Keine Zeit für „wack shit“Auf Kaffee und Kekse mit Glenn Astro und Hodini

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Wenn House Music gleichermaßen Jazz und HipHop atmet, ist das Umfeld von Money Sex Records nicht weit. Zu dem gehören natürlich die drei Betreiber des Labels, Glenn Astro, Max Graef und Delfonic, aus anderer Richtung aber auch Produzenten wie Dexter und Hodini. Letzteren kennt man bis heute noch besser als DJ und Produzenten des HipHop-Duos Retrogott & Hulk Hodn, ehemals Huss und Hodn. Ersterer, also Glenn Astro, hat vor gut einem Monat mit letzterem, also Hodini, ein Album veröffentlicht. „Turquoise Tortoise“ heißt die Platte, ist bei der R&S-Tochter Apollo Records erschienen, findet genau auf der Schnittmenge eingangs genannter Musikrichtungen statt und rückt den Sampler ins Zentrum des Instrumentariums. Kurz nach Release haben wir die beiden getroffen. Zu Kaffee und Keksen, für ein Gespräch über das Produzieren auf Entfernung – Köln, Berlin –, über Konzerne im Kulturbetrieb, über HipHop derzeit und keinen „wack Shit“. Achja: Ein (fast) fertiges Album von Retrogott und Hulk Hodn findet auch noch Erwähnung.

Konstantin, wie läuft der Klavierunterricht?

Glenn Astro: Gerade Pause (lacht). Aber läuft. Ich habe mit meinem Klavierlehrer ein Album gemacht bzw. wir sind gerade dabei, eines fertigzustellen.

Hodini: Der hat auf Tasten gezockt und du hast ein bisschen die Beats gemacht, oder wie?

Glenn Astro: Ein bisschen ist gut. Aber ja, er hat einfach gezockt. Wir waren immer zusammen im Studio und dann ist das so passiert.

Du bist einfach mit MPC zum Klavierunterricht gekommen?

Glenn Astro: Nee, ich hatte eh ein paar Sachen angefangen. Und dann haben wir die zusammen fertiggemacht, dann hatte er noch ein paar Ideen. Aber ich muss leider alles ausproduzieren. Deswegen zieht sich das ein bisschen. Hab ich dir das noch nicht geschickt, Patrick?

Hodini: Nee.

Glenn Astro: Dann zeig ich dir das später, wenn wir noch ins Studio gehen.

Glenn Astro Hodini phone

Einer wohnt in Köln, einer in Berlin. Wie läuft so eine gemeinsame Produktion über die Entfernung bei euch ab? Spuren hin und her schicken?

Glenn Astro: Im Prinzip ja. Einer bekommt sie, bastelt was dazu, schickt den aktuellen Stand wieder zurück.

Hodini: Zumindest am Anfang haben wir es so gemacht. Aber das zieht sich. Und irgendwann fängt man doch an, eigene Sachen reinzuknallen, lässt sich die Sounds und Effekte schicken, die man dann auch wieder selbst bei anderen Sachen benutzt.

Glenn Astro: Ehrlich gesagt: Dieses Album haben wir gar nicht wirklich gemeinsam produziert. Jeder hat seine eigenen Tracks gemacht und die haben wir dann zusammengeführt. Auf der Rückseite sieht man neben den Tracks so Pik- und Karo-Zeichen. Die verraten, welcher Track von wem produziert wurde.

Ihr habt geschummelt.

Glenn Astro: Ja voll.

Hodini: Wir haben es am Anfang anders probiert, aber das zog sich so sehr in die Länge. Und irgendwann hieß es dann doch: Ja komm, werfen wir die eigenen Sachen mal zusammen. Und irgendwie passte das dann auch.

Nach Berlin ziehen ist keine Option?

Hodini: Vielleicht, irgendwann einmal. Es stand mal zur Debatte, aber momentan passt es nicht in meinen Zeitplan.

Was passiert bei dir in Köln zurzeit?

Hodini: Es läuft ja immer noch die Rap-Geschichte und da Retrogott ebenfalls in Köln wohnt, ist das einfach praktischer fürs Proben und das gemeinsame Musik machen. Deshalb bleibe ich erstmal noch dort.

Darf man also auf eine neue Platte von Retrogott und Hulk Hodn hoffen?

Hodini: Definitiv. Dieses Jahr soll eigentlich ein Album kommen. Es ist fertig, muss aber noch gemastert werden.

Glenn Astro Hodini Cover

Zurück zu „Turquoise Tortoise“. Wer ist Viktor und was hat er mit dem Kern der Galaxie zu tun?

