Höhlentechno, Oszillator-Explosiönchen und die Implosion der IllusionClaro Intelecto, Call Super, Visible Cloaks: drei Alben, drei Meinungen
15.11.2017 • Sounds – Gespräch: Christian Blumberg, Kristoffer Cornils, Thaddeus HerrmannUm diese gruppentherapeutische Dreifach-Rezension möglich zu machen, haben sich Blumberg, Cornils und Herrmann erst mit euphorischer Melancholie bewerfen lassen, dann schmatzende Bleeps exhumiert und schließlich die hard facts mit den soft skills japanischer Ambient-Kultur verglichen. Gefangen in diesem Parallel-Universum der Fourth-World-Gleichgültigkeit entpuppt sich die neue Platte von Claro Intelecto – dem Gralshüter der komprimierten Basslines – als das beste Techno-Album des Jahres. Call Super verkuppelt unterdessen klassische Elektronika mit noch klassischerem Backroom-Business der Hochphase des Rave. Und Visible Cloaks – das Duo aus Portland – operieren am offenen Herzen der zickig-stickigen Stille. Was wohl John Cage dazu gesagt hätte?
Claro Intelecto – Exhilarator
Thaddeus: Der Großmeister des sanft gestrichenen Slowcore ist zurück. Darüber bin ich zunächst mal einfach nur glücklich, denn seit „Peace Of Mind“ bin ich Vorsitzender des Claro-Fanclubs und seinem Sound vollkommen verfallen. Es ist für mich immer noch einer der tragischsten Momente der Techno-Geschichtsschreibung, dass er bei Modern Love nicht weiter veröffentlicht hat. Dabei hat der den Sound des Labels doch mitbegründet und ist einfach nur nicht in die experimentelle Ecke abgebogen, wie Andy Stott.
Kristoffer: Bei Delsin hat er immerhin ein – wie ich finde – gutes Zuhause gefunden. Und im Grunde liefert er jetzt die Platte ab, die Andy Stott nie hinbekommen hat. Nichts gegen Stott natürlich, aber dessen basswuchtige Grime-Derivate der letzten Releases haben per se nicht mehr diese wabernde Getragenheit von dem, was uns jetzt hier vorliegt. Ich sag’s mal unverhohlen: Techno hat mich anno 2017 null interessiert und „Exhilarator“ ist für mich die beste Dance-Platte des Jahres. Ich weiß nur nicht, wo genau ich dazu tanzen soll.
Christian: Jahrescharts und Andy Stott höre ich gar nicht. Vielmehr habe ich mich stattdessen 78 Minuten lang gefragt, wo „Exhilarator“ hinwill, oder anders: warum es überall gleichzeitig ist. Auf dem Dancefloor, auf der Couch, der Afterhour, in den Neunzigern, ganz besonders in den Nullern. Diese Schauplätze kriegt Mark Stewart alle in einem Track unter. Ich ahne, warum er das macht: Um dieses Genre-Hopping zu vermeiden, das viele Technoalben so vorhersehbar macht. Hier herrscht stattdessen aber Überfülle. Zu viel auf einmal für mich. Auch hinsichtlich der Dosis einzelner Elemente. Beispiel: Strings.
Thaddeus: Opulent orchestrieren konnte und wollte Stewart ja schon immer. Zunächst gibt es über dieses neue Album eigentlich wenig zu berichten. Claro Intelecto öffnet einfach seinen Sound-Koffer und holt die Dinge raus, die er auf seinen letzten Platten perfektioniert hat. Zum Teil zitiert er sich ja auch selbst, gerade in den Strings und natürlich auch in den Basslines. Zu voll ist mir das nicht, im Gegenteil. Es klingt immer noch sehr transparent und aufgeräumt. Ungewöhnlich oder besser neu finde ich den mitunter doch sehr technoiden Ansatz in seinem Techno. Die Flat-Eric-Parodie zum Beispiel, „Guardian Angel“, das bollert einen ja förmlich um. Dabei wohnt der doch auf dem Land.
