Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Richie Hawtin, Alex Banks und Domenique Dumont
Richie Hawtin – Time Warps
Thaddi: Hatte ich nicht mit gerechnet. Dass ich an einem Freitagmorgen mit Techno im Ohr meinen Spaziergang machen würde. Hawtin, der alte Schlauberger, lässt Konzepte Konzepte sein und auf seiner neuen EP einfach die 909 sprechen. Das rollt, ist natürlich eine Hommage an früher, dabei aber doch ausgesprochen befreiend. Was nur für den Umgang mit Sound damals wie heute steht. Ist aber auch wirklich clever. Die 909 slammt also, und die Chords sind Robert Hood von ganz früher in Reinkultur. Mit dessen neuem Album komme ich ja leider nicht so richtig klar, drum ist es umso besser, dass hier sein Erbe groß, laut und brachial gefeiert wird. Ob das auf 18 Minuten laufen muss, sei dahingestellt, ist aber letztendlich auch egal. Hawtin wäre natürlich nich Hawtin, wenn er nich doch ein klein wenig Konzeptuelles droppen würde. Die Flächen auf der B-Seite schließen den Kreis zum Main Track und machen am Ende dann doch wieder den Sack zu. Plan für das Wochenende: „Internal Empire“ hören.
Alex Banks – Tephra
Benedikt: Wer die Releases auf Max Coopers Label Mesh kennt – und damit was anfangen kann – dürfte sich von Alex Banks jüngster EP „Tephra“ sofort abgeholt fühlen. Mir geht das längst nicht mit jedem Mesh-Release so, zumal das mit dem Techno während Lockdown'scher Langsamkeit eh eine schwierige Sache ist. Aber der Opener „The Space Between“ kommt auf dich zu, zerrt sanft am Ärmel, sagt: „Ja Stillstand schön und gut, aber komm mal mit, ich zeig dir was.“ Und so führt „Tephra“ einen raus in die karge Düsternis dieser Tage, an der die eigene Stimmung kaum vorbeikommt. Die rau texturierten Drumpatterns, die sich auch ganz gut in den zerklüfteten Vulkanlandschaften der Kanaren verorten lassen, in denen diese EP entstanden ist, sind allerdings nur das Fundament von Banks phänomenal detailversessenem Sounddesign. Darüber ein Überbau aus Melodien, Synthie-Hooklines und Motiven die im Ohr kleben bleiben, auch wenn der Track längst ausgelaufen ist. Diese EP ist wie Zuckerwatte essen bei wintergrauem Mistwetter.
Domenique Dumont – People On Sunday
Ji-Hun: Der Stummfilm „Menschen am Sonntag“ entstand zwischen 1929 und 1930 und ist eine Zusammenarbeit von Robert und Curt Siodmak, Billy Wilder und Edgar G. Ulmer. Es war der letzte Film von Billy Wilder, den er in Berlin und Umgebung filmte, bevor er vor dem NS-Regime floh, bekanntlich in die USA zog und dort zu einem der bedeutendsten Filmemacher der Geschichte wurde. Der zur „Neuen Sachlichkeit“ gezählte Streifen erzählt die Geschichte von Erwin, dem Taxifahrer, und Brigitte, der Plattenverkäuferin. Der französische Produzent und Musiker Domenique Dumont hat für diesen Film einen neuen Soundtrack komponiert. Bei „Menschen am Sonntag“ geht es um den Alltag junger Menschen in ungewissen Zeiten. Und auch hundert Jahre später, scheinen diese Themen in der Großstadt universell.