Plattenkritik: Eiko Ishibashi – Evil Does Not Exist (Drag City)Faszinierendes Kopfkino
13.7.2024 • Sounds – Text: Ji-Hun KimEiko Ishibashi hat erneut einen Film von Ryusuke Hamaguchi vertont. Heraus kommt ein Soundtrack, der zeigt, wie wichtig gute Filmmusik ist, und wie innovativ sie sein kann – auch ohne Film.
„Evil Does Not Exist“ ist der aktuelle Kinofilm des Regisseurs Ryusuke Hamaguchi, der 2021 mit „Drive My Car“ einen internationalen Erfolg feierte, in Cannes und Venedig Preise gewann und sogar für den Oscar nominiert wurde. Wie auch bei „Drive My Car“ ist bei „Evil Does Not Exist“ die japanische Komponistin und Musikerin Eiko Ishibashi für den Soundtrack verantwortlich. Und die Zusammenarbeit, das Spiel der Disziplinen wurde hier noch weiter intensiviert. Gemischt und gemastert wurde das Album von Jim O’Rourke, der nicht nur eine lebende Indie-Legende ist, sondern seit vielen Jahren auch mit Eiko Ishibashi zusammen in Japan lebt und arbeitet. O’Rourke zeigt sich auch für die Gitarrenspuren bei dem Filmsoundtrack verantwortlich.
Ishibashi und Ryusuke arbeiteten für diesen Film enger zusammen als noch bei dem ersten gemeinsamen Projekt. Die Bilder erzeugen Klänge und die Sounds erzeugen Bilder. Zumal die Musik auch ganz wunderbar ohne Film funktioniert. Ishibashi entwickelt eine Klangsprache, die man so im internationalen Film selten hört. Zwar gibt es auch hier Streicher und Leitmotive, hat aber mit dem Blockbuster-Kino und den dort mittlerweile verwendeten Soundwelten wenig zu tun hat. Alles klingt organisch, pulsierend, melodisch. Die Elektronik und Noise-Momente sind sorgsam platziert und klingen wie von einem anderen Stern. „Evil Does Not Exist“ war ursprünglich als Kurzfilm gedacht, wurde aber während der Entstehung immer größer und länger.
Es ist auch als eine Reminiszenz an Jean-Luc Godard gedacht, dem ikonischen französischen Filmemacher, der vor kurzem verstorben ist. In dem Film selber geht es um ein kleines japanisches Dorf, das mit den Umweltschäden eines neuen Immobiliengroßprojekts konfrontiert wird. Es soll ein großes Glamping-Areal entstehen. Diese Elemente zwischen gewachsener Natur und empathieloser Invasion spiegeln sich auch in den analogen und elektronischen Sounds wider. Der Headroom wird in der Produktion wundersam, elfengleich umgarnt, um dann von kaltscharfen Drones verzerrt zu werden. Die Musik untermalt keine Bilder, sie gestaltet die Bildräume plastisch aus.
Eiko Ishibashi beweist mit dieser Arbeit, was für eine vielseitige und großartige Künstlerin sie ist. Wie sie Elemente aus Klassik, experimenteller Elektronik, Jazz, Klanginstallationen und Pop zusammenwebt und eine intime und teils klaustrophobische Atmosphäre schafft. Ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie wichtig eine eigene musikalische Stimme, Stil und Autorschaft im heute durchalgorithmisierten Kino noch immer sind. Im letzten Jahr arbeiteten beide auch an dem Projekt „Gift“, hier wurde Filmmaterial von „Evil Does Not Exist“ so umgestaltet, dass damit eine Live-Performance von Eiko Ishibashi bebildert wurde. Das zeigt die gleichwertige Bedeutung, die in diesem Zusammenspiel Film und Musik haben. Das ist ein inspirierender und im Ergebnis sehr schöner Ansatz.