Plattenkritik: Edizioni MONDO - CollezioneBalearischer Bildungsauftrag
31.7.2015 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannEs gab eine Zeit, in den 1990er-Jahren, da war Retro noch wirklich retro. Kategorisch altmodisch. Damals durchstöberten Labels die Kataloge der so genannten Library Music, also Gebrauchsmusik, Auftragswerke, die dank eines einfachen Lizenzmodells ohne große Kosten für Dokumentarfilme und andere Fernsehproduktionen verwendet werden konnten. Vor allem die britische Library Music gilt als legendär, wurde oft kompiliert und wieder veröffentlicht. Aber auch in Italien wurde diese Art von Musik gepflegt und produziert. Und ist die Inspirationsquelle für „Collezione“.
Der Name des Projekts – „Edizioni MONDO“ – kommt nicht von ungefähr: Die Mondo Movies waren ab den 1960er-Jahren ein italienischer Export-Schlager. Dokumentationen über dies und das – die Welt eben, von krass bis sweet. Irgendwie musste man den Menschen den Planeten Erde mit seinen Bewohnern und Eigenheiten ja erklären. Und das ist auch das Konzept von „Edizioni MONDO“, dem Label von Francesco De Bellis. Deskriptive Musik, verortet in konkreten Themen. Die 12"s werden nun auf CD zusammengefasst. Themen: Wald, Düne, Lagune und der Abgrund.
De Bellis selbst und befreundete Musiker – wie echt oder Fake das alles ist sei dahingestellt, ist aber auch vollkommen irrelevant – klingen dabei genau so, wie man sich Library Music immer vorgestellt hat, wenn sie nur im Auftrag für Diskotheken gemacht worden wäre. Verspulter Wildstyle. Irgendwie ein bisschen staubig, mit Hang zum ausufernden Dusel, mit viel Glitzer, scharfen Preset-Bässen und zur rockistischen Effekthascherei, die natürlich in der untersten LoFi-Schublade genau konträr klingt und nicht nur deshalb trotz der Gitarren-Distortion extrem sympathisch klingt. Welche Klippe, welcher Wald und welche Dünen hier zwischen Italo-Disco, schlaghosiger Breitseite und Strandbar-Afterhour angespielt werden? Könnte nicht egaler sein. Es gab eine zeit, da war Ibiza noch eine Insel und kein Hotel. Diese Musik klingt genau so.
Und ist immer dann besonders gut, wenn es tatsächlich balearisch-kosmisch aus der Zeit fällt. Einfach immer weiter tuckert und glitzert, jenseits von strukturellen Verpflichtungen. Je konkreter die Stücke ausgearbeitet sind, je moderner sie klingen wollen, desto komplizierter wird es. Dann muss man oft abbrechen und es mit dem nächsten Stück versuchen. Das macht aber gar nichts. Denn egal wie groß die Gesten auf dieser Compilation sein sollen und wollen: Es bleibt eine sehr flüchtige Angelegenheit. Zum Glück. Wer weiß schon, ob die Dünen nicht morgen schon weggeweht sind?
Edizioni MONDO, Collezione, erscheint am 7. August