Plattenkritik: Session Victim - See You When You Get ThereGuck mal, da ist 'ne Disco im House
5.12.2014 • Sounds – Text: Benedikt BentlerHauke Freer und Matthias Reiling alias Session Victim bringen mit „See You When You Get There“ ihr zweites Album heraus. Wieder auf dem britischen Label „Delusions Of Grandeur“, dem Debüt nicht unähnlich: Deep House im Disco-Gewand, mit einer ordentlichen Portion Funk und Soul, hier und da einem Hauch Jazz. Genauso wie das Debüt also? Nee, besser.
Schon beim ersten Track wird klar: Den Pachtvertrag für Groove und Funk haben Hauke Freer und Matthias Reiling keinesfalls gekündigt. Discofeeling kommt auf, wenn sich die ersten angedeuteten Gitarrensounds und eine Synthie-Bassline über die Kick schieben. Dancefloortauglich? Sicher. Für das Wohnzimmer aber ebenso geeignet. Die Gitarre wird dann auch gleich mitgenommen, es geht einen Gang runter. „Hey Stranger, I just to get to know you“, ruft es mit rauchiger Jazzstimme aus den Lautsprechern. In „See You When You Get There“ ersetzt ein Piano die Gitarrenstimme. Und obwohl man schon mitten im Session-Victim-Signature-Sound steckt und auch noch eine ganze Weile stecken bleiben wird, verändern sich die Texturen gerade genug, um nicht langweilig zu werden. Auch Detailverliebtheit und der organisch unperfekte Sound leisten dazu ihren Beitrag, noch viel mehr als auf dem ersten Album.
Vielleicht lässt sich dieser Unterschied zum Debüt auch mit einem erheblichen Unterschied in der Produktion erklären: Ein Teil des Albums wurde Studio Room G in San Francisco aufgenommen. Das richtige Setting, kalifornische Sonne und ein Studio voll analoger Synthies aus vergangenen Tagen haben sich positiv auf die Handarbeit ausgewirkt. Zumal diese Geräte perfekt zu den gern genutzten Samples der beiden aus ebenso vergangenen Tagen passen. An vielen Stellen weiß man gar nicht wie viele Zupf- und Tasteninstrumente da gerade spielen, nur der prägnante Sound einer Fender Rhodes oder die gezupfte erste Gitarre sticht heraus, stets unterlegt von treibenden Drums in bester House-Manier.
Mit Track Nr. 7 - „Hyuwee“ - kommt dann Popsong-Feeling auf: Vocals, Hook, eingängig angeschlagene Gitarre. Nur ein kurzer Ausflug allerdings, denn mit „The Most Beautiful Divorce Ever“ erklingt der erste Track, der kompromisslos in Richtung Tanzfläche zieht: die Synthie-Lines simpel aber prägnant, dunkler, immer wieder Hall. Aus dem Club geht es dann direkt an den Strand. Die Möwen kreischen, gefühlvoll setzt das Piano ein. „Crystal Maze“ wirkt dabei wir das Intro zum vorletzten Track „Under Your Spell“, der den Sound der ersten Albumhälfte wieder aufgreift und so den Deep-House-Rahmen vollständig schließt. Mit „Eo’s Place“ klingt das Album dann im Downtempo aus.
Mit „See You When You Get There“ haben sich Session Victim gegenüber dem ersten Album „The Haunted House of House“ noch einmal ein gutes Stück weiterentwickelt. Es klingt voller, organischer, ist mit mehr Liebe arrangiert. Es geht um House, es geht um Disco und Funk. Hauke Freer und Matthias Reiling bleiben sich damit treu, wird der eine sagen. Sie wagen aber auch gar nichts Neues, tönt es aus der anderen Ecke. Vielleicht ist das Album aber auch gerade deshalb so gut: Erst, wenn sie Angefangenes bis zur Perfektion beherrschen, gehen Session Victim einen Schritt weiter. Mit dem nächsten Album also.