Wenn Zwillinge Musik machen, entstehen oft ganz besondere Energien. Aaron und Bryce Dessner von The National, Maurice und Robin Gibb von den Bee Gees, Kelley und Kim Deal von The Breeders, einige würden auch Bill und Tom Kaulitz oder Luke und Matt Goss von Bros nennen, aber belassen wir das dabei. Die Geschwister Paul und Rachael Swinton aus Glasgow sind Cloth und haben nach ihrem Debüt „Cloth“ von 2019 nun ihr zweites Album „Secret Measure“ veröffentlicht. Es erscheint auf dem Label Rock Action Records, das von der Band Mogwai betrieben wird, die bekanntlich ebenfalls aus Glasgow stammt. Mit an Bord ist auch der Produzent Ali Chant, der bereits mit Gravenhurst und Katy J Pearson zusammengearbeitet hat. Aufgenommen wurde in den Toybox Studios in Bristol. „Secret Measure“ ist ein präsentes und eindringliches Album, das seine Energie durch das Dezente entwickelt. Keine E-Gitarren, die ausbrechen. Drums, die gedämpft aufgenommen wurden und Arrangements, die durchweg minimalistisch sind, dafür in den richtigen Momenten aufmachen und strahlen dürfen. Es ist das Unverklärte und Unvermittelte, das mich an diesem Album so begeistert. Die offenen inneren Räume, die die wunderschönen Songs aufsteigen lassen, das leicht Verschrobene, diese klugen Synkopen in den Spuren noch viel mehr. „Secret Measure“ lässt mich an Zeiten erinnern, als Glasgow musikalisch mal der Mittelpunkt der Welt war. Es könnte Showgaze sein, ist dafür aber zu eindeutig und klar. Auch ist es nicht so verwässert wie Dream Pop und außerdem zu fein und poppig für Post-Rock. Es ist ein eigener Sound, der hier mit der Zeit entwickelt wurde. Die Songs sind sanft, einfühlsam und liebenswert. Für mich eine der glücklichen Überraschungen und Highlights, die das Musikjahr 2023 bislang aufs Tapet gebracht hat und mich bestimmt noch einige Zeit begleiten wird. Das dürfte der Mainstream zwar anders sehen. Aber Cloth haben all das, was überhypte Bands wie The xx nie mitgebracht haben.