Goldmund, Coil, Jonny LWochenend-Walkman – 04. Dezember 2020

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Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Goldmund, Coil und Jonny L.

Goldmund The Time It Takes cover

Goldmund – The Time It Takes

Ji-Hun: Wenn Keith Kenniff aus Pennsylvania Musik veröffentlicht, ist eigentlich Kollege Herrmann der erste Ansprechpartner, durch ihn habe ich vor vielen Jahren Goldmund überhaupt erst entdeckt. Die schönste Klaviermusik und so geschmackssicher, wie es nur ganz wenige über so viele Jahre geschafft haben. Hauschka vielleicht oder auch Ryuichi Sakamoto fallen da einem ein. „The Time It Takes“ arbeitet reduziert, klar und melodiös akkurat. Kein Ton zu viel, feines Knistern, Rauschen, tolle Hallräume, herbe Synthesizer, es passt einfach alles und ist wie immer sehr tröstlich und erbauend. Musikalisch mit das Beste, was zum Ende eines solchen Jahres passieren kann.

coil musick to play in the dark walkman cover

Coil – Musick To Play In The Dark

Benedikt: 1999 veröffentlichten Peter „Sleazy“ Christopherson and John Balance „Musick To Play In The Dark.“ Ich war damals zehn Jahre alt, das Opus ging verständlicherweise völlig an mir vorbei. Aber auf das Reissue-Business ist Verlass und so kreuzen die beiden Musiker gut zwanzig Jahre später doch noch meinen Release-Feed. Zwischen scharfkantigen Texturen, industriellem Downtempo, Klavier und mikroskopischen Glitches zieht einen die Stimme von Balance gnadenlos in ihren düsteren Bann. Balance wollte sich schon mit 12 Jahren einem Hexenzirkel anschließen. Das hat nicht geklappt und so bricht sich der Okkultismus in der Musik Bahn, im gigantischen Hall hinter der Melodie ebenso wie in der gesprochenen und finster vorgetragenen Drug Poetry, die jedes Gesichtstattoo eines Soundcloud-Xanax-Rappers erblassen lässt. Wahnsinn, wie fesselnd und erhaben sich Finsternis musikalisch zelebrieren lässt.

Jonny L Remixes

Jonny L – The Remixes ’96-’97

Thaddi: Eigentlich wollte ich mich diese Woche mit dem neuen Album von DJ Krust auseinandersetzen. Das „DJ“ schenkt er sich mittlerweile, aber macht ja nichts. Mehr macht da schon, dass ich die LP nicht gut finde. Dann erinnerte ich mich, dass es ja kürzlich „Inner City Life“-Remixe und Remasters von Goldie gab. Kein Kommentar. Aber ich war auf Break, surfte so rum und landete schließlich auf der Seite vom Hardwax. Da fiel mir zuerst auf, wie viele Techno-Nasen Streaming immer noch als Feind ausmachen und nicht mal Bandcamp kennen. Und dann stolperte ich über diese EP von Jonny L – mit vier Remixen seiner Tracks aus den 1990er-Jahren. 2 x Carl Craig, 1 x Grooverider, 1 x Photek. Dass Herr Craig den Herrn L mal geremixt hat, wusste ich gar nicht – und ich finde die Mixe auch alles andere als gut. Meterware einer Hit-Maschine, die halt auch mal daneben greift. Die anderen beiden Mixe habe ich aber bis heute in bester Erinnerung. Grooverider hat es raus mit dem Stimulus – so stumpf wie sensationell geil. Meine Erinnerung hat mich nicht getrogen. Ich kaufte den Remix auf 10" und White Label in New York – 8,99 USD. Damals. Als der kurz vor dem Rauskommen war. Es war scheiße kalt in Manhattan, und ich hatte mir – standesgemäß angezogen mit UR-Hoodie – in einem Späti einen Stadtplan gekauft. Der Verkäufer guckte mich an und klatschte ab. Was für ein Mix. Photek droppt mit seiner Version von „2 Of Us“ das genaue Gegenteil: subtil, verhalten, freundlich und deep. Ja, vielleicht muss man damals dabei gewesen sein – ich hoffe jedoch, dass genau diese beiden Stücke auch heute noch genau das auslösen können, was sie damals mit mir gemacht haben: endlose Faszination.

Pageturner – Literatur im Dezember 2020Emmanuelle Bayamack-Tam, Mike McCormack, David Mitchell

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