Die Musik von Phillip Sollmann aka Efdemin konnte man noch nie so recht fassen. Zu vielfältig und divers ist der Wahlberliner unterwegs. Vom Club über eine Klanginstallation ins Konzerthaus und zurück: Die Bassdrum reicht dem Berghain-Resident nicht. Passt ja – hat eh zu, der Club. Im Gespräch mit Jakob Thoene für den im Telekom Electronic Beats Podcast blickt der Produzent, DJ, Komponist und angehende Orgelbauer auf sein bisheriges Schaffen zurück.
„Das Saiten-Instrument ist zurück in meinem Leben“, sagt Phillip Sollmann. Wer sich mit Efdemin auskennt, den wird dieses Statement nicht überraschen. Sein musikalisches Universum ist größer der 4/4-Takt. War es immer. Und dass die weltweite Club- und Festivalszene mal zu seinem für viele Jahre wichtigsten und prägendsten Standbein würde, damit war ohnehin nicht wirklich zu rechnen. Man würde es vielleicht auch gar nicht glauben, wenn man sein aktuelles Album „Monophonie“ hört. Über die Hintergründe dieses Projekts stand er erst kürzlich diesem Magazin Rede und Antwort, und natürlich thematisiert es auch die neue Podcast-Folge. Aber: Mit Efdemin kann man über viele Dinge sprechen und herrlich zwischen Themen switchen. Und genau das macht dieses Interview aus. Es ist ja mittlerweile auch alles schon sehr lange her – zurückspulen zum Anfang.
Cello, Gitarre, Hamburg. Mitte der 1990er-Jahre wechselt Sollmann nach dem Abi die Stadt und zieht von Kassel an die Alster – und landete dort, wo man eben landet, wenn man mit ein bisschen Dirt und reichlich Inspiration ausgehen will. Im Pudel und in der Roten Flora. „Die Flora hat mich sehr geprägt. Da gab es keine Bühne mehr, nur einen dunklen Raum und eine gute Anlage. Dort entwickelte ich Schritt für Schritt mein Verständnis für und Interesse am Techno. Dass Dinge Zeit brauchen. Musik Zeit braucht. Der Star-Kult, der sich jetzt entwickelt hat, läuft meiner Idealform von Techno sehr zuwider. Es geht doch nicht um einen kurzen Showcase, sondern vielmehr um Dauer und Repetition – nur so entwickelt sich etwas. Es ist das Monotone, das einen verändert. Damit hat der Festival-Zirkus von heute nichts mehr zu tun.“
Damals war Musik noch harte Arbeit. Wenn man neue Platten wollte – ganz egal ob Techno oder Indie – musste man sich anstrengen. „Im Plattenladen um die Ecke wurden Listen geführt. Hast du die? Noch nicht. Ist bestellt? Ja. Kann ich eine haben? Weiß ich noch nicht, vielleicht erst die Nachpressung, komm nochmal rum nächste Woche. Die Platten, die ich so ergattert habe, hatten einen immensen Impact auf mich. So entstand eine ganz besondere Wertschätzung.“ Für Sollmann war der Techno damals noch nicht das, was er im Laden kaufte. Hamburger Schule? Ja, aber nein. „Ein wirklich großer Einfluss von mir ist Stereolab. Oder auch Sonic Youth. Für mich ist das transzendentale Rockmusik, die sich auf den Minimalismus der 1960er-Jahre beruft. Das hat mich geprägt. Und war wichtiger als Tocotronic, auch wenn das gute Freunde von mir sind. Ich bin lieber an den Rändern unterwegs, Hooks bedeuten mir nichts. Es geht mir nicht um die schnelle Befriedigung, sondern eher um Tiefe. Ganz egal, ob Rock, Jazz oder Techno. Deshalb braucht man auch Zeit, wenn man sich mit meiner Musik auseinandersetzt. Sonst bringt das gar nichts. Das ist auch der Grund, warum ich mich auf Spotify so verloren fühle.“
Gegen die Perfektion
Zwar sind die Algorithmen von Spotify und Co. genau das – perfekt. Ein Ausbrechen aus der täglichen Routine wird so aber für Sollmann unmöglich. „Es ist einfach zu perfekt. In der Konsequenz muss ich fast schon brechen, es widert mich an. Ich brauche Brüche in der Musik.“ „Monophonie“, Sollmanns neues Album ist das beste Beispiel dafür – nicht nur musikalisch. Denn obwohl es auf A-Ton, dem Sublabel des Berghain-Labels Ostgut Ton veröffentlicht wurde, ist es klanglich so weit vom Kosmos des Alltagsgeschäfts des Berliner Clubs entfernt, dass der Algorithmus gegen seine eigene Wand laufen würde.
Anfang der Nuller-Jahre wechselt Sollmann zum Studium nach Wien. Ausgegangen sei er während dieser Zeit eigentlich so gut wie nie, sagt er – Techno war dann aber ein gutes Kontrastprogramm. 2006 legte er zum ersten Mal in der Panorama Bar auf – reiner Zufall. Ein Mixtape wurde weitergereicht, dann der Anruf: Kannst du morgen spielen? „Das Auflegen im Pudel habe ich immer eher als Spaß gesehen, Panorama Bar war dann schon eine andere Nummer. Ich empfinde mein DJ-Sein auch immer noch ein bisschen wie Hochstapelei. Auch wenn es mir großen Spaß macht, wenn ich dran bin. Ich frage mich dann immer: War das eigentlich der Plan? Ich merke das jetzt in der Corona-Zeit mehr denn je. Denn ich habe mir diese Pause nie zugestanden. Techno ist Business. Und benötigt Zeit und Bewegung des Körpers um den Erdball. Wenn einem nicht ganz klar ist, wie sehr man sich darauf einlassen will, ist das nicht gut für einen. Es dauert eine Zeit, bis man weiß, wie man damit umgehen kann. Das hat auch viel mit Alter zu tun. Und ich bin ja Spätzünder. Meinen ersten Gig im Berghain habe ich mit 30 gespielt. Und eigentlich lege ich ja nur auf, damit ich ein, zwei Mal pro Jahr nach Japan kann.“
Dass dieses Geschäft aktuell pausiert, ist für Sollmann kein Problem. Im Gegenteil, auch wenn er sich schon jetzt darauf freut, wenn es wieder losgeht – wann auch immer das sein wird. „Ich kehre jetzt zu meinen Ursprüngen zurück. Bevor Techno von mir Besitz ergriffen hatte. Für mich ist das kein Bruch.“ Die Zweiteilung seines künstlerischen Schaffens zwischen Dancefloor und anderen Projekten funktioniert mittlerweile: „Monophonie hat über ein Jahr in Anspruch genommen. Wenn ich auflege, kann ich nichts anderes machen. Wenn ich nicht auflege, kann ich sehr gut reflektieren und andere Dinge hinkriegen.“
Da nimmt er auch gerne in Kauf, dass nach „Monophonie“-Aufführungen Raver-Freunde zu ihm kommen und sagen: „War cool, aber man hat ja gar nichts gehört!“