Mitgehört: Musik aus dem Filter-SchwarmHeute: Dag Rosenqvist, Musiker
25.2.2019 • Sounds – Protokoll: Martin Raabenstein, Illustration: Isabell SimonIn seiner Kolumne „Mitgehört“ befragt Martin Raabenstein ganz unterschiedliche Menschen, was sie musikalisch umtreibt. Von prägenden Momenten bis zu aktuellen Highlights: Die Jukebox des Filter-Schwarms wird mit jeder Folge bunter. Dieses Mal: Dag Rosenqvist. Wer sich schon länger mit elektronischer Musik auseinandersetzt, kennt den Schweden vielleicht noch als Jasper TX. Über 30 Veröffentlichungen gehen mittlerweile auf sein Konto – auf Labeln wie Karaoke Kalk, Miasmah, Denovali oder auch n5MD. Auch in den Soundtracks immer größerer Filme wird seine Musik mittlerweile oft verwendet. Bei Rosenqvist heißt es: Musik, 24/7.
Lieber Dag, magst du dich zunächst kurz vorstellen?
Ich veröffentliche seit 2005 Musik. Solo und zusammen mit anderen Musikern. Zum Beispiel mit Aaron Martin als From the Mouth of the Sun. 2016 wurden drei Stücke unseres gemeinsames Albums „Woven Tide“ in Jeff Nichols’ Film „Midnight Special“ untergebracht. Auch am Soundtrack von „Menashe“ haben wir gemeinsam gearbeitet. Ich schreibe auch immer wieder mal die Musik für Tanztheater, vor allem für schwedische Kompanien. Auch ein Ballett im London Royal Opera House durfte ich bereits vertonen.
Schön, dass du uns in deinen musikalischen Alltag schauen lässt. Bevor es damit losgeht: Woran arbeitest du gerade?
An drei tatsächlich sehr unterschiedlichen Solo-Platten. Das eine folgt der Richtung meines 2016er-Albums „Elephant“, das zweite ist eher Synthesizer-basiert. Ich habe da großen Spaß dran, es ist aber auch eine echte Herausforderung für mich. Gerade hat der wie ich finde phänomenale Schlagzeuger Pontus Torstensson – vielleicht kennt ihr ja sein Solo-Projekt Tentakel – für einen Track die Aufnahmen gemacht. Es fühlt sich richtig super an Dinge auszuprobieren, die man so noch nie gemacht hat. Die dritte Platte ist eher Song-basiert. Ich habe einige Sänger eingeladen, mit mir daran zu arbeiten. Möglicherweise wird dies so weit meine zugänglichste Arbeit sein. Die Gesangsspuren, die ich bisher erhalten habe, sind wirklich fantastisch. Mich bestätigt das – man weiß ja nie, was die Künstler aus einer Grundidee machen.
Praktisch nebenher mache ich noch das Sound Design für die nächste Tanz-Performance der Göteborger Kompanie Danskompaniet Spinn.
Bleibt bei so vielen Projekten überhaupt Zeit, „privat“ Musik zu hören? Was dreht sich nach Feierabend bei dir?
Eigentlich alles von Jason Molina. Ich bewundere ihn schon sehr lange, und mit der Zeit wächst meine Begeisterung nach wie vor. Ich finde es faszinierend, wie er diese seine ganz eigenen Vorstellungen zusammenbaut, und mit immer wiederkehrenden Bildern und Motiven umgeht. Seine Alben wirken gleichzeitig sehr präzise geplant und klingen dennoch sehr entspannt und spontan. Gewisse Akkorde und Strukturen tauchen immer wieder auf, ganz so als wäre er noch nicht richtig fertig damit und das ganze nochmal von einem anderen Blickwinkel angehen. Und seine Stimme natürlich, die dich bis ins Mark erschüttert – da schwingt so viel Verletzung, Liebe, Dunkelheit und Leben mit. Was für ein brillanter Musiker. Es ist so unglaublich schade, dass er so jung verstorben ist. „Didn’t It Rain“ ist mein Lieblingsalbum.
Mir scheint, du verbringst extrem viel Zeit mit Musik.
Ja, sehr viel. Ich lege eigentlich immer sofort eine Platte auf – ob ich nun morgens aufstehe oder gerade nach Hause komme. Ich mag es von Musik umgeben zu sein, selbst wenn es nur ein Sound-Teppich ist. Da hat sich etwas verändert bei mir – früher mochte ich Hintergrundmusik nämlich gar nicht. Einzig wenn ich lese oder spazieren gehe habe ich gerne meine Ruhe. Dann möchte ich meine natürliche Umgebung wahrnehmen.
Wo hörst du am liebsten Musik und warum?
Perfekt ist es, auf dem Sofa bei voller Konzentration ein Album zu hören. Meine liebste Beschäftigung ist es auf dem Sofa zu sitzen und einem guten Album die volle Aufmerksamkeit zu schenken, manchmal auch bei einem Bier, umgeben von all meinen Büchern, Platten und Pflanzen. Das ist hart zu toppen.
Was ist deine älteste tonale Erinnerung?
Da bin ich mir nicht so sicher. Aber ich kann mich an den Moment erinnern, in dem ich wusste, dass ich Kontrabass lernen will. Eines Tages war die lokale Musikschule bei uns in der Schule zu Gast, und wir Kinder konnten ganz unterschiedliche Instrumente ausprobieren. Als ich dieses massive Instrument in den Händen hielt und die tiefen Vibrationen durch mich hindurchgingen, war ich angefixt. Ich mag diese Bass-Frequenzen heute immer noch.
Und dein All-time-favourite? Track oder Album?
Schwierige Frage. Wenn ich mich aber wirklich entscheiden müsste, wäre das „Through Silver In Blood“ von Neurosis, auch wenn die späteren Alben besser klingen – Steve Albini weiß einfach, was er tut. Mit diesem Release aber hat mich die Gruppe richtig gepackt. Ich hatte zwar „Enemy Of The Sun“ und „Souls At Sero“ schon vorher gehört, bei „Locust Star“, „Aeon“ und natürlich dem Titeltrack wusste ich, das ist etwas völlig anderes. Bei dieser Platte habe ich auch gelernt, wie ein Album funktionieren sollte – zielgerichtet, mit klarer Dramaturgie und viel Dynamik, Schönheit und Licht, gepaart mit undurchdringlicher Dunkelheit – alles verpackt zu einer phänomenalen Einheit. Ich wusste vorher nicht, dass der Blick in den Abgrund so lebensbejahend sein könnte.