Plattenkritik: Helado Negro – Phasor (4AD)Die beste Zeit ist Jetzt
22.2.2024 • Sounds – Text: Ji-Hun KimDas achte Studioalbum von Robert Carlos Lange entführt nicht nur schillernd aus dem grauen Spätwinter, es macht für den Moment auch die Welt zu einer besseren.
Als Thaddi Herrmann 2019 Helado Negros Album „This Is How You Smile“ besprach, erwähnte er die eindringliche Stimme von Roberto Carlos Lange, die „wie aus der Zeit gefallen“ klingt. Das ist immer noch so, er intoniert nicht modern oder vintage, er singt impressionistisch und unprätentiös, aus der Zeit gefallen, aber eben auch zeitlos. Das ist auf seinem achten Album „Phasor“ nicht anders. Es ist der zweite Longplayer, der auf dem Label 4AD erscheint, und auch hier ist es ein wunderbares Werk geworden. Leichtfüßig und unaufgeregt schwebt er zwischen den Stilen und schafft damit seine eigene Kategorie. Helado Negro singt auch hier auf Englisch und Spanisch und es ist interessant, wie der Kopf die Musik prompt in Lateinamerika verortet, wenn die Texte Spanisch sind und seiner Heimat Brooklyn, wenn es Englisch erklingt. Das macht Lange aber nicht mit offensichtlichen Klischees, das wäre zu einfach. Er verkörpert schlichtweg das Panamerikanische und das ist für die Hörer berührend und erwärmend zugleich.
Bossa Nova, Folk, Indie und Elektronik, abgehangen und gut gereift sind die neuen Songs. Es wirkt hintergründig, greift aber zugleich doch fest an der Hand und bucht im Reisebüro das One-Way-Ticket in eine schöne, vielleicht angenehmere Welt, die aber kein digitaler Eskapismus ist. Die Kritik nennt das Avant-Pop, was letztlich auch nur eine bemühte Zuschreibung ist, denn was soll das hier mit Holly Herndon, FKA Twigs oder Ariel Pink zu tun haben, auch die nicken sich in der musikalischen Kaffeeküche maximal kurz zu und gehen weiter ihrer Wege. Wer hier verkopfte Avantgarde erkennt, fühlt nichts. Mir würde Panamericana gut gefallen, aber es wäre lächerlich, erst über Schubladen zu schimpfen und die nächste ins Regel zu schrauben. Schubladen braucht man nur, wenn man zu viel Besteck hat und nicht weiß, wohin damit. Helado Negro stellt man als Einzelstück in die Glasvitrine. So etwas leuchtet herzlich und klug, hat unwiderstehliche Rhythmen und verführt ohne eine Sekunde grabschig zu sein. Etwas das man jedes Mal mit guten Erinnerungen konnotiert, wenn es ins Blickfeld gerät. Wenn du, Roberto, mit einem rostigen Käfer vor meiner Tür stündest und sagst, du fährst mit mir bis ans Ende der Welt. Ich komme mit. Du machst mir den miesen grauen Februar schön, wieso auch nicht den Rest?