Schluss mit der Sommerpause: Jeden Freitag haben wir ab sofort wieder drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Saint Etienne, Mimsy und Kaitlyn Aurelia Smith & Emile Mosseri.
Saint Etienne – I've been trying to tell you
Jan-Peter: Fast hätte ich über dieses Album nur Kritisches geschrieben, nämlich dass es gar keines ist, sondern ein diffuses, loses Sammelsurium aus Geräuschen, Melodien, viel Hall, Stimmen. Ein Popkocher, Saint Etienne drüben im Saint-Etienne-Themenpark und die Musik kommt je nach Windstoß herüber oder nicht. Klingt wie ein Score. Liegt dran, dass es einer ist, wie mir dann auffiel, als ich das Coverbild suchte. Also: Das zehnte Album der Band um Sarah Cracknell ist zugleich Soundtrack des gleichnamigen Films von Alasdair McLellan. Bild wie Ton widmen sich dem UK der späten Neunzigerjahre – beste Saint-Etienne-Zeiten also – in Form eines Coming-of-Age-Essays, und schaut man sich die atmosphärische Bilder im Trailer dazu an, macht die Musik auf einmal Sinn. Viel mehr, es öffnet sich eine Welt. Es stellt ein Gefühl wieder her, ein Zeit-Geist kommt um die Ecke, an den ich mich ganz gut erinnere, weil ich in dieser Zeit eine Weile in UK leben durfte. Und mir dort „Lipslide“ gekauft habe. Toll, jetzt habe ich Sehnsucht. Entschuldigt bitte, ich muss meinen Tunnel-Windbreaker raussuchen und mir ein Irn-Bru kaufen gehen.
Mimsy – Ormeology
Thaddi: Gestern fragte mich Jan-Peter im Redaktions-Slack, ob es ok wäre, wenn er das neue Album von St. Etienne besprechen würde. Klar, ich hatte nicht mal mitgeschnitten, dass es mittlerweile erschienen war. Was für ein Album! Auch weil es so eine klare Rückbesinnung auf frühere OSTs ist. Ähnliches höre ich auch bei Mimsy, dem aktuellen Projekt von Jörg Follert. Es ist an dieser Stelle wohl angebracht, den jungen Menschen zuzurufen, dass dessen „Wunder“-Album Ende der 1990er-Jahre alles, aber auch wirklich alles veränderte – zum Besseren. Hier kam jemand um die Ecke, der in Sachen schwebendem Sound Design allen anderen überlegen war – und dazu noch die besten Ideen hatte. „Ormeology“ verknüpft assoziativ kurze Stücke, die in ihrer Wirkmacht alle Akkupunkturpunkte des Herzens treffen. Flächig, sachte, noch sanfter zerstörerisch, dann wieder offenherzig sampelnd: Das ist Musik, zu der ich die Zeit vergessen möchte. Und das auch tue. Und tatsächlich stören mich dabei nicht mal die immer wieder auftauchenden Lyrics. Die erinnern mich in ihrer scheinbaren Zufälligkeit wiederum an eine ganz andere und ähnlich prägende Platte längst vergangener Zeiten. Aber um die kümmere ich mich ein anderes Mal.
Kaitlyn Aurelia Smith & Emile Mosseri – I Could Be Your Dog (Prequel)
Ji-Hun: Es ist eine Zusammenkunft und Kollaboration der besonderen Art. Kaitlyn Aurelia Smith und Emile Mosseri haben dieses sehr kurze, dafür aber umso schönere Album „I Could Be Your Dog (Prequel)“ aufgenommen und auf Ghostly veröffentlicht. Kaitlyn Aurelia Smith ist bei uns fast eine alte Bekannte. Emile Mosseri wurde dieses Jahr für seine Oscar-nominierte Filmkomposition für den Streifen „Minari“ bekannt. Die 16 Minuten bestehend aus sieben Tracks sind flüchtig und man möchte sie greifen. Das Album ist schneller vorbei, als einem lieb ist und besticht durch liebliches und zugleich fantastisches Sounddesign, flirrende Harmonien und eine Volatilität, die natürlich auch an zarte Filme erinnert. Die gute Nachricht, es ist bereits ein zweiter Teil der Kooperation angekündigt. Ich entdecke derweil den Repeat-Button wieder, fast vergessen, dass es in Zeiten der klanglichen Abundanz so etwas noch gibt.