Plattenkritik: Johannes Beck - Beyond Pleasure And PainSo geht House, ohne House zu sein
15.5.2014 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannWillkommen in der neutralen Zone.
Wenn Freude und Schmerz überwunden sind, fühlt man sich taub. Unentschieden, unsicher. Kein Wunder bei den ganzen Türen, die man in letzter Zeit hinter sich zugeschlagen hat. Was kommt als nächstes, wohin geht die Reise? In Richtung Neuanfang.
Ob Johannes Beck das ähnlich sieht? Eine Hand voll Tracks und Remixe zählen bislang zum Portfolio des Labelmachers, DJs und Produzenten, der mit „Beyond Pleasure And Pain“ jetzt sein Debütalbum vorlegt: auf dem Leipziger Label Kann Records, felsenfester Garant für wundervoll verpackte House Music. Johannes Beck erweitert diese Tradition um eine wichtige Komponente.
##Auf Kante genäht
Alben von Dance-Music-Produzenten waren in der Vergangenheit immer wieder Anlass für den einen oder anderen Kopfschüttler. Was mit einzelnen Tracks entweder funktionierte oder nicht, schaffte in der Zusammenstellung oftmals den Sprung ins „Will ich behalten“-Regal. Kein nachvollziehbarer Zusammenhang, kein Spannungsbogen. Alben zu kompilieren, ist eine hohe Kunst, der die Dancefloor-Kids oft nicht gewachsen sind. Auch das Älterwerden hilft oft nicht. Beck wirkt auf seinem Album schon jetzt sehr weise.
Das hat natürlich nicht nur mit der Auswahl der Stücke zu tun, sondern auch mit seiner generellen Herangehensweise an House Music. Die folgt auf dem Album zwar eigentlich genau der Art der Kompilierung, die Connaisseure in der Vergangenheit immer wieder zur Haarerauferei anstachelte - „normale“ Tracks und kürzere, ambiente Interludes wechslen sich ab - Becks kompositorischer Ansatz jedoch lässt dieses eigentlich zum Scheitern verurteilte Prinzip erschütternd klar aufgehen. Becks Sound ist sachte, vorsichtig, historisch rein gar nichts verpflichtet und wirkt somit eigenständig, frisch und überwältigend gut. Beck näht auf Kante.
Das Gehemnis von Becks Sound ist, dass er sich durch und durch akustisch anhört, auch wenn er elektronisch produziert ist. Die Grooves haben den Swing eines Jazz-Veteranens, auch wenn die Maschine über die 1 bestimmt. Die Vocals klingen vertraut, auch wenn sie einem Unerhörtes ins Ohr säuseln. Der Bass klingt sanft, obwohl der den Takt vor- und angibt. Und Melodie- und Chord-Abteilung befeuert distanziert und lässig das Herz.
Beck schreibt Tracks für die besonderen Momente auf dem Dancefloor. Momente, die eigentlich jederzeit passieren müssten, auf die man aber immer viel zu lange wartet. Millisekunden der Intimität, des Aus-dem-Schritt-Geratens, des Innehaltens, der Reflexion. Momente, in denen die Masse nicht mehr alles ist, sondern man plötzlich selbst wieder im Mittelpunkt des Geschehens steht. Genau dafür sollte ein Album verwendet werden, für das Einfangen dieser Stimmungen. Johannes Beck gelingt das vorzüglich.
Johannes Beck, Beyond Pleasure And Pain, ist auf Kann Records erschienen.