Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Sweet Harmony“ von Liquid
6.4.2017 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Undergroundphänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute geht es um eine House-Hommage: „Sweet Harmony“ von Liquid.
Eine große Ravehymne in a-Moll. Liquid, das war DJ Model (Shane Heneghan) und das ist immer noch Eamon Downes a.k.a. Ame, der bis heute als DJ unterwegs ist. „Sweet Harmony“ schaffte es 1992 in den UK-Charts bis auf Platz 64, in den Dance-Charts ging noch richtig weit hinauf: Platz sechs. Erschienen ist die „Liquid EP“ auf dem wohl bekanntesten UK-Rave-Label XL Recordings, genau wie das Anhörungsbeispiel Nummer eins unserer Ravegeschichten. Streicher-Flächen, Piano, ein Vocal-Sample – genuine Ravebausteine, unterlegt von einem groben, catchigen Breakbeat. Doch so genretypisch der Track erscheinen mag, er ist fast in Gänze der Hymne eines anderen Dance-Music-Genres entlehnt: House. Das Sample „in sweet harmony“, das Piano-Motiv und die Strings, ja selbst die Bassline stammen von „Someday“, das CeCe Rogers 1987 zusammen mit Marshall Jefferson produziert hat. Unkreativer Komplett-Klau, könnte man nun sagen. Ich aber sage: eine Verbeugung, so schön, wie alles eingearbeitet und mit eigener Instrumentation (also Keyboard, mein ich) neuvertont wurde. Deutlich ruffer hingegen ist „Some Justice“ von Urban Shakedown, auch anno 1992, das sich ebenfalls kräftig bei „Someday“ bedient hat. Kommt aber auch gut, immer noch. Lupenreines Ravevideo auch.
Bevor ich mir meine Raving-Schuhe gleich wieder anziehe, noch ein Rave-House-Dig: Auf Liquids Nachfolge-EP, „Liquid is Liquid“, befindet sich „House Is A Feeling“, eine Neuinterpretation des legendären „My House“ von Larry Head a.k.a. Mr. Fingers. Es gibt in der Ravegeschichte wohl kaum eine vocalsamplingtechnisch mehr be- und zernutzte Grundlage als die „Jack had a groove“-Ansprache von Chuck Roberts. Nur ein anderer Chuck, Chuck D von „Public Enemy“, musste ähnlich oft herhalten. So deep, so süß-harmonisch wie bei „Liquid“ sollte es jedoch nie wieder werden.