Kristoffer: Ich musste bei genau dem Track witzigerweise an etwas beziehungsweise jemanden anderen denken: DJ Rashad. Diese wabernden, Dopplereffekt-mäßigen (nicht der Drexciya-Ableger, ich rede hier von Physik) Chords, die durch den Raum fließen. Hat Stewart vielleicht auf dem Land so viel Langeweile, dass er am Hustensaft gesippt hat? Spaß beiseite: Ich finde das alles super unstraight. Deswegen auch meine Bemerkung vorher, die keinesfalls gegen das Album, sondern eher gegen den Club-Status-Quo gerichtet war: Wer spielt denn solche Tracks in seinen Sets? Ich sehe beziehungsweise höre das nicht. Mein Liebling beispielsweise ist diese Monsteroperette kurz vor Schluss: „Slither – The Way Home”. Zig Minuten Höhlentechno mit angezogener Handbremse, dann heben sich die Strings empor und fast scheint es, als würde William Basinski über eine verspulte, aus dem Nebenzimmer aufgenommene Dub Techno-Platte abjazzen. Irre. Aber ich sehe da null Funktionalität drin – und genau das mag ich daran.
Christian: „Slither“ ist wohl der Ausnahmetrack der Platte, obwohl ich die Streicher auch hier zu kitschig finde, um da an Basinski zu denken. „Guardian Angel“ dagegen? Dabei ist mir ja der Begriff des Schaffeltechno wieder eingefallen. Immerhin. Aber habe ich Schaffeltechno vermisst? Wartet. Nee, hab ich nicht.
Kristoffer: Ich glaube, die Nähe zum Schaffeltechno interpretierst du da, wie das früher im Deutsch-LK so schön hieß, rein. Letztlich ist „Exhilarator“ wohl etwas wie Stewarts „Syro“: Der viel zu verspätete Nachfolger zu einigen losen Fäden, zusammengezimmert aus dem – Thaddi deutete das ja schon an –, was halt so rumlag. Deswegen verstehe ich deine Kohärenzprobleme mit der Platte auch. Und vielleicht spricht die komplette Übersaturiertheit aus mir, aber: Ich finde genau das so stark. Da passiert irre viel, zu jeder Zeit, und in jedem Track was Neues. Das steckt einiges in die Tasche, was in Sachen Techno – oder Electro, oder IDM, oder wie auch immer – in den letzten Jahren gegangen ist.
„Ich kennen keinen anderen Produzenten, der einen so euphorisch mit Melancholie bewirft.“
Thaddeus: Ich bemerke gerade, dass sein letztes Album – „Reform Club“ – schon wieder fünf Jahre her ist. Das habe ich mir vorbereitend nicht noch mal angehört, erinnere es aber ähnlich konsistent. „Exhilarator“ sehe ich so auch als eine Art zweiten Teil. Beide Alben haben große klangliche Parallelen und auch die Stimmung ist vergleichbar. Das ist für mich bei Stewart ohnehin das entscheidende Stichwort: Stimmung. Ich kenne keinen anderen Produzenten, der einen so euphorisch mit Melancholie bewirft. Egal, wie harsch und dringlich das in den Beats und Noises zwischendrin dann mitunter wird. Ich hätte nicht gedacht, dass sich die Stimmung des letzten Albums nochmal toppen lassen würde. Ist aber hier faktisch passiert. Ich ziehe den Hut. Und erinnere mich dunkel, dass mir Stewart nach „Reform Club“ mal einen Link zu einem Track geschickt hatte, dem Beginn eines neuen Projektes, das so gar nichts mit Techno zu tun hatte. Weil: Er hatte die Schnauze voll und wollte etwas anderes ausprobieren. Dazu ist es offenbar nie gekommen. Vielleicht ist das schade, aber diese Platte hier versöhnt doch bis zum Weltuntergang.
Christian: Ich hab jetzt auch die Schnauze voll. Wollen wir Call Super hören?
Call Super – Arpo
Kristoffer: Machen wa. Hast du bei dem ähnliche Probleme, Christian? Auch der zieht alles in einen Strudel, und das nicht nur als DJ. Es ist merkwürdig: Ich höre diese Platte jetzt zum ungefähr zehnten Mal und habe so eine Art sehr positive Grundstimmung ihr gegenüber, aber ich kann mir davon nichts merken. Nicht auf die Ein-Ohr-rein-das-andere-raus-Art. Sondern sie schwirrt irgendwie so an mir vorbei, nett und harmlos.
