Ravegeschichte: 25 Jahre 1992Heute: „I'm Gonna Get You“ von Bizarre Inc
29.6.2017 • Sounds – Text: Jan-Peter Wulf1992 war das große Jahr von UK-Rave, Breakbeats und Hardcore. Das-Filter-Redakteur Jan-Peter Wulf stellt euch in seiner Kolumne die Stücke vor, mit denen ein Underground-Phänomen zum Chartbreaker-Lieferant wurde. Eine kurze, aber spannende Zeit, die vor 26 Jahren begann und vor 24 Jahren schon fast wieder zu Ende war. Heute pumpen wir die Party mit Bizarre Inc.
Einfach mal in den Track reinskippen.
„I'm Gonna Get You Babe, I'm Gonna Get You Yes I Am.“ (...) „Yo DJ Pump This Party.“
Das klingt auf die Schnelle wie lupenreiner Dancefloorpop der Neunzigerjahre. Erst beim genaueren Hinhören, Stück für Stück auseinandergenommen wie im „NDR Popkocher“, offenbart sich der ravige Hintergrund: Die rhythmischen Chords, der melodiöse Bass, der an einen Break angelehnte Beat. Die DNA für diesen Track stammt aus der britischen Clubszene, nicht aus einer amerikanischen Militärbasis in Süddeutschland, in der ein Captain President die falsche Entscheidung trifft, fortan Musik zu machen. Dieses Stück anno 1992 schaffte es bis auf Platz 3 der UK-Charts und, eine Rarität dieser Zeit, wurde sogar in den US-Billboards notiert, immerhin 23 Wochen lang hielt sich das Stück in den amerikanischen Hot 100. Vielleicht deswegen, weil es mit dem Gesang von Angela Brown fast etwas Groovig-Souliges hat (was so ziemlich kein Rave-Track hat)? Vielleicht, weil das Video recht sexy ist (was so ziemlich kein Rave-Video ist)? Überhaupt kommt es eher im Stile von Clips der Ägide daher, die US-Acts wie Crystal Waters oder die C+C Music Factory haben für sich drehen lassen.
Whatever. Bizarre Inc heißt das Projekt dahinter und bestand in den späten 1980er-Jahren zunächst aus den beiden britischen DJs Dean Meredith und Mark Archer. Archer verabschiedete sich allerdings schnell wieder, um eine andere Ravegeschichte zu schreiben (auf die werden wir noch zu sprechen kommen im Laufe des Jubliäumsjahres), zu Meredith stießen der Produzent Andy Meecham und der DJ Carl Turner. Als Trio machte „Bizarre Inc“ sich in der Clubszene vor allem mit den Stücken „Such A Feeling“ und „Playing With Knives“ von sich reden, Letzteres dürfte den Pet Shop Boys und ihrem Producer Stuart Price für die 2016er-Single „The Pop Kids“ als, wohlwollend ausgedrückt, große Inspiration gedient haben.
Wie in so vielen Fällen dieser Ära war der Peak – der Charterfolg mit „I'm Gonna Get You“ – gleichzeitig aber auch der Vorbote des Endes. Zwar starteten Bizarre Inc im Jahr 1996 einen Comebackversuch mit dem Album „Surprise“, das aber versendete sich ziemlich. 1996 war eben eine andere Zeit. Jetzt regierte der Dancefloor auf dem Dancefloor, zumindest auf dem gut beleuchteten, sauberen, teilweise mit Handtaschen bestückten, auf den es Bizarre Inc trotz ihrer Herkunft vom dunklen, dreckigen und mit Glassplitter übersäten zweifelsohne abgesehen hatten. Dort riefen jetzt die Captain Presidents dieser Welt zum Appell.