Mitgehört: Musik aus dem Filter-SchwarmHeute: Haru Specks, Vinylprediger
28.1.2019 • Sounds – Protokoll: Martin Raabenstein, Illustration: Isabell SimonIn seiner Kolumne „Mitgehört“ befragt Martin Raabenstein ganz unterschiedliche Menschen, was sie musikalisch umtreibt. Von prägenden Momenten bis zu aktuellen Highlights: Die Jukebox des Filter-Schwarms wird mit jeder Folge bunter. Dieses Mal: Haru Specks. Mit seinen musikalischen Themenabenden ist er die weltweit erste Playlist aus Fleisch und Blut.
Das Filter berichtete schon im April 2014 über die „Vinylpredigten“ von Haru Specks aka Diethelm Kröhl. Unterwegs ist er mit der Idee nach wie vor. Das nächste Mal bereits diese Woche: am 30. Januar im Sixpack in Köln. Specks selbst beschreibt diese Abende als „keinen DJ-Act, nichts zum Tanzen, kein Hintergrundgeräusch sondern eine Auseinandersetzung mit unseren Leben und das der Leben unzähliger Musiker und deren Kunst. Die Vinylpredigt ist kein Frontalunterricht, sondern ein Experiment. Das Thema, die Songs, der Raum, die Gäste ergeben jedes Mal eine einzigartige Anordnung. Zwischenrufe sind erlaubt, Dialog ist wichtig. Denn der Vinylprediger ist ein Individuum, ein Subjekt, kein allwissender Halbgott, kein unangreifbarer diplomierter Checker. Er ist angreifbar und auch widerlegbar.“
Lieber Haru, magst du dich zunächst kurz vorstellen?
Ich wurde Anfang der 1960er-Jahre im süddeutschen Raum geboren. Die Eltern mehr oder weniger einfache Arbeiter. Ich schummelte mich durch das Leben, um eine vermeintliche Karriere im Medienbereich zu führen. Vor einigen Jahren hatte ich dann genug davon und versuche seitdem ein Leben zu führen, welches mir behagt. In der Kurzfassung suche ich nach Wahrheit, Schönheit und Güte.
Woran arbeitest du aktuell?
Momentan suche ich für zwei Tage pro Woche einen Job als Kellner, um die Krankenversicherung zu halten. Vor fünf Jahren versuchte ich es lange ohne Krankenversicherung, was ein teurer Spaß mit den Rückzahlungen wurde. Ansonsten beschäftigt mich der Themenkomplex „Erinnerung, Konstruktion, Identität“: Yukio Mishimas „Bekenntnisse einer Maske“ ist hier sehr inspirierend. Außerdem Lukas Bärfuss, die Kosmologie und ob der Teilnahme an einem Festival auch das Thema „Digital Gods“ – die Entwicklung des Internets und was daraus wurde.
Was hörst du zur Zeit gerne?
Auf meinem Plattenteller liegen momentan meist „Isola“ von Pilooski, das neue Album von Jungle und „Snakedrill“ von Wire.
Sprechen wir über Pilooski. Was reizt dich an dieser Platte?
„Isola“ ist eine 4-Track-EP mit vier verschiedenen Sprechern in vier verschiedenen Sprachen. Es erinnert mich an die Jazz-Lyrik-Experimente der 1960er-Jahre. Ich bin von der Wirkungskraft der menschlichen Stimme begeistert. Es gibt kein schöneres Instrument.
Verbringst du generell viel Zeit mit Musik?
Nicht mehr so viel wie vor 20 Jahren. Zwischenzeitlich jage ich Musik auch nicht mehr so intensiv, sondern lasse mich eher von der Musik finden.
Wie hörst du denn am liebsten Musik? Hast du eine bevorzugte Abhöre?
Ja, die habe ich, und es ist alles schon sehr alt. Ich stelle sie dir vor. Die Power-Taste des Dual-CR-60-Verstärkers ist hinüber und rastet nicht mehr ein. Ich mag es, die Taste mit einem Schlüssel zu blockieren – ich muss den Verstärker erst aufschließen. Der Tonarm des Plattenspielers Kenwoods KP 2022 A ist so wunderbar schlicht, und ich stehe auf Holz. Meine Canton Karat 20 sind superkompakte Boxen. Zu Anfang der Vinylpredigten schleppte ich sie mit dem Fahrrad durch die Gegend. Ich weiß nicht, wie oft mir die Dinger runterfielen und die Straße entlang purzelten. Unverwüstlich, treu und angenehm vom Sound.
Deine älteste tonale Erinnerung?
Petula Clarks „Downtown“. Es ist eine süße, schmerzliche Erinnerung meiner Kindheit. Ich mochte die Sehnsucht in ihrer Stimme und das Verheißungsvolle gegen Ende, wenn sie endlich im Paradies der Großstadt ankommt, um andere Menschen zu treffen und nicht mehr einsam ist.
Und dein All-time-favourite? Track oder Album?
Pop Group „Y“. Ein Album, das alles von mir abverlangte, um es zu erobern. Ich hörte es mit 16 oder 17 Jahren immer und immer wieder, hängte das große Poster über mein Bett und träumte nachts schlecht. Es machte mir Angst in seiner Schönheit, Brutalität und Enigmatik.