Japanese Breakfast, The Zenmenn, MobyWochenend-Walkman – 11. Juni 2021

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Japanese Breakfast, The Zenmenn und Moby.

Japanese Breakfast Jubilee Cover

Japanese Breakfast – Jubilee

Ji-Hun: Vor viereinhalb Jahren trafen wir Michelle Zauner zum Interview im Kreuzberger Lido und sprachen über den Sinn von Kimchi, die Bedeutung von Reiskochern, Heimat durch Essen und die künstlerische Verarbeitung des Tods ihrer Mutter. Das Thema verarbeitete sie stets in ihrer Musik und auch in ihrer im April erschienenen Memoir „Crying in H Mart“, das nicht nur die Nummer 1 der New York Times Bestsellerliste wurde, sondern nun auch noch in Hollywood verfilmt wird. 2021 ist so gesehen wohl das Jahr von Michelle Zauner, denn nun erschien auch noch ihr neues Album „Jubilee“, das nicht nur in der Kritik sehr gut aufgenommen wird. Es ist ein sommerliches Album geworden, das Freude bereitet und dennoch deep bleibt. Die Songs sind klassischer geworden, stolzer, die Arrangements klug und ausgewogen. „Crying in H Mart“ erscheint im Oktober auch auf Deutsch. Ich werde es wohl demnächst mit Vorfreude im Urlaub lesen und der Soundtrack dazu steht so gesehen auch schon.

WWalkman-11062021-The Zenmenn - Artwork

The Zenmenn – Enter The Zenmenn

Thaddi: Ich widme mich dieses Wochenende dem Debüt eines Projekts, über das man – wie so oft – „wenig weiß“. Da hilft die Musik, die – so glaube ich – eine Liebes-Affäre zu sein scheint, ganz konkret: eine Auseinandersetzung mit dem Pop der 1980er-Jahre, der – ob seiner spezifischen Entspanntheit und klanglichen Offenheit – die Wurzeln einpflanzte für vieles, was später die Welt bedeuten würde. Ob instrumental oder mit Vocals – die Mischung aus Yacht-rockigen (ohne Rock) Entwürfen, einer Prise Brasil und jeder Menge „asiatischer“ (whatever this is) Anklängen macht das Album zu viel mehr aus einem fulminantem Statement für alle Retro-Heads. Mich fasziniert die Leichtigkeit, mit der die Kompositionen (okay, Tracks) hier präsentiert werden. Wie eine Pusteblume, die den Sommer abbildet, und genug Kraft hat, auch die dunkle(re) Jahreshälfte kongenial auszuleuchten. Bald werden die Nächte ja schon wieder kürzer. Das hier könnte ein ganz großer Wurf sein. Der wenig will, wenn es um aktuelle Diskurse geht. Sondern vielmehr einfach nur bei sich ist. Großartig.

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Moby – Reprise

Jan-Peter: Ich habe Moby schon gehört, als es die ganz oben abgebildete Kassette noch zu kaufen gab. Eventuell habe ich sogar genau so eine, mit wie immer schief aufgebrachtem Beschriftungsaufkleber, auf der seine ersten Sachen drauf sind, in einer Steve Mason Experience 1992. Muss ich mal ins Jugendzimmer-Archiv schauen. Nun, Moby hat jede Menge guter Musik gemacht und jede Menge schlechter Musik. Mit diesem Album steht er nun am Tiefpunkt seines Schaffens. Kollege Herrmann, der weiß, wie man Klassik-Pastiches von Elektronik- und Popkünstlern zerreißt, fragte nur, wie man denn 2021 noch in diese Falle tappen könne. Ja gute Frage. Herr Hall, wie konnte Ihnen das passieren? „Reprise“ ist eine akustische Zumutung von vorne bis hinten. Jeder Streichereinsatz, jedes Piano-Arpeggegio – so fucking erwartbar. Gute Sänger:innen reißen nix raus, keine Chance. Keine Überraschungen, freilich auch keine Verbesserungen. An wen richtet er sich mit diesem Klangteppich in Zusammenarbeit mit dem Munich Symphonic Sound, Verzeihung Budapest Art Orchestra? Es gibt da ja diese erbärmliche Tradition, im Muzak-Stil Klassiker der Pop- und Rockgeschichte für Spa-Bereiche, Boutiquen oder Warteräume zu verarbeiten. Weichzuspülen. „Creep“ musste hier schon ganz oft ganz bitter leiden. Dass Moby eigene Stücke diesem Treatment unterzieht, fair enough. Aber bei Bowies „Heroes“ hört der Spaß auf. Das, meine Damen und Herren, ist Blasphemie. Hybris. Bullshit. Ich höre mir jetzt den Rainforest-Mix von „Go“ an und grille mir dazu ein Eichhörnchen.

KonzerterinnerungenFrank Tovey – Berlin, Loft, 02. Oktober 1988

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