Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Fluxion, Ross From Friends und The War On Drugs.
Fluxion – Parallel Moves
Thaddi: Schon im Sommer 2020 tänzelte Fluxion – Kostas Soublis – mit seinen Dub-Abstraktionen im Walkman vorbei, sein neues jüngst erschienenes Album ist imho nochmal besser. Weil der Berliner Dub, die prägendste Konstante seines musikalischen Schaffens, noch weiter in den Hintergrund rückt und so Raum aufmacht für Tracks, die in der Ryhthmussektion zwar nach wie vor dieses gewisse Wippen haben, davon abgesehen aber ganz andere Geschichten erzählen. Die lassen sich auf unterschiedliche Art und Weise interpretieren. Geht es hier nur um Tones? Um Chords? Gar um Gefühle und Stimmungen? Ich war mir bei den ersten Durchläufen nicht ganz sicher, ob ich diese immer stärker zu Tage tretende Richtung in Soublis' Musik nun begrüße oder nicht. Doch mein Herz ließ mir schon bald keine Wahl mehr. Das helle Licht reißt mich seitdem mit.
Ross From Friends – Tread
Jan: Ich weiß nicht, wie oft ich das Debütalbum von Felix Weatherall aka Ross From Friends aus dem Jahr 2018 gehört habe, es war auf jeden Fall ziemlich oft. Erst kürzlich wieder. Mir hat es einen frischen Wind zwischen die Ohrmuscheln gepustet und gleichzeitig habe ich mir bei einigen der Tracks vorgestellt, wie es jetzt wohl wäre, auf dem Dancefloor, mit dem Stück. Nur um im gleichen Zuge zu denken, komm, mach dich ehrlich, die Leute um dich herum sind halb so alt wie du, stell' dich wieder an den Tresen, trink dein Getränk und schau ihnen zu. Das geht mit „Tread“, dem neuen, folglich zweiten Album des Briten, nicht minder gut. Schwungvoll, elegant, zugleich poppig, mit Mut zum gewissen Kitsch. Ravig, dann wieder verspielt, dann verschlungen, also abwechslungsreich. Es basiert wohl auf Sachen, die der Mann im Rahmen eines Projekts auf Ableton generiert hat: Mit Thresho können Künstler:innen improvisieren und müssen sich zugleich keinen Kopf darum machen, dass die Sachen später nicht safe sind. Aus den Samples und Fragmenten ist dann Tread entstanden.
The War On Drugs – I Don’t Live Here Anymore
Ji-Hun: Es gibt in der Popmusik ein ungeschriebenes Gesetz. Ich nenne das mal den Stadion-Quotienten. Umso größer die Venues und Festivals werden, desto einfacher und „größer“ wird in der Regel in die Musik. Feuerzeuge, äh Handytaschenlampen, Mitsingen und Klatschen. Machen mehr mit – und Klatschen im Rhythmus ist gar nicht so leicht – haben die Leute mehr kollektiven Spaß. The War on Drugs veröffentlichen nun ihr fünftes Studioalbum und es ist der bis dato anschlussfähigste Langspieler der Band aus Philadelphia um Adam Granduciel. Die Transformation zur Stadion-Band haben Bands schlechter oder besser hinbekommen. Man denke an U2, REM, Foo Fighters, The National oder auch Coldplay. Der Grat ist schmal. Die Referenzen von The War on Drugs liegen indes bei Bruce Springsteen, Tom Petty und der ewigen Super-Band The Traveling Wilburys. Die Produktion ist abgehangen und edel. Wie elegant kann fett eigentlich klingen? Studiotechnisch großes Kino. Die Songs auf „I Don’t Live Here Anymore“ schreien nach großen Bühnen und Meereswogen aus Menschen. Sie haben diese vereinnahmende, einigende und friedvolle Qualität, diese Präzision – und mich fasziniert es deshalb, weil ich sonst bei Mainstream-Rock sofort unwohle Hautzustände bekomme. Aber das fantastische Songwriting, diese Gesten und dieses wie aus der Zeit gefallene Meta-Pophafte, berühren mich.