Plattenkritik: James Yorkston - The Cellardyke Recording And Wassailing SocietyLanger Titel, toller Folk
15.8.2014 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannDer Crooner vom Nordsee-Strand ist zurück. Und besser denn je.
Cellardyke muss ein wirklich verschlafenes Kaff sein. Von Edinburgh macht man sich auf den Weg in Richtung Dundee, nordwärts, muss dann aber recht schnell abbiegen. In Richtung Küste. 50 Meilen und 90 Minuten später ist man da. Hier wohnen die alten Männer und ihr Meer. Und James Yorkston. Der einzige Folk-Sänger, der von sich behaupten kann, schon von Kode 9, dem Chef des Bass-Labels Hyperdub geremixt worden zu sein. Ist lange her, war auch nicht sonderlich wichtig, aber in welcher Akustikgitarren-Biografie steht sowas schon?
Ja, es ist bereits die zweite Folk-Platte aus Schottland, die hier Erwähnung in kurzer Zeit findet. Natürlich kennen sich Yorkston und Creosote, haben auch schon gemeinsam Platten eingespielt, sind beim gleichen Label unter Vertrag, ihre Geschichte ist aber eine vollkommen andere. Es geht um Präzision. Yorkston spielt nicht einfach die Schrammelgitarre und singt Geschichten über die wilde Schönheit seiner Heimat (macht Creosote auch nicht). Seine Songs gleichen kleinen Symphonien voll filigran organisierter Teilstücke, detailliert ausgekleidet und verdammt gut im Studio aufgenommen und ausgedacht. Bonus: Seine Vocals versteht man auf Anhieb (bei Creosote nicht.)
Und die sind wichtig, die Lyrics. (Es ist 2014, da darf ich das mit guten Gewissen zum ersten Mal in meinem journalistischen Leben schreiben). Weil absurd, abseitig und eigentlich gar nicht passend zur gefälligen Musik. Es muss die Mischung sein, die James Yorkston so besonders macht. Wie das miteinander verwächst. Und sich beide Seiten dabei immer auch gegenseitig als tragendes Instrument verstehen. „Love Is Never Easy“ stimmt zwar sowieso, aber mit 300 freischwebenden BPM stimmt es eben noch mehr.
Die erste Yorkston-Platte hörte ich 2006. Das war das Album mit dem Track, der später von Kode 9 neu gemischt wurde. Das war so ein richtiger Major-Move, obwohl sein Label ja gar kein Major ist. Aber wahrscheinlich wollte das Label damals Kode 9 selber haben und mit Remixen locken und testen. Diese Platte also - „The Year Of The Leopard“ - war und ist sensationell. Obwohl Yorkston-Platten damals schon bedeuteten, was heute immer noch gilt: Alleine geht gar nichts. Auch auf dem neuen Album spielen jede Menge Freunde und Bekannte mit. Allen voran KT Tunstall, eine Sängerin und Songwriterin, die es jetzt dringend auszuchecken gilt.
Vielleicht ist der Unterschied, dass Yorkston die Platte in London aufgenommen hat. Für eine Woche die Großstadt zugelassen hat und auf Musik und Texte abfärben ließ. Es ist ein besonderes Album, eine Platte, die viele Brücken bauen kann, gerade auch in die Richtung derjenigen, die sich so etwas eigentlich nicht anhören würden. Ist ja alles andere als Future. Denen sagt man dann am besten auch nicht, dass Alexis Taylor von Hot Chip für die Produktion verantwortlich ist. Hört man nämlich nicht. Ist nämlich kein Techno-Schlager drauf. Und die mag der Taylor doch so gerne. Gute Songs bleiben gute Songs. Vor allem wenn jemand wie Yorkston im Studio sitzt und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. 16 Tracks, 16 Visionen. Das ist doch dann doch schon wieder sehr Future, oder?