Glenn Astro: (Lacht.) Viktor ist der Name meines Bruders. Und mit der Throwback-Platte habe ich angefangen, ihm immer einen Track zu widmen. Bis jetzt habe ich es auch durchgezogen. Das ist eine kleine Wertschätzung, denn durch meinen Bruder habe ich angefangen, Musik wahrzunehmen und zu machen. Er hat sozusagen die Musik zu uns ins Haus gebracht.

Wie das?

Glenn Astro: Er hat ständig Gitarre gezockt. Er war auch der erste, der mit einem CD-Player ankam. Er ist 13 Jahre älter und hat mir viele Platten geschenkt.

Diese Galaxie- und To-The-Moon-Sache kommt ja im ersten und letzten Track vor. Ist das eine thematische Klammer oder völlig random?

Glenn Astro: Beides. Dieser Cosmic-Space-Aspekt ist natürlich super ausgelutscht, aber ich finde das Bild nach wie vor schön.

Hodini: Klingt aber auch ein bisschen spacig manchmal, ich finde das passt schon.

Glenn Astro: Die letzte Nummer hat ja auch keine Drums, nur komische Geräusche und dann bin ich immer schnell bei dieser Weltraum-Assoziation. Ich habe mich jetzt allerdings nicht belesen, was Quasare sind. Es gab ja auch „Viktor and the Gemini“, weil das sein Sternzeichen ist, und darin steckt auch wieder diese kosmische Scheiße (lacht). Es ist aber auch immer schwierig, bei Instrumentalmusik einen krassen Bezug aufzubauen und den Titel mit Inhalt zu füllen.

Hodini: Manchmal musst du einfach speichern, denn du musst los, was erledigen, und dann bleibt's eben dabei.

Glenn Astro Hodini Divider

Apropos Inhalt von Instrumentalmusik. Ist eure Musik politisch?

Glenn Astro: Sie ist natürlich nicht vokalpolitisch. Aber ich denke schon, dass man immer auch politisch Stellung bezieht, mit dem, was man macht. Die elektronische Musik, und insbesondere diese untergroundigen Mikroszenen, würde ich jetzt nicht unbedingt als unpolitisch und auch nicht als konservative oder gar rechte Szenen einordnen. Man bewegt sich immer in gewissen Kreisen und die Musik spiegelt jene Kreise wieder.

Vielleicht ist das jetzt ein bisschen zu viel interpretiert, aber du transportierst ja auch ein Stück Musikgeschichte. House ist ursprünglich eine queere, schwarze Musik. Dieser Aspekt steckt immer drin. In dieser Hinsicht ist man immer politisch, abhängig vom Kontext.

Wenn du allerdings einen EDM-Nummer-Eins-Hit hast, musst du dir auch darüber im Klaren sein, dass du mit der Musik einen sehr kapitalistischen Weg gehst, mit Geldern umgehst, die aus vielleicht fragwürdigen Quellen kommen, was zum Beispiel das Sponsoring von Events angeht. Mit den Ursprüngen hat das dann nichts mehr zu tun.

HipHop ist ja eher nicht so queer.

Hodini: Bitte nicht dieses Thema. Es ist eine schwierige Sache. Ich versuche, mich da im HipHop-Geschäft auch nicht mehr so stark reinzuhängen. Mir wird das gerade zu krass, ich will das hier auch gar nicht vertiefen. Dieses Thema macht so eine Welle. Im Endeffekt will ich Musik machen und dabei Spaß haben, das Ganze nicht so politisch sehen. Ich arbeite natürlich mit Retrogott und der ist schon stark politisch eingestellt. Das vertrete ich auch, insofern positioniert man sich natürlich mit seiner Musik.

Wenn die Deutsche Bank euch für die Firmenfeier anfragen würde, wärt ihr also raus?

Glenn Astro: Das ist eine schwierige Sache. Wo sage ich Ja, wo sage ich Nein? Ich bin mir selbst oft unsicher bei dieser Frage.

Wir waren eben eine Woche lang im Red Bull Studio. Und natürlich wird es problematisch, wenn Konzerne anfangen, Imagepflege zu betreiben, indem sie sich in Szenen und damit ein bestimmtes Image einkaufen.