Christian: Dann gehts mir wie dir. Ich habe sie oft gehört und mal war es mir zu daddelig, dann wieder schien es mir geradezu brillant. Es ist in sich total diskontinuierlich – andauernd springt ein Loop an, ein anderer wird wieder ausgeschaltet – und trotzdem flowt es so vor sich hin. Bemerkenswert, vielleicht. Ich gebe die Frage aber an Thaddi weiter, da sich „Arpo“ wie jene Art von Elektronika anfühlt, an deren Speerspitze sich sein Label CCO ja lange aufgehalten hat.
Thaddeus: Danke vielmals für die Blumen. Natürlich dachte auch ich beim Hören an Elektronika, aber das ist für mich nicht das entscheidende Stichwort bei diesem Album. Ich habe noch in älteren Produktionen von ihm quer gehört – die Klammer scheint mir seine Verbundenheit zu diesen schmatzenden Bleeps zu sein, die aber gar keine Bleeps im Sinne Sheffields sind, sondern eher so Oszillator-Explosiönchen. Die Platte ist so zweigeteilt. Ein bisschen Moderne, also Quasi- oder Pseudo-Dancefloor, gepaart mit diesem Elektronika-Geknurschpel. Das klingt eher altbacken und ist dementsprechend unwichtig aus heutiger Sicht. Viel interessanter und vor allem auch überzeugender finde ich seine Liebelei mit diesem frühen UK-Techno-Sound, den ich immer mit B12 assoziiere. Klassisches Backroom-Business, anno späte Neunzigerjahre. Das ist ein Sound, der für meine Ohren nicht alt wird. Und dann gefällt mir das auch sehr gut. Was ich hingegen überhaupt nicht mag, sind diese … tja: Sind es Klarinetten? Fagott? Oboe? Das funktioniert für mich nicht. Ich verstehe den Dreh nicht.
„Es bleibt davon wenig hängen, in so einem Ambient-Sinn aber: Macht das Leben eher schöner als unnötig komplizierter.“
Kristoffer: Okay. Wenn wir weiter Referenz-Bingo spielen, würde ich eventuell noch Jan Jelinek einwerfen, das aber eher ums Eck: „Arpo“ beginnt schon mit seichten Jazz-Tönen und diese Loopigkeit, die Christian anspricht, ist in ständiger Bewegung, wie das manchmal auch bei Jelinek – ob unter Klarnamen oder als „Farben“ – so reizend war. Aber vielleicht brauchen wir auch nicht sehr viele Referenzen herbeiholen. Ich denke, es ist ein sehr … naja, DJ-als-Autor-mäßiges Album. Von einem DJ aber, für den alles irgendwie dasselbe ist, solange es die gleiche Wirkung auf ihn ausübt. Ich habe gestern den halben Tag damit verbracht, ein Interview mit ihm zu übersetzen und der Typ ist einfach ein Goldstück. Sehr bescheiden, sehr überlegt und dabei auf schöne Art … ja, naiv möchte ich es nicht unbedingt nennen, aber es geht schwammiger Weise viel um persönlichen Ausdruck, Stimmungen, Atmosphären und so weiter. Gar nicht mal unbedingt anders als bei Stewart im Grunde. Das ist auch an diesen vielen Sprengseln zu hören, die mal wie genannt Jazz und manchmal diese psychedelischen Dudelsacksounds ins Gesamtbild einführen. Sein Fabric-Mix war auch ein echter Spaß – tatsächlich fand sich auf der Tracklist, genau, auch ein Jelinek-Stück. Da geht’s kreuz und quer, unbekümmert und rundherum unangestrengt. Das höre ich auch in der Platte. Dennoch bleibt davon wenig hängen, in so einem Ambient-Sinn aber: Macht das Leben eher schöner als unnötig komplizierter.
Christian: Naiv ist aber ein gutes Stichwort. Das ist „Arpo“ natürlich überhaupt nicht, im Gegenteil ein ziemlich komplexes Ding, aber die Klangoberflächen sind eben doch ziemliches Earcandy, das schafft zumindest einen Eindruck des Naiven. Deswegen geht für mich der Jelinek-Vergleich auch nicht ganz auf – trotz des vergleichbaren Jazz-Anteils neigt Jelinek ja eher zum Strengen als zum Seichten. Ich musste in ähnlicher Weise sogar an Actress denken. So in Sachen Flüchtigkeit und Strukturauflösung.
