Plattenkritik: Freund der Familie - Alfa Remixes #1Eines der besten Alben von 2013, zerlegt in seine Einzelteile: Teil 1 von X
28.3.2014 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannNach dem Release ist immer vor dem Release. Wissen auch die beiden professionellen Zwischen-den-Stühlen-Sitzer von Freund der Familie. Die Remix-Welle rollt. Los geht's mit Christopher Rau und Roger Gerressen.
15 Releases listet die allmächtige Datenbank Discogs.com auf dem Label Freund der Familie. 14 davon, wenn mich nicht alles täuscht, habe ich in den vergangenen sechs Jahren besprochen, Beats in Worte übersetzt, den Chords Kommata verpasst. Und ein paar Ausrufezeichen. Viele Platten davon waren nicht nur auf FDF, sondern auch von FDF, der Keimzelle des Berliner Labels. In jeglicher Hinsicht mit viel Liebe zum Detail produziert. Erst der Sound, dann das Cover. Veröffentlichungen auf FDF sind nicht nur einfach Platten, es sind Items, die man mit besonderer Vorsicht ins Regal stellt, obwohl man sie doch eigentlich ständig hören will. 2013 brüllten dann Klaus Rakete und Mirko Hunger - das sind die beiden Familienfreunde - ein lautes Fuck You die Straße hinunter. Und während sie auf das Echo warteten, war das Album fertig: Alfa. Und wie das eben so ist in der Popmusik im Allgemeinen und im Techno im Besonderen, startet jetzt die konzertierte Aktion der Neuinterpretationen. Komplettes Understatement. Auf 10"s, diesem obskuren, irgendwie aus der Mode gekommenen Format zwischen Single und LP, das man entweder in einem eigens dafür vorgesehenen Abteil des Regals platziert oder unter 365 LPs schnell wieder aus dem Auge verliert. Dazu darf es nicht kommen. Denn die beiden Mixe der ersten Folge sind fantastisch. Aber erinnern wir uns zunächst an das Album und vor allem den Track „Colombia“, der hier in zwei neuen Versionen vorliegt.
Die A-Seite bestreitet Christopher Rau, eine der am besten heftenden Kletten des Hamburger Smallville-Kollektivs. Zwei Alben und gefühlte acht Millionen Maxisingles gehen mittlerweile auf seine Kappe. So jemand muss sich sowieso keine Sorgen um die Zukunft machen. Und wenn es irgendwann zu Ende gehen sollte, mit den Bassdrums, dann wird er eben Chef eines Tiefbauamtes, gräbt die Gruben und sät neue Bassdrums für zukünftige Generationen. Seine Version von „Colombia“ zieht die zittrig flirrende Rhythmus-Sektion des Originals auf die Tartan-Bahn der organisierten Gradlinigkeit, kramt die Stoppuhr aus der Tasche, nuschelt ein kurzes „Los“ und beobachtet dann voller Freude, wie dieser eine entscheidende Akkord seine Runden dreht, beobachtet vom Flutlicht des Deephouse. Eine ausdefinierte und auf Erfolg getrimmte Formel, könnte man denken, die hier jedoch auf wundersame und vor allem wundervolle Weise die asiatische Kirschblüte beschleunigt und der angestaubten Berechenbarkeit ein neues Glitzern verpasst.
Der zweite Mix kommt von Roger Gerressen, einem Holländer, den sich der Rezensent zukünftig ganz oben auf den Zettel schreiben wird, war er ihm doch bislang vollkommen unbekannt. Label-Macher, DJ und - das macht sein Mix hier deutlich - begnadeter Dub-Analytiker, der erst in den oft rabiaten Blenden am Ende eines Stücks richtig anfängt zuzuhören, die Details erst sichtet, dann umschichtet und zu einem fulminanten Wehmutsbrocken verdichtet. Ganz die Berliner Schule, fest verwurzelt im Erbe von Pionieren wie Basic Channel und Maurizio, den Erfindern des MIDI-Staubsaugers und des Gewitter-to-Deepness-Algorithmus. Auch Gerressen ist großer Verfechter der Klarheit, der Reduktion, versüßt uns aber diesen Ansatz mit endlosem Fokus auf dieses gewisse Göttliche in den Sounds. So wie das Stück Zucker damals bei der Schluckimpfung.
Wenn diese Remix-Reihe mit so viel Effet weitergeht, dann steht 2014 unter einem guten Stern.
Freund der Familie, Alfa Remixes #1, ist bei Freund der Familie erschienen.