie ein Billyregal, das man zweimal ab- und wieder aufgebaut hat. Gut instabil. Aber gilt das mit Satie verknüpfte Wort von der Möbelmusik auch für gefährlich schwankende Möbel?
Meemo Comma – Ghost On The Stairs (Objects Limited)
Kristoffer: Wo du schon beim Torkeln und also generell Instabilitäten angekommen bist, nun also das Quasi-Debütalbum von Meemo Comma. Kurz zur Einordnung: Lara Rix-Martin schmeißt gemeinsam mit Mike Paradinas das Projekt „Heterotic“, die eine der wenigen existierenden „Xtal”-Coverversionen aufgenommen und das sogar gut gemacht haben. Rix-Martin hat zuvor als Lux E Tenebris veröffentlicht, jetzt aber unter neuem Moniker auf dem eigenen Label Objects Limited. Klingt alles sehr straight. Ich finde diese Platte jedoch aus anderen Gründen ähnlich rätselhaft wie Hype Williams’ neue. Auch hier werden bestimmte Triggerpunkte gesetzt wie zum Beispiel im Track „Dialup” der, na klar, mit einem 56K-Modem-Sound arbeitet. Was 2017 ja ein kompletter Anachronismus ist. Weiß denn heutzutage noch irgendwer unter 25, wie ein 56K-Modem klang?
Thaddeus: Ok, viele Namen, wenig Greifbares und ein Modem. Nutzen wir das Modem, wählen uns ein und schicken schnell Simon Reynolds eine Nachricht. Der hängt doch bestimmt noch im IRC.
Kristoffer: Ich glaube, den können wir ausnahmsweise mal in Ruhe lassen. Denn ich finde, dass sich „Ghost On The Stairs“ eben doch sehr zeitgenössisch anhört. Das macht für mich ein schönes Paradoxon auf.
Christian: Mir scheint hier relativ klar, was die Platte verhandelt – und das offenbart sich am besten im Umgang mit den Vocals. Hier wird eigentlich ständig gefragt, wo die menschliche Stimme aufhört eine Stimme zu sein, und wo sie etwas anderes, etwas Dinghaftes wird. Und umgekehrt. Das ist eigentlich so etwas Transhumanistisches hier. Dinge und Lebewesen verschmelzen, und sei es nur, weil eben ein Modem singt. Damit setzt sich dieses Album, auch wenn es darauf noch Reste von Bassmusik gibt, mitten auf den großen Kultur-Natur-Diskurs. Was das Album nun für eine Haltung dazu hat, weiß ich nicht. Ist aber auch nicht so wichtig.
Thaddeus: Ist das also so ein Album, das man nur wertschätzen kann, wenn man das Kleingedruckte liest, um sich über die Beweggründe zu informieren? Das macht die Musik leider nicht besser. Dabei war ich am Anfang sogar recht angetan. Ich mag den Einstieg sehr, ich hatte mich wirklich gefreut, die Platte weiter zu hören. Das hatte sich dann relativ schnell erledigt, weil so ziemlich jeder Ton einfach nur meinen Kopf nervte. Vor allem diese abstrahierten Chor-Samples aus Digital-Synths. Das ist ein Referenzrahmen, bei dem bin ich raus.
Kristoffer: Mit Blick aufs Kleingedruckte ließe sich hier dann tatsächlich sagen: Alles richtig gemacht. Rix-Martin leidet unter auditiven Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörungen, sprich alles an Sound läuft ihr ungefiltert durch den Kopf. „Ghost On The Stairs“ soll genau das umsetzen. Wenn’s dir ebenso geht, kannst du das vielleicht unter Empathietraining verbuchen. Christian hatte zumindest insofern recht, als das hier das Technologische das Körperliche zum Ausdruck bringt. Mir gefällt dieses Mit-, Durch- und Gegeneinander sehr gut, weil es zwar – nicht ganz unähnlich Hype Williams – sehr interludig ist, aber stringent viele Facetten durchfährt. Das ist nicht unbedingt selbstverständlich bei einer Platte, die dennoch recht geschlossen klingt. Weil hier einiges gewagt wird und viel passiert. Ich habe aber nie das Gefühl, es würde zu viel probiert. Auch wenn es überbordend klingt. Das macht die Platte ja so geil.