Kristoffer: Ist Actress nicht aber der Jelinek unserer Tage? Aber egal, vielleicht nicht so wichtig. Earcandy ist definitiv dabei, es bleibt nur nicht an den Fingern (oder in der Ohrmuschel) kleben. Interessanter Weise zimmert er diesen Kram auch auf Billo-Equipment zusammen, wie es den Anschein hat. Das Sounddesign finde ich wahnsinnig konsequent und auf seine Art sehr eigen. Klar, es ist glatt. Aber nicht anbiedernd.
Thaddeus: Es ist vor allem zweigeteilt. Oft klingt es sehr glatt, dann denke ich an Ableton. Oder was die Kids heute eben benutzen. Aber in den Melodien fängt es dann oft sehr schnell an, „analog“ zu bitzeln. Das sind zwei ganz unterschiedliche Ansätze, die auf dieser Platte erstaunlich gut miteinander funktionieren.
Kristoffer: Funktionieren ist ein Wort, harmonieren aber das bessere, meine ich. Deswegen vielleicht zieht es so angenehm an mir vorbei: Wie ein langsamer, im Grunde stehender Gleichklang. Das geht vielleicht seiner Intention entgegen, möglichst viel an Stimmungen abzubilden, allerdings kann ich mir diesen Effekt nur so erklären. Es blubbert, brutzelt, hüpft und springt im Hintergrund vorüber. Schön. Gute Winterplatte.
Thaddeus: Hintergrund. Ja. Der ist deutlich interessanter als das, was vornerum passiert. Hintergrund ist doch aber auch ein gutes Stichwort für unsere dritte Platte heute, oder?
Visible Cloaks - Lex
Kristoffer: Genau. Insbesondere deshalb, weil ich so gut wie kein Hintergrundwissen zu diesem Projekt habe. Zwei Dudes mit Japan-Affinität, schon klar. Und sonst so?
Christian: Sonst so: Oneohtrix Point Never in der „R Plus Seven“-Phase. Dazu aber auch eine Nähe zu amerikanischen, viel analogeren Sachen, zu Labels wie Root Strata vielleicht. Die teilen ein ähnliches Verständnis von Ambient, scheint mir. Plus japanische Musik. Plus virtuelle Sphären. Oder wolltest du jetzt hard facts?
Kristoffer: Ich hätte gerne hard facts gehabt, gebe mich aber auch gerne mit deinen Soft Skills zufrieden. Japan höre ich tatsächlich hier extrem raus. Ich bin großer Fan von Leuten wie Hiroshi Yoshimura, deren Werk dankenswerter Weise in diesem Jahr auch der Reissue-Industrie zum Opfer gefallen ist. Davon sehe ich recht viel in diesem Album. Geloopte Synthies, irgendwie Post-Minimal und dennoch sehr Zen in dem Sinne, dass es im Grunde nach nichts klingt. Was nicht zwangsläufig negativ gemeint ist: Das Nichts ist in dieser Tradition ja der bestmögliche Fall, das hat unter anderem John Cage schon sehr an der japanischen Mentalität gereizt. Geschmacklos, ganz wertlos gesprochen. Stören tun mich schon eher diese arg artifiziellen Töne. Weil ich davon allgemein genug habe und, du hast ihn schon genannt, Oneohtrix Point Never und die ganze Internet-gebildete Crew das doch eigentlich schon durchexerziert haben. Oder? Was bringen Visible Cloaks jetzt auf den Tisch?
„Das ist Vapourware.“
Thaddeus: Das habe ich immer noch nicht ergründet und bin mir mittlerweile sicher, dass Sinn und Zweck einfach das Asia-Daddeln ist und sich nichts Größeres dahinter verbirgt. Die Platte ist sehr zerfasert. Das irritiert mich. Vor allem diese Laurie-Anderson-Zickigkeit an den Vocoder-Samples macht mich fertig. Das will alles nicht recht zusammenpassen. Die Platte ist ja ohnehin eher kurz und knackig, und dennoch wollen die beiden für meinen Geschmack hier zu viel reinpacken, Dinge zusammenbringen, für die man eigentlich mehr Zeit bräuchte, um so eine Geschichte angemessen zu bauen. Erst fließt es ziemlich wundervoll vor sich hin, dann kommen auf Kante gesetzte Beats dazu, die alles wieder in sich zusammenfallen lassen und eine ganz andere Richtung vorgeben, danach beruhigt sich wieder alles zum schon gedroppten Instant-Zen. Ich finde das alles nicht schlecht, aber das ist nicht mal minimal klebrig, bleibt also null hängen. Das ist Vapourware. Visible Cloaks gibt es gar nicht. Das ist ein musikalischer Prototyp von Checkern, nichts weiter.
