Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Lambchop, Alice Hasters und Mort Garson.
Lambchop – Trip
Thaddi: Die letzten Lambchop-Alben waren nicht nur vom gewohnt-brillanten Songwriting bestimmt, sondern auch von Kurt Wagners Liebe zur Elektronik und dem Autotune-Effekt. Das führte durchaus zu Verwerfungen unter den Fans der Band. Ein künstlerischer Twist, den viele als überbordend empfanden. Fast schon manisch. Für Wagner ist das ein Missverständnis. Die, die sich damit nie nicht anfreunden konnten oder wollten, wird das musikalische Erscheinungsbild von „Trip“ freuen – auf der neuen LP geht es „zurück zu den Wurzeln“ ... was immer das auch heißen mag. Statt den künstlerischen Lead zu übernehmen, bat Wagner alle Band-Mitglieder, sich einen Song auszusuchen, den es dann zu covern galt. Auch die Produktion wurde von den jeweiligen Band-Mitgliedern übernommen. So hangeln wir uns von Wilko zu Stevie Wonder, über Brian Holland bis zu James McNew. Das ist unfassbar berührend und natürlich – mal wieder – Augen öffnend. Und vielleicht hat Wagner mit seiner Wahl von James McNews „Weather Blues“ wieder mal die Essenz von Lambchop auf den Punkt gebracht. Nie waren 3 Minuten und 30 Sekunden intimer, deeper und – ja! – besser als in diesem Take. Ein Album wie gemacht für Zeiten, in denen es dem Herz und der Seele nicht besonders gut geht. Ein Stück Hoffnung, gegossen in sechs Interpretationen von Songs, die nie Zeitgeist waren – und genau deshalb umso besser in unsere Zeit passen.
Alice Hasters – Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten
Benedikt: Es gibt wohl kein Buch, das mich in diesem Jahr mehr bzw. stärker bewegt hat als die Lektüre von Alice Hasters. Es fällt schwer, überhaupt über dieses Buch zu sprechen, weil es so viele Augen öffnet, so viel schmerzhafte (Selbst-)Erkenntnisse bereithält. Nun wurde das Werk in die Schriftenreihe der Bundeszentrale für Politische Bildung aufgenommen (Bd. 10579). In dem Zuge habe ich erfahren, dass die Lektüre auch als Hörbuch über die üblichen Streaming-Anbieter verfügbar ist. Deshalb wird es nun nach der Lektüre noch einmal gehört. Und es gibt eine uneingeschränkte Empfehlung. Eine Kritik aus der Perspektive eines Cis-White-Man erscheint mir hier unangebracht. Also lasse ich den Klappentext sprechen: „Verständlich erklärt Alice Hasters, warum Fragen nach ihrer Herkunft oder ihren Haaren eben nicht nett, sondern rassistisch sind. Sie schlägt einen Bogen von ihren persönlichen Erfahrungen als Schwarze Frau in Deutschland zum institutionalisierten und strukturellen Rassismus und erklärt Begriffe wie White Washing, Othering und Modern White Saviorism. Ihr Appell: Wir müssen verstehen, wann und wie wir rassistisch sind und diese Verhaltensweisen und Einstellungen benennen – auch bei anderen. Nur so können wir langfristig etwas ändern."
Pflichtlektüre bzw. in diesem Fall: Pflichthörstück für jede:n Weiße:n.
Mort Garson – Music From Patch Cord Productions
Ji-Hun: Der 2008 verstorbene kanadische Komponist und Synthesizer-Pionier Mort Garson war mit der Wiederauflage von „Plantasia“ eines der Entdeckungen für mich des letzten Jahres. Das sahen offensichtlich viele so und seitdem diggt das Label Sacred Bones nach verlorenen Spuren, Stücken, Perlen in allerlei Archviven und hat nun die Compilation „Music From Patch Cord Productions“ herausgebracht. Neben alternativen Takes von Stücken aus Plantasia gibt es diverse Kompositionen für Werbung, Science-Fiction-Filme und auch frivole Unterhaltung. Gerade die Arbeiten für Werbung sind trotz ihrer Kürze interessant zu hören. Ist das nicht streng genommen schon Techno der 60er und 70er? Muss die Popgeschichte vielleicht umgeschrieben werden?