Picnic, Little Simz, Nils WogramWochenend-Walkman – 15. Oktober 2021

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: picnic, Little Simz und Nils Wogram.

WWalkman-15102021-Picnic Artwork

picnic – bonus

Christian: In Sachen electronic listening ist das Debüt von picnic vermutlich so etwas wie das Konsensalbum des Jahres. Ihre Mischung aus undurchsichtigen Klangflächen und eingeschliffenen Geräuschen erinnert an die Produktionen von Jan Jelinek oder Andrew Pekler, docken aber vor allem bei einem Sound an, wie ihn Labels wie West Mineral, experience ltd. oder sferic zuletzt prägten. Nach außen scheint es, als hätte sich eine dezentral agierende Szene gebildet, die der eigentlich schon gut angestaubten Dreifaltigkeit aus Minimalismus, Dub und Ambient eine neue Aktualität einzuhauchen vermochte. Ständig wechselnde Projektnamen und die graduelle Anonymität der Akteur:innen machen die Sache auch nicht gerade langweiliger. Auch die Mitglieder des Duos picnic möchten lediglich j und mdo genannt werden, gehen sie das Musikmachen aber deutlich offenherziger an: Schon das Album bestand aus Kollaborationen (u.a. mit Theodore Cale Schafer, Pil & Haji K) und enthielt Versions anderer Producer:innen wie etwa Huerco S. Wohl wegen dieses gemeinschaftlichen Ansatzes fühlt „bonus“ gar nicht wie das handelsübliche (und seien wir ehrlich, meist ziemlich überflüssige) Remixalbum an, sondern einfach wie eine unverhoffte Extrarunde. Mit dabei sind Ben Bondy, Ulla (hier unter dem Namen Pepper), Mister Water Wet und Newworldaquarium, die den eigenbrötlerischen Sound von picninc bedacht aufnehmen, gelegentlich aber auch das Fenster mal weit aufreißen.

WWalkman-15102021-Little Simz-Artwork

Little Simz – Sometimes I Might Be Introvert

Thaddi: Ich glaube, das ist der ganz große Wurf. Endlich. Das 2016er-Album der britischen Rapperin habe ich geliebt, danach verlor sich mein Interesse im musikalischen Desinteresse der Künstlerin, bzw. in der Suche nach dem wirklichen Weg. Ende 2021 droppt sie mit „Sometimes I Might Be Introvert“ nun das definitive multiinstrumentale Monster. Abgeklärt, mit all ihren Skills am Mikrofon und doch musikalisch auf einem komplett neuen Level. So gut! Wo früher die offensichtliche Aggression war, funkt hier die gesampelte und eingespielte Freiheit einer Freigeisterin. Smooth, packend, dringlich und voller Groove. Eine fantastische Ansage gegen das Establishment.

Nils Wogram Muse Cover

Nils Wogram – Muse

Ji-Hun: Der Posaunist und Komponist Nils Wogram zählt heute zu den renommiertesten Jazz-Musiker:innen des Landes. Ich pflichte bei, Jazz aus Deutschland hat bei mir und vielen anderen einen schweren Stand. Es swingt anders, es riecht oft staubig akademisiert, institutionalisiert, weiß, kurz, es ist auch irgendwie ganz schön spießig. Nils Wogram, der vor vielen Jahren auch Teil der Jazzkantine war, dreht mit seinem neuen Album „Muse“ den Weitwinkel interessant und spannend auf. Genres wie Neue Musik spielen hier genauso eine Rolle. Die Harfenistin Kathrin Pechlof und der Bratschist Gareth Lubbe sind fester Teil dieses Albums und öffnen den konventionellen Blechbläser-Kanon, den man sonst vom Jazz gewohnt ist. „Muse“ ist ein reduziertes Album, es verschränkt ECM-Jazz mit Kammermusik und schafft eindringliche Atmosphären. Vielleicht werde ich alt, vielleicht ist das auch nicht sonderlich hip, aber „Muse“ hat besondere Qualitäten, die mit der Zeit vielleicht noch bedeutsamer werden, als bei den ersten Hördurchgängen.

El BúhoUnser Mix der Woche

Frequenzfilter 16. Oktober 2021 – andere Medien, andere ThemenFood-Aneignung, Facebook, Hörfunk-Trash