Plattenkritik: Fatima Al Qadiri - AsiatischSpaziergang durch die eigene Fremde
20.5.2014 • Sounds – Text: Wenzel BurmeierIkonika, Cooly G und Jessy Lanza rüttelten in den letzten Jahren tatkräftig an den Geschlechterverhältnissen der elektronischen Musikwelt. Während ihr Label Hyperdub konsequent an der Fortschreibung des britischen Hardcore Continuums saß. Fatima Al Qadiris Debütalbum soll der nächste Fußstapfen darin sein – und vermengt die militaristische Ästhetik von Grime mit Sounds aus dem China des Westens.
Manhattans Canal Street ist so etwas wie New Yorks Mecca, wenn es um Modeplagiate aus Fernost geht. In jüngster Vergangenheit diente sie dem Künstlerkollektiv Shanzhai Biennial als Inspiration für eine Arbeit zum Thema Kopien. Unter anderem wurde dafür ein Cover des Prince/Sinead O’Connor-Hits „Nothing Compares 2 U“ geordert – in Nonsense-Chinesisch. Das Resultat heißt „Shanzhai“ und ist der Opener von „Asiatisch“, dem Debütalbum der im Senegal geborenen, in Kuwait aufgewachsenen und mittlerweile zwischen New York und London pendelnden Künstlerin und Musikerin Fatima Al Qadiri.
Al Qadiri bezeichnete ihre Platte in einem Interview kürzlich als „virtuellen Roadtrip durch ein ‚imaginäres China“. In der Tat spielt das reale China, in dem die Musikerin selbst nie gewesen ist, auf „Asiatisch“ kaum eine Rolle. Vielmehr scheint hier die Theorie des in diesem Jahr verstorbenen Soziologen und Mitbegründers der Cultural Studies, Stuart Hall, nachzuhallen. In Jamaika geboren und in UK lebend, fühlte Hall unter anderem der Konstruktion von nationalen Identitäten auf den Zahn. Diese gesellschaftlichen Zusammenschlüsse könnten de facto kaum auf biologische Gegebenheiten zurückgreifen, weswegen sie, so Hall, den kulturellen Ausschluss des „Anderen“ als Strategie der gemeinsamen Identifikation heranziehen würden.
„Asiatisch“ ist nun – glücklicherweise – weniger die große Stadtrundfahrt durch Hong Kong im Auftrag des Goethe Instituts, als vielmehr eine Führung durch die eigenen vier Wände des Bewusstseins, in dem Vorstellungen des Fremden musealisiert und mystifiziert werden. China hat in der westlichen Hemisphäre seit Jahrzehnten vor allem das Bild einer hochtechnologisierte Weltmacht weg, die das Artifizielle in all seinen Mutationen heranzüchtet. Wenn Spielzeug-artige Panflöten nun auf „Asiatisch“ mit synthetischen Steel Drums und primitivem Chinesisch-Kauderwelsch zu einem Opus aus Polyethylen kulminieren, das untermalt wird von düsteren Synth-Flächen und aggressiven Drum-Patterns, die nie viel mehr sind als angedeutete Grooves, und sich ebenso schnell wieder auflösen, wie sie sich angekündigt haben, dann gießt Fatima Al Qadiri ebenjene Angst in akustische Form. Stets aufs Nötigste reduziert, klingt „Asiatisch“ so erschreckend bedrohlich, dass die eigene Furcht vor der „gelben Gefahr“ akustisch erfahrbar wird. Dieses gefühlte Vakuum von einem Album hinterlässt einen nach 30 Minuten allein mit der Sicherheit, dass Fremdwahrnehmung erschreckend befremdlich sein kann. Kaum eine Platte hat dieses Phänomen je so treffend auf den Punkt gebracht.