Christian: Da hätte ich vielleicht mal den Pressetext lesen sollen, finde aber meine Lesart dennoch schlüssig – ätsch! Ich mag aber dein Adjektiv interludig. Das trifft es sehr gut, und ich habe eine große Schwäche für interludige Platten. Diese wird nach hinten raus immer interludiger, ich hatte eher Problem mit den ersten beiden Tracks, die waren so Improv-Witchhouse.
Thaddeus: Ich seh’ schon, ich steh mit meiner Meinung wieder ganz allein.
Kristoffer: Der Einstieg ist schon vergleichsweise beschaulich. Tracks, mit denen du gut eine Radiosendung anfangen kannst. Ich finde es im Gesamten gelungener als ich es erwartet hätte. Es ist ein bisschen so, als würdest du deine Twitter-Timeline mit dem Ohr abgrinden. Holt mich ab.
„Ich finde einen Großteil der Tracks nervtötend.“
Thaddeus: Mich nicht, bzw. nur die ersten beiden Tracks und dann noch mal irgendein Interlude mittendrin. Dabei bin ich nicht altersbedingt musikalisch konfliktscheu, sondern habe da schon einen dicken Edding-Haken hinter gemacht. Und mag gute Intros für Radiosendungen. Ich bleibe also dabei: nicht meins. Entschuldigt, dass ich so anti dieser Platte gegenüber bin. Ich finde einen Großteil der Tracks nervtötend, nicht mehr, nicht weniger. Ich stelle dabei weder den Ansatz in Frage noch soll das irgendwie despektierlich ihr gegenüber sein. Je länger die Platte läuft, desto größer wird meine Krise.
Khalil – The Water We Drink (Posh Isolation)
Kristoffer: Wie gesagt, das würde ich durchaus als Erfolg für die Platte verbuchen. Rix-Martin 1, Thaddi 0! Denn ernsthaft: Ich wüsste auch nicht, wann Musik mich in letzter Zeit so schön irritiert hätte. Mir ging es mit Khalil, die du in die Runde geworfen hast, ähnlich. Nur greift mir dieses schmelzige Autotune-Gegeifer auf die ungute Art die Nerven an. Ermüdet und nervt mich gleichermaßen. Ist die Sache nicht schon durchgespielt? Avantgarde eignet sich Mainstream-Technik an, dreht sie auf den Kopf, alle freuen sich – okay. Aber jetzt doch bitte weiter im Text, bevor’s komplett formelhaft wird. Was hat dich an dem Album gereizt?
Thaddeus: So hat eben jeder seine ganz eigenen Irritations-Riten. Ich fand das zu Beginn hier eigentlich ganz sympathisch. Das sind irgendwie gute Songs, beziehungsweise gute Sounds in guten Strukturen, und wenn die Boys dann da drüber autotunen wollen, dann sollen sie das machen. Aber es ist in der Gesamtheit schon sehr einseitig. Ein Parallel-Release mit den Versions wäre unbedingt wünschenswert.
Christian: Hier sind wirklich viele Hipster-Ingredienzien drin: Ein großes Glas Autotune, ein Bekenntnis zu R’n’B, eine Abkehr vom zu sehr durchkomponierten Popsong, Berghain-taugliche Kickdrums, viele Vocalsamples und noch mehr Geblubber. Musik für Gallery Openings. Ich mag das alles, bin aber doch erschrocken, wie durchsichtig und egal das Ergebnis ist.
Kristoffer: Wenn wir Indie-Hipsterismus mit Autotune wollen, dann greifen wir doch lieber zum letztjährigen Album von Lost Under Heaven – und ziehen die Bremse, bevor noch irgendein Barista die letzte Bon Iver aus dem Schrank zieht. Wir hatten vor einer Weile ja schon das Varg-Album hier liegen, das mit Yung-Lean-Feature und anderen Späßchen eine ganz ähnliche Ästhetik gefahren hat wie Khalil hier. Ich finde es tatsächlich noch berechnender und, ja, egaler als Varg in seinen schlimmsten Momenten. Das meinte ich vorhin: Hier ist die Bekenntnis zu Autotune als Pathosinstrument komplett forciert. Allein schon das sich durchs Album ziehende Leitmotiv des Wassers: einerseits eine griffige Metapher für diesen Autotune-Gebrauch mit seiner – geddit? – fluiden Sound-Ästhetik, andererseits ein Andocken an Fetischobjekte aus dem Vaporwave-Universum. Nur dass wir hier eben keine formstrengschöne Fiji-Flasche vorgesetzt bekommen, sondern höchstens eine verknitterte 0,5l-Hayat aus dem Späti.
Thaddeus: Gut, wir haben offenbar Gesprächsbedarf. Ich will diese Platte und die Typen gar nicht in Schutz nehmen, bin aber doch überrascht, wie sehr ihr hier abhatet. Weil eigentlich seid ihr es doch immer, denen die Tracks nicht kaputt genug sein können. Und jetzt ist plötzlich alles berechnend? Nö. Blenden wir doch mal für einen Moment den Autotune aus und hören auf die Musik. Ich sag ja: die Versions. Immer noch so schlimm?
Kristoffer: Hm, die Versions. Noch mehr Bass? Ach, ich weiß nicht. Mein Problem ist nicht nur, dass ich mich auf die Musik hinter der Stimme schlicht nicht konzentrieren kann, sie scheint mir außerdem noch dann generisch, wenn es mir mal gelingt. Wie Christian schon meinte, stecken hier Clubmusikeffekte drin. Es ist in den letzten Jahren unheimlich modisch geworden, neben dem Ballertechno-Hauptact noch unter einem anderen Moniker abwegige Musik zu machen, die mit dem 4/4-Diktat bricht.
Christian: Die allerdings nicht so abwegig ist, gemessen an der Masse von Musik, die eben genauso funktioniert, und auch so ähnlich klingt wie die von Khalil. Just sayin’.
„Das meiste davon kannst du als Bewerbungsschreiben für einen Slot im Atonal-Line-Up verschubladen.“
Kristoffer: Eben. Das meiste davon kannst du als Bewerbungsschreiben für einen Slot im Atonal-Line-Up verschubladen. Daraus nämlich hat sich wiederum ein generischer Sound herausgeschält, den ich überwiegend auch hier wiedererkenne. Durr hurr, wir machen mal was anders. Geht für mich selten auf, hier sogar ganz entschieden gar nicht. Zumal Teil dieser, nennen wir es mal freundlicherweise Haltung, eben auch bedingt, dass nach zwanzig Sekunden guter Musik wieder das nächste Sample Pack geladen und abgefeuert wird. Strukturgebend ist einzig die Stimme und die schmiert sich in den Raum. Ich schwalle jetzt mindestens genauso schlimm und doll wie dieser Typ, das ist mir bewusst, aber … nee, find’s einfach nicht okay.
Thaddeus: Ich weiß auch, dass Native Instruments an vielem schuld ist. Aber jetzt hier plötzlich Sample Packs anzukreiden, ist schon doll.
Kristoffer: Ich wollte weder Unternehmen im Speziellen noch Sample Packs im Allgemeinen dissen. Aber ich sehe hier eine gewisse Wahllosigkeit, die sich mehr auf ihr klangliches Material als auf tatsächliche Fähigkeiten in, sagen wir, kompositorischer Hinsicht verlässt. Scheiße, ich kling' schon wie Adorno. Neuer Versuch: Wannabe-Avantgarde-Techno meets Cloud-Rap-Hype von gestern, Substanz 404. Dann doch lieber das neue Album der Fünf Sterne Deluxe oder der nächste „Despacito”-Rewind. Da sehe ich mehr Verstörungspotenzial.
Thaddeus: Die kompositorischen Unterschiede besprechen wir dann noch in der Post-Show. Aber bis dahin: Danke allerseits, beim nächsten Mal wird wieder mehr auf Linie gekuschelt. Mit voll krassen Beats, deepen Hintergrundgeschichten und ganz viel autotune-freier Kreischerei.
Christian: Aber bitte ohne Fünf Sterne!