PensumTexte zum Dancefloor, Juli 2014

Pensum-Juli2014

Einmal im Monat ackert sich unser Schweizer Korrespondent Bjørn Schaeffner durch Berge von Clubmusik auf der Suche nach glitzernden Kleinoden. Diesen Monat: Lowtec, Shed, Kalabrese und Todd Osborn. Oder: Techno so tief wie Fjord mit Schneewittchen.

##Lowtec: Workshop 20

Workshop20

Kassem Mosse, everyone? Lowtec ist für mich immer noch der herausragende Produzent auf dem Leipziger Label Workshop. Auf seiner neuen Platte hext er auf ein Neues: auf dem B1-Track, aber auch auf A1, mit seinen zitternden, schwebenden Synths, und dazu die fröstelnden „Movin/We can“-Samples. Das alles klingt so, als wäre es ein Wintermärchen. Schneewitchen im Glassarg, Prinz im Anritt. Und auf einmal, schiebt sich ein Track im Track rein. Ja, die Welt ist gut.

##Dario Zenker / Ottodox / Head High

Ein gewisser Ottodox serviert uns auf dem Label „Semper Idem“ auf gleich zwei Platten ordentlich orthodoxen Techno. „Through The Storm“ ist loderndes Berghain-Inferno: metallisches Hämmern, grubbelige 303, the works. Versteckkünstler Shed taucht wieder einmal aus dem Nichts auf und präsentiert auf seinem Head-High-Minialbum vier Mixe des namensgebenden Tracks „Megatrap“. Das blinkende Headlight, Lizenz zum Hüpfen: Der 4F-Mix. Düsterer ist da Dario Zenker auf Will Bankheads Label „Trilogy Tapes“. Auf „Mörsin“ sichelt und poltert er sich durch die Nacht. Gnadenlos.

##Kalabrese: Independent Dancer Remixe – Rumpelmusig 004

Rumpelmusik004

Zürichs Partyszene kann man sich ohne ihn nicht vorstellen: Kalabrese. Der helvetische House-Poet vom Zürcher Kreis 4, der so lässig und sentimental das Dancefloor-Drumherum seines Lebens dirigiert. Den Blues und den Funk. All die schönen Tänzer und tragischen Helden, die Sacha Winkler seit Jahren in Groove gießt. Nervtötende Gestalten wie den „Desperate Man“: ein Vibe-Killer, einer, der rumbaggernd die Tanzfläche leert. Matthew Herbert hüllt Kalabreses Stimme in seinem Remix in eine heisere Strangeness. Darob zieht der „Desperate Man“ Leine, verdünnisiert er sich in einer frenetischen Schlaufe. Was bleibt, ist Erhabenheit.

##Øyvind Morken

Dieser Norweger ist Resident im Club Jaeger in Oslo. Nach den Worten von Cosmic-Chef Prins Thomas ist er sogar der beste Plattenleger, den die norwegische Hauptstadt zu bieten hat. Morken spinnt seine Sets aus abgedrehten 80er-Synths, Techno, House, Disco, Dub und Afro zusammen. Als Produzent debütierte er erst kürzlich, und bestach bisher mit jedem Release. Pingpong-Wonk, Techno so tief wie ein Fjord, das ist Morkens Geschäft. „Fjerde Av den Første Bølgen“ klingt mit seinem fiesen Chord-Thema fast so, als hätte sie ein miesepetriger Glenn Underground eingespielt. Gefährliche Platte.

##Todd Osborn: T-Rhythm Trax Volume 1

Running Back, das Label von Gerd Janson, ist eben auch das Label eines passionierten DJ. Darum finden sich quer über den Katalog verteilt immer wieder Tools: Bonus Beats, Sirenen, Drums oder Acapellas, und natürlich nicht zu vergessen die phänomenale japanische Effektplatte Strada Records, die Janson 2009 neu herausgegeben hat. Nach der "Bonus Beatz Vol.1" von Redshape gibt's jetzt die "T-Rhythm Trax Volume 1" von Todd Osborn. Der Mann aus Ypsilanti hat auf einer Sakata DPM 48 fünf Beat-Tracks aufgenommen, darunter sogar ein Beatappella. Hardcore Loopism.

Osborn A
Osborn B

Schuld war das Lustige Taschenbuch „Mickey, der rasende Reporter“: Bjørn Schaeffner, 43, landete 1991 im Journalismus und als nicht ganz so rasender Redaktor beim Schweizer Radio. 1994 debütierte er mit einer Polemik für diese Underground-Sache. Den Pariser House-Exzentriker Pépé Bradock beackerte Schaeffner ein gefühltes Jahrzehnt lang, bis dieser einen Podcast für seine Mixreihe ROOF.FM abmischte. Er arbeitet u.a. für FACT, Neue Zürcher Zeitung, Red Bull Music Academy, Resident Advisor, SRF2 und Tages-Anzeiger. Im Auftrag von Das Filter schreibt Bjørn Schaeffner die monatliche Clubkolumne „Pensum“. Die tolle Covercollage gestaltete Johannes Dietschi. „Popdesign“ entstand an der Zürcher Hochschule der Künste, 2014.

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