Der Pathos-Postrock von der Insel ist zurück: Das achte Album von Sigur Rós hält keine großen Überraschungen parat. Die-hard-Fans werden es freilich lieben, Jan-Peter Wulf findet: Es kommt auf die Stimmung an.
Es ist 2013, wir schrauben im Büro mit Hochdruck an dieser Webseite und ich höre Sigur Rós auf meinen Kopfhörern. Als Jón Þór Birgissons Stimme mal wieder ihren markanten Höhepunkt erreicht, höre ich den Kollegen rüberrufen: „Den Wolf habe ich ja schon lange nicht mehr heulen gehört!“ Tja. Das ist nun ein Jahrzehnt her, krass, und besonders oft habe ich die Band aus Island seitdem nicht gehört. Ohnehin war ich immer mehr ein Fan von Amiina, die die deutlich bekanntere isländische Band viele Jahre auf Konzerten und in Stücken begleitet hat. Und hätte sich ein Plakatierer neben unserem Haus nicht mit ungefähr 24 Kleinplakaten zum neuen Album ausgetobt, ich weiß gar nicht, ob ichs mitbekommen hätte, dass nun Átta – das also achte Album – rausgekommen ist, im Juni sogar schon digital. Wäre schade gewesen, denn das altbekannte Gefühl stellt sich gleich mit dem fulminanten Auftakt Glóð ein: Pathos, Melodramatik, Stringporno, Flächenmäandern, dieses immer-auch-ein-bisschen-drüber. Leise Töne, die kann Sigur Rós ja auch, wie auf so manchen Vorgängern zu hören, oder mal ein bisschen Zornigeres, schließlich ist man ja eine Post-Rock-Band, wenngleich die Formation sich in der Besetzung über die Jahre ziemlich verändert hat, bleibt hier ziemlich draußen.
Und so ist Átta weitestgehend ein Crooner für einen imaginären Film, mit vielen eindrucksvollen Naturszenen, wenig Personal, es regnet oft, aber dann leuchtet es auch wieder. Ich bin nach dem dritten Hören immer noch hin- und hergerissen, einmal packt es mich, dann geht es mir auf den Zeiger – ob dieses Werk mir zusagt oder nicht, bleibt offen. Aber vielleicht ist das auch einfach so: Musik für manchmal, wenn es die ganz große innere Geste sein soll. Ein Stück sticht für mich heraus: Gold. Dichter dran an Morten Harket ist Jónsi stimmlich wohl nie gewesen. Cry Wolf!