Ravegeschichte – 25 Jahre 1992Heute: „Injected With A Poison“ von Praga Khan
21.9.2017 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Underground-Phänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute verpasst uns Praga Khan eine Giftspritze.
Es ist 1992. Ich sitze mal wieder vor meinem MTV und es kommt eine Sondersendung über Techno. Über die großen Raves, die gerade im Lande donnern, über Drogen, über Clubwear (ja, so hieß das damals) und über die Definition von Techno. Damals gab es so etwas wie eine Zäsur – auf der einen Seite war da der US-amerikanische Techno, hypnotisch, repetitiv, deep, wie er besonders in Detroit geprägt wurde, der Detroit Techno, und auf der anderen Seite das, was gerade in Europa chart- und massentauglich wurde, der poppige Euro-Techno mit seinen Strophen, Refrains und Signals. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es Derrick May war, der in dieser Sendung sagte: „M-M-M-MM-M, that is not techno.“ Und meinte damit, klar, den Euro-Techno. In der folgenden Szene war dann eine Frau zu sehen, die meinte, dass das ja total eingrenzend sei und sich doch jeder musikalisch so entfalten solle, wie er wolle. Und so. Diese Frau war Jade 4U, und Jade 4U, mit bürgerlichem Namen Nikkie van Lierop, war die Sängerin des belgischen Raveacts, um den es sich hier heute dreht: Praga Khan. Dessen kreativer Kopf war und ist Maurice Engelen, der zusammen mit van Lierop sowie Oliver Adams schon in der legendären belgischen New-Beat-Szene mit „Lords of Acid“ zu den Protagonisten gezählt hatte. Mit ihrem Projekt Praga Khan drehten Engelen und van Lierop das Tempo ziemlich hoch: „Injected With A Poison“ ist ein Stück mit allem, was es so braucht, um sich ganz nach vorne in die Ravepop-Riege dieser Zeit zu spielen – Gesangsschnipsel, hektische Samples, das Stadion, ein klimperndes Klavier und, ja, M-M-M-MM-M. Die Anzahl der Versionen und Remixes gehen ins Unermessliche.
Ein weiterer Erfolg von Praga Khan war „Rave Alert“, und wenn man sich das Gesamtwerk von Praga Khan bei Discogs anschaut, so sieht man: Da kam noch vieles, vieles mehr, es geht bis in die Gegenwart hinein, auch wenn es danach meines Wissens nach nicht mehr die Pophitschwelle zu überschreiten wusste. Engelen ist bis heute als Praga Khan aktiv, saß in der Jury der belgischen Ausgabe der TV-Talentshow „X-Factor“ und hat zudem 2011 mit „SonicAngel“ eine Crowdfunding-Plattform für Nachwuchsmusiker gegründet. Ein in Würde gealterter Rave-Haudegen.