Filter Tapes 041„A History of Mansions and Millions“ von Anton Teichmann
27.5.2021 • Sounds – Interview: Ji-Hun Kim, Illustration: Susann MassuteDas Label Mansions and Millions steht seit sechs Jahren für den Sound of Neukölln und Berliner Indie-Musik, die sich jenseits der Techno-Bubble internationales Renommee erspielt hat. Chef und Gründer Anton Teichmann kompilierte und mixte unsere 41. Ausgabe der Filter Tapes mit hauptsächlich Label-eigenen Releases. Rückblick, Ausblick, Einordnung und Reflexion.
Tracklist
- Touchy Mob – No Bed For Beatle John
- Sean Nicholas Savage – Chin Chin
- Magic Island – So Tender
- Jack Chosef – Track Your Mind
- Bataille Solaire – Hyper Drive
- Normal Echo 11:57
- Better Person – I Wake Up Tired
- Karolini – Twice As Much
- Pictorial Candi – Meteor Shower
- Helen Fry – PCNC 310
- Magic Island – Alchemy
- DENA – So Wrong feat. Sean Nicholas Savage
- Luis Ake – Schillerndes Mädchen
- Better Person & John Moods – Like A Whisper
- Soft As Snow – Take Your Honey
- Discovery Zone – Dance II
- World Brain – Hypertext
- Better Person – Dotknij Mnie
- J. Vague – New Life
- Magic Island – Bury Me Alive
- John Moods – So Sweet So Nice
Anton, vielen Dank für deinen Mix. Erzähl uns was über die Idee dahinter.
Prinzipiell ist es ein Mix mit Artists, die auf meinem Label Mansions and Millions veröffentlicht haben. Zwar wurden die ersten beiden Stücke nicht darauf releast. Ich wollte aber die Kontinuität zeigen, ebenso wie die Anfänge. Zwei Personen sind konstitutiv für die Entstehung und die Art und Weise, wie wir arbeiten: Sean Nicholas Savage und Touchy Mob – beide sind so ziemlich die wichtigsten Figuren in dem Ganzen. Sie machen das lange – und Sean war für uns alle eine Person, zu der wir aufgeblickt haben. Als er dann 2014 aus den USA nach Berlin kam, war er dort schon ein gehypter Act. Für uns war das schon der Wahnsinn. Wer bei Pitchfork gefeiert wird und beim Primavera spielt – das wollten wir ja auch. Touchy Mob hatte schon ein Album für Sean produziert und durch ihn habe ich Sean auch kennengelernt. Lustige Geschichte: Sean musste aus Neukölln raus, dann kam er über meinen Mitbewohner bei uns unter und lag dann bei mir auf dem Boden. Ich war erfreut und irritiert zugleich, dass so ein Star plötzlich bei uns zuhause war. Wir haben uns immer mehr befreundet. In seiner Band spielten Leute, die ich später releast habe, da ist ein Netzwerk entstanden. Better Person hat zum Beispiel bei Sean in der Band gespielt. Jack Chosef und Karolini haben da gespielt, Touchy Mob auch. So habe ich dann Magic Island kennen gelernt. Ohne die beiden wäre das nicht passiert. Deshalb steigt der Mix damit ein, um einen Kontext zu geben. Die Connection nach Kanada wollte ich aufbringen, Sean kommt aus Edmonton, ist aber in Montreal bekannt geworden. Er veröffentlicht bei Arbutus Records, für die ich wiederum hier PR gemacht habe. So habe ich viel mit kanadischen Künstler*innen zusammen gearbeitet. Der Rest des Mixes ist recht chronologisch gehalten. Aber so, dass man die verschiedenen Richtungen, aber auch eine rote Linie erkennt. Es ist eine bestimmte Spielart von Popmusik, die zu Beginn noch mehr LoFi war. Das hört man dem Mix an. Zu Beginn gibt es mehr Bedroom Productions, die Releases am Ende wurden durch Kontakte, Knowhow und finanzielle Mittel ein bisschen klarer, fetter und professioneller. Stilistisch gab es immer wieder Abzweigungen. Ich habe diverse Noise Tapes herausgebracht. Die Elemente wollte ich auch in dem Mix unterbringen.
Der Mix klingt in der Tat auch vom Sound her viel konsistenter als der Artist Roster vermuten lässt. Man erkennt eine Vorliebe für sanfte Rhodes. Das ist alles Musik, die auch in kleinen Räumen sehr gut funktioniert. Ich möchte mit dir über das Label machen sprechen. Bei dem Namen Mansions and Millions könnte es sich um ein protziges US-Rap-Label handeln, das ist es ja nun aber nicht. Viele fragen sich heute, wofür braucht es noch Labels? Als du vor sechs Jahren angefangen