Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „Poing“ von Rotterdam Termination Source
13.7.2017 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Underground-Phänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute nehmen wir die Fähre von Harwich nach Hoek van Holland in Rotterdam.
Ich sitze wie so oft im Jahr 1992 abends vor dem Fernsehgerät und schaue mir „Most Wanted“ mit Ray Cokes an. Damals war Ray Cokes auf MTV das Original und Stefan Raab mit „Vivasion“ auf VIVA das Plagiat. Die Doofen guckten sich den auf Kinderstühlen hockenden deutschen Metzger mit seinem Plastikhammer an, die Coolen den Mann mit dem im Verhältnis zum schmalen Kinn breitesten Grinsen, der die Hälfte der Sendung mit Andycam, seinem Kameramann, nuschelte. So jedenfalls war mein Empfinden. Ist es heute noch. Ein Element der Show war eine Ja-Nein-Frage an das Auditorium am elektronischen Lagerfeuer, – entweder die eine oder die andere Nummer anrufen und am Ende gab es ein Ergebnis wie bei TED, dem jämmerlich ausschauenden Pixelmännchen von „Wetten, daß“. An jenem Abend ist die Frage: „Do you want to see the video "Poing" at the end of the show?“. Oh ja. „Poing“ hatte ich zuvor schon mal in der nicht minder legendären „MTV Party Zone“ mit Simone Angel – ohne diese Sendung keine Ravegeschichte für mich – durchrauschen sehen und ja, bitte, unbedingt. Gleich angerufen, zweimal sogar. Gut, dass die Eltern seinerzeit keine Einzelauflistung der Telefonate erhielten; die Vermutung hätte wohl nahe gelegen, dass der teenagende Junge die erotischen Telefon-Mehrwertdienste jener Ägide in Anspruch genommen hat. Jedenfalls fiel das Ergebnis klar für „Poing“ aus und Ray ließ es laufen. Ist im Nachhinein eh klar – wer keinen Bock drauf hat, schaltet einfach um und ruft dafür doch nicht extra an.
„Poing“ ist das Paradebeispiel für Gabber, jener parallel zum UK-Rave in den Niederlanden und Belgien entstandenen und geprägten Stilrichtung der Tanzmusik. Schnell, hart, cheap. Die Rotterdamer Gabber-Subkultur spuckte dem bürgerlichen, quietschgemütlichen Holland, aus dem sonst nur Bands wie The Nits oder Herman van Veen zu hören waren, ordentlich ins Gesicht und hüpfte amphetamingedopt nächte- und tagelang drauf herum. Das alles wäre eine eigene Ravekolumne wert – wir beschränken uns hier (wir machen ja nur einen Kurzurlaub von der Insel) auf das Masterpiece, den Chartbreaker, der es in den Niederlanden und in Dänemark auf den ersten Platz schaffte und selbst im mit Eigenproduktionen reichlich belieferten UK auf Platz 27. Die Fans des englischen Fußballteams „West Bromwich Albion F.C.“ sollen daraus, leider findet sich kein Footage, ihre Stadionhymne gemacht haben. Wie viel besser ist das bitte als „Seven Nation Army“ oder „Go West“?
„Poing“ reduziert den Gabber auf sein Wesentliches: Bass, Clap, Snare und eine Melodie, die minimalistischer nicht sein könnte – ein simples „Poing“ auf den Vierteln. Das dazugehörige Video ordnet sich diesem strengen Rhythmus komplett unter. Tischtennis-, Fuß- und Erdbälle hüpfen im Takt durch das Bild. Ein fragiles Werk, dem sich nichts entnehmen lässt, ohne dass es zusammenkracht, haben Maurice Steenbergen und Danny Scholte auf Paul Elstaks legendärem Hardcore-Techno-Label Rotterdam Records veröffentlicht.
Ein gutes Jahr später gab es von Rotterdam Termination Source eine Weihnachts-EP: „Merry X-Mess“. Ein ziemlich mediokres Unterfangen, aber versehen mit kräftigem Diss gegen das erfolgreichste niederländische Dance-Duo jener Zeit, 2 Unlimited. Auch diese Veröffentlichung schaffte es ins Musik-TV: Steve Blame spielte es in seiner Musiknachrichten-Sendung, so was gab es damals noch, „MTV News“, und lachte sich dabei ordentlich kaputt darüber. Naja, Steve, so viel besser waren deine Musikversuche jener Zeit dann ja auch nicht poing, poing, poing.