Plattenkritik: Aroy Dee - SketchesDie sanfte Landung der Concorde
26.6.2014 • Sounds – Text: Thaddeus HerrmannEs gibt Alben, die wollen nichts und schaffen doch alles.
Da fliegt sie hin, die kleine Concorde. Aufsteigend. Auf dem Weg. Aroy Dee mag die Utopien, kann sich nicht mit der Realität anfreunden, sie schon gar nicht akzeptieren. Im Paralleluniversum Techno dar es keine Rückschläge geben. Keinen Seitenwind, der Dinge ins Trudeln bringt. Schnurstracks geradeaus ist der Weg vorgezeichnet.
Aroy Dee ist Holländer. Die hatten immer ein besonderes Verhältnis zu Techno und House. Wie das Land, so die Musik. An der Küste, mit klarem Blick in Richtung Motherland, aber auch auf den Inkubator Großbritannien. Sein eigenes Label M>O>S ist seit Jahren kuratierte Verweigerung. Rohe Tracks, kantige Tools für die Menschen hinter den Plattenspielern. Umso überraschender der Sound seines Debütalbums, das nun, nach langer Zeit des gestempelten 12“-Business, wie das Totem aus Monument Valley plötzlich auftaucht und spielen will. Helfen will. Bei der Korrektur von Missverständnissen, beim mit architektonischer Präzision ausgeführten Geradeziehen vermeintlich irreparabler Fehler der Musikgeschichte.
Es ist das nicht mehr ganz taufrische Konzept des Futurismus, das hier von Aroy Dee in zehn wundervoll offenen und luftigen Tracks ebenso wundervoll eingekapselt wird. Versandfertig gemacht wird. Um in der Concorde weit weg zu fliegen und dort nach sicherer Landung eingepflanzt zu werden und zu gedeihen. Der Fokus und die bewusste Ausklammerung jeglicher zeitgenössischen Einflüsse ist bemerkenswert. „Sketches“ hätte auch 1998 erscheinen können. Das ist heute, in komplizierten und hektischen Zeiten, das größte Kompliment, das man einer Platte machen kann. Denn was vor 20 Jahren hätte passieren können, also schon ordentlich Erfahrung auf dem Buckel hat, wird auch in der Zukunft noch strahlen. Da ist es kein Wunder, dass das Überschallflugzeug das Cover ziert. Naiv gezeichnet, schnell hingeworfen, wie eine vergilbte Postkarte, die man früher aus anderen Ländern bekam, in denen die Welt schon wieder einen Schritt weiter war. So etwas gibt es heute nicht mehr. Updates werden weltweit gleichzeitig eingespielt.
„Sketches“ ist eine große Platte für eine immer kleiner werdende Welt.