Die Music Academy ist an sich ja eine coole Sache, die Leute zusammenbringt und Geld dorthin fließen lässt, wo sonst nichts ankäme. Andererseits kann man sich auch fragen: Braucht's das wirklich? Oder ließe sich das auch anders machen? Ich habe auch mit einigen Leuten von Red Bull direkt darüber gesprochen. Und die meinten auch: Irgendwann kommst du an einen Punkt, an dem du für dich selbst entscheiden musst, ob du noch hinter deiner Arbeit stehst. Wenn der Besitzer von Red Bull, dieser alte Sack aus Österreich, gegen etablierte Medien wettert und davon redet, ein alternatives Medienkonstrukt aufzubauen, dann fragen sich auch die Leute bei der Music Academy: Ey, wie verantworte ich das noch vor meiner Familie und vor meinen Freunden? Denn im Grunde arbeitet man ja für diesen Typen. Wie regelt man sowas mit sich selbst? Aber das ist auch ein bisschen das Zeichen der Zeit. Dieses Schwarz-Weiß, Böse oder Gut, ist heute nicht mehr so leicht zu erkennen.

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Eure Musik hinterlässt ja doch eher einen Eindruck von alter Schule: MPC, Sampling, etc. Habt ihr Aversionen gegen aktuelle Sounds oder produktionstechnisch keinen Zugang?

Glenn Astro: Ich für meinen Teil verfolge den neuen Sound total krass. Ich bin auch voll in diesem Trap-Ding und feiere das. Ich finde es auch lustig, wenn Leute mich in diese Dilla-Sampling-Blabla-Schublade stecken wollen, alles dreckig und so.

Aktuelle Favoriten?

Glenn Astro: Cardi B! Patrick mag’s nicht, aber ich hab' das Album hoch und runter gehört. Die neue Platte von J. Cole ist auch supergeil.

Hodini: Bei Cardi B ist es einfach die Stimme. Ich kann die nicht hören.

Manche Leute mögen kein Koriander, manche schon. Ich mag eben die Stimme von Cardi B nicht.

Aber das heißt nicht, dass sie wack Shit macht, das ist kein wertendes Urteil. Vor ein paar Jahren war ich da auch noch ein bisschen engstirniger, aber man muss sich auch mal öffnen, mal vor die Tür gehen. J. Cole ist ein gutes Beispiel. Mir gefällt die Symbiose von klassisch und conscious. Nicht nur dieses: Wedel das Handtuch, huhu.

Wie es im Trap häufig der Fall ist.

Glenn Astro: Ich glaube man kann dem ganzen Trap-Ding noch ein bisschen Zeit geben. Das ist ja immer noch relativ frisch, wenn man diese ganze Memphis- und Atlanta-Schiene von vorher mal beiseite lässt. Ich kann mir vorstellen, dass da in den nächsten Jahren noch alternative, andere Inhalte kommen, die dann auch technisch gut umgesetzt sind. Ich habe zum ersten Mal seit Ewigkeiten wieder das Gefühl, dass HipHop interessant ist. Es passiert so viel, auch viel qualitativ Gutes. Ich checke wieder Mixtapes aus. Wann habe ich das zum letzten Mal gemacht?

Hodini: Aber in Sachen Deutschrap mach ich das nicht. Diese Hedonistenhymnen der Extraklasse – mit Rin oder so kann ich nichts anfangen.

Glenn Astro: Ich auch nicht. Wobei es schon Sachen gibt, die ich cool finde. Ufo oder GZUZ bzw. 187 Straßenbande. Höre ich jetzt nicht alleine zu Hause, aber gefällt mir.

Hodini: Ich denke mir da eher:

Der Tag hat nur 24 Stunden, es gibt so viel Mucke, die ich mir lieber anhöre, warum soll ich mir das reinziehen? Nur weil ich in Deutschland musikalisch aktiv bin, muss ich mir das nicht geben.

Im HipHop gab’s natürlich auch Leute, die gesagt haben: Alles was nach den 80ern kam – alles wack. Ich hab auch keine Lust dieser engstirnige Typ zu sein.

Glenn Astro: Da ist es ganz genauso (lacht). Das ist echt eine komische Herangehensweise und zudem ein Totschlagargument. Seit wann gibt es denn Synthesizer? Klar gab’s das schon. Man findet ja auch immer wieder krasse Platten aus den 80ern, die als aktueller Techno durchgehen könnten.

Apropos aktuell: Über die Anschaffung eines Modularsystems hast du noch nicht nachgedacht?

Glenn Astro: Kann ich mir nicht leisten. Aber ich hätte Bock drauf. Nur kostet so ein Filter mal eben 600 Euro und dann brauchst du noch ein ADSR für nochmal 1000 Euro oder so. Da bin ich raus.

Hodini: Mich erinnert das irgendwie an Fischer- oder Lego-Technik. Das ist mir auch zu krass.

Ich weiß, wie ein Sampler funktioniert – und damit bin ich cool.

„Turquoise Tortoise“ ist auf Apollo Records erschienen.

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