Plattenkritik: Land Observations - The Grand TourDie fulminante Rückkehr der Gitarre
1.8.2014 • Sounds – Text: Ji-Hun KimDer Musiker James Brooks hat sich für sein zweites Album in den südbayrischen Alpen verschanzt. Illustrieren wollte er eine große Tour durch Europa. Herausgekommen ist eines der Alben des Jahres.
Momentan haben Dokumentationen, Rückblicke und Retromanien zum Thema 90er-Jahre Konjunktur. Ob Nirvana, Techno oder auch HipHop, vielleicht waren die 90er die letzte popkulturelle Ära, in denen noch Musikstile geschaffen werden konnten. In den 90ern gab es auch sehr viel Gitarrenmusik. Heute kaum vorstellbar, dass Bands wie Pantera, Pearl Jam, Alice in Chains oder auch Soundgarden vor 20 Jahren die Billboard-Charts dominierten. Wieso schreib ich das alles? Vielleicht auch deshalb, weil die E-Gitarre seither ein schwieriges Instrument geworden ist. Zu viel Machismo, zu viel 70er-Jahre, zu viel Phallus. In den darauf folgenden Jahrzehnten hat sich die Gitarre ein wenig totgenudelt. Die Elektronik kam auf, der Rest bekanntlich Geschichte und auch der riesige Batzen der The-Bands Anfang der 2000er waren musikgeschichtlich bis auf wenige Ausnahmen eher Aufguss als Progression.
Gitarren und ein elektronischer, repetitiver Kompositionsansatz wollten sich nicht so recht verstehen. Lieber verschanzten sich Producer hinter Laptops. Man wollte, vielleicht auch unbewusst, den Menschen, den Virtuosen ein bisschen loswerden. Ein paar Ausnahmen gab es über die vergangenen Jahre dann doch. Die ganz großartigen The Gentleman Losers aus Finnland beispielsweise oder der Österreicher Fennesz haben beide Welten kongenial vermählen können. Land Observations, hinter dem sich der Musiker und Künstler James Brooks versteckt, darf sich von nun an dieser Beletage zugehörig fühlen. Sein zweites Album „The Grand Tour“, das auf Mute veröffentlicht wurde (2012 erschien sein Debüt „Roman Roads IV-XI“), ist die vielleicht reduzierteste und schönste E-Gitarren-Konzeption, die es momentan zu hören gibt. Ganz klar steht bei seinen langen Saiten-Schleifen der legendäre Michael Rother von Neu! Pate. Anders als Rother allerdings, der in seinen Klangeskapaden die Wall of Sound und das Frequenz-Nirwana suchte, oder auch Fennesz, der unterschiedlichste Stufen der Verzerrung dekliniert, ist Brooks alles andere als ein Soundtüftler.
Die Gitarre bleibt immer clean. Dezente Loops werden minimal übereinander geschichtet. Gedämpfte Chords, Pickings und kleine Koloraturen. Skizzen, Impressionen, hier und da ein kleines bisschen Hall. Auch die Skalen sind allgemein klassisch. Kein Jazz oder Noise, viel Pentatonisches, im Herzen eigentlich konservativster Rock. Das Ergebnis ist aber alles andere als das. Eher handelt es sich um intimen Folk oder romantische Elektronik im Gewand des Krautrock. Eine Brücke, die mir in dieser Konsequenz neu ist und in der Tat auf dem ersten Blick beliebig erscheint, aber dann doch die Macht der Loops so gut kennt, dass diese berühmten Räume dazwischen aufgehen wie der Start einer Sojus während eines Sonnenuntergangs. Wer einmal drin ist, möchte da nicht mehr raus.