Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Shinichi Atobe, deathcrash und Tim Hecker.
Shinichi Atobe – Love Of Plastic
Thaddi: Der japanische Produzent wird immer mehr zum Gralshüter des Basic-Channels-Erbe. Weniger ästhetisch (gar nicht), sonder eher von der Herangehensweise. Da ist Sound, da sind Beats – also machen. So klingt das auch auf seinem neuen Album „Love Of Plastic“. Was wir hier hören, ist allerseits bekannt und verstanden. Das „Naive“ – kaum mehr als die Liebe zum Ursprünglichen, der Kraft der 909 –, aber auch das Sehnsüchtige, das in der elektronischen Tanzmusik oft genug viel zu wenig Platz hatte. So folgt Atobe auch bei seinen neuen Tracks dem Pfad, den er sich damals selbst als Weg auserkoren hatte. Zwischen hell und offenherzig bis zu im Spiegelsaal verzerrten Merkwürdigkeiten, die ganz bewusst die ehemalige Unzulänglichkeit der Maschinen und Hände nicht neu wenden, sondern nur vom Staub der Geschichte befreien. So ergeben sich zwei Sichtweisen auf die Musik von Shinichi Atobe: Kann man sammeln und im Kopf so weiterhin an der Verdichtung des Gesamtkunstwerks arbeiten, oder aber man ignoriert sie einfach, bzw. jede neue Folge dieser scheinbar endlos angelegten Reihe. Ich plädiere für Ersteres.
deathcrash – Return
Ji-Hun: Vor über 20 Jahren habe ich viel Slowcore, Emo und Postrock gehört. Codeine, Karate, Godspeed, Slint, Mineral, Mogwai – das passt zu universellem Weltschmerz, zu verbittertem Foucault in der Uni lesen, und macht in Bands auch enormen Spaß zu spielen. Es ventiliert und schafft Räume für Emotionen, die man lieber nicht in Fußballfankurven rauslassen möchte. Da habe ich ohnehin nie reingehört, geschweige denn reingepasst. Aus London kommen seit ein paar Jahren viele erstaunlich gute Bands, die diesen Void nicht nur zwei Dekaden später wieder wunderbar und klug ausfüllen, sondern das Narrativ dieser Musik auch fortschreiben. Blackmidi und Black Country, New Road sind da zu nennen, wenn auch mit deutlicherem Jazz-Einschlag. Nun sind aber deathcrash meine erste neue Lieblingsband des Jahres. Ihr zweites Album „Return“ hätte auch Ende der 90er erscheinen können, da dürften die Bandmember eventuell noch Quark im Schaufenster gewesen sein. Darum soll und darf es aber auch nicht gehen. Denn was für eine Welt hatten wir vor 20 Jahren? Es ist auch nicht kopistisch oder eklektisch retro, es ist einfach sehr gute Bandmusik und in dieser Klangsprache, so finde ich, extrem zeitgemäß. Die Musik ist erdacht, organisch, dynamisch, lässt lebensvereinfachende Software und Maschinen außen vor, bricht elegisch aus, singt harmonisch intelligent und hat Sinn für Humor. Ich bin verliebt. Eines der besten Alben der letzten zehn Jahre.
Tim Hecker – The North Water OST
Jan-Peter: Kein neues Album-Album von Tim Hecker, sondern ein Score zum BBC-Fünfteiler The North Water, den ich noch nicht gesehen habe, wird nachgeholt. Colin Farrell. Der war als Schauspieler zu der Zeit gerade schwer angesagt, als auch Hecker mit seiner Musik (zumindest bei mir) schwer angesagt war, keine Zugfahrt 2003 und 2004 (und das waren viele damals) ohne „Radio Amor“ oder „Mirages“. Gefühle und Szenerien blitzen wieder auf, wenn ich die neuen Tracks höre, wenngleich diese vergleichsweise unterkomplex im Verhältnis zu früheren daher kommen. Das ist gar nicht negativ gemeint, und schließlich ist es ja auch eine Auftragsarbeit zur Untermalung einer filmischen Handlung, also alles gut. Dezent dronig, flächig, handwerklich wie immer souverän. Leicht melancholisch mit einer kleinen aggressiven Note. Passt mir gerade ganz gut rein. Haunt me, haunt me, do it again.