Kristoffer: Es ist – neben einem anderen Visible-Cloaks-Album dieses Jahr – übrigens nicht die einzige Platte, die sich aus westlicher Perspektive dermaßen dezidiert mit Japan auseinandersetzt. Japan Blues hat Anfang des Jahres ein irrsinniges Plunderphonics-Album herausgebracht, das mir wahnsinnig gut gefallen hat. Interessant daran finde ich, dass ich Japan Blues’ Musik viel eher genießen kann als diese Platte hier. Beinahe unkritisch. Und ich frage mich: Steckt in diesem Album nicht auf eine Art ein sehr kritischer Impuls verborgen? Denn wir haben, das ist offensichtlich, ein klares Bild von japanischer Ambient-Musik und wie sie zu klingen hat. Zerfetzen das Visible Cloaks nicht damit ein bisschen? Dieses aleatorische Gepolter à la spätem Oval, das Thaddi so stört … ist das vielleicht als Kommentar gedacht? Fourth-World-Musik war 2017 der letzte Schrei, geht es hier um Fourth-World-Problems? Deswegen hatte ich auch nach Hard Facts gefragt: Was wollen die? So ganz klar ist es mir anhand der Musik noch nicht.
Thaddeus: Ich weiß zu wenig über japanische Ambient-Musik, um das kommentieren oder einordnen zu können. Fourth World? Hmmmm. Vielleicht. Mich erinnert es eher an das Holodeck bei Korg, auf dem neue Digital-Presets für 3.000 Euro teure Rompler entwickelt werden. Und die mochte ich nie besonders. Zu künstlich.
Christian: Vielleicht doch eher eine Erweiterung von Fourth World, weil hier digitale Sphären doch offensichtlich eine Rolle spielen. Also der Weltbegriff ist erweitert. In klassischen Jon-Hassel-Welten gedacht: Würden wir dann schon fünf Welten zählen? Ich stehe hier auch unter dem Eindruck der Videos. Wenn ich das richtig weiß, gibt es ja visuelle Counterparts, die sich in so einem Neunziger-affinen Cyperspace ereignen.
Kristoffer: Ich würde zuerst mal selbst den Cyberspace in dieser Welt verorten und ihn schon klar in der Tradition einer Fourth-World-Fantasie, das heißt im engeren Sinne eines globalen Zusammenkommens der Kulturen betrachten. Das war doch auch die Idee oder zumindest die große Hoffnung, die wir alle aufs Internet gesetzt haben: Dass es die Unterschiede ausradieren würde. Und tja, jetzt sitzen wir hier und naja, scheiße halt. Nix. Stattdessen: Atomkriegsanbahnung per Twitter. Vielleicht ist das sogar der angemessene Soundtrack dazu, der von der Implosion der Illusionen berichtet? Ich weiß es nicht. Ich möchte aber fast dran glauben.
Christian: Natürlich ist Cyberspace so diesseitig wie alles andere. Aber zu Hassels Zeiten gab es ihn eben so noch gar nicht, darauf wollte ich nur hinweisen. Aber dazu kommt, dass er sich hier schon als ein eskapistisch angelegter, geschlossener Raum darbietet.
Kristoffer: Wie Thaddi schon meinte: Es gibt Momente, in denen diese Musik im luftleeren Raum zusammenfällt. Das hat schon etwas Verstörendes, Unheimliches. Oder meinetwegen sogar Nervtötendes. Das ist kein durchgängiges Feel-Good-Album, absolut nicht. Irgendwas ist da im Unreinen und ich kann’s nur nicht genau bestimmen.
Christian: Im Unreinen: Okay. Aber gerade dieses Nichtbestimmbare ist doch eine totale Qualität!
Kristoffer: Ja, wenn’s halt nicht manchmal so nervig wäre. Ich bin unschlüssig: Ich mag das musikalisch nicht. Ich habe die Vermutung, das Konzept könnte mit gut rein gehen, ich rall’s aber nicht. Was nun?
Thaddeus: Es bleibt eine quer zitierte Sammlung fragwürdiger Zitate, die nicht wirklich zitierfähig sind. Wenn die Herren Cloaks anderer Meinung sind, sollen sie doch anrufen.
Kristoffer: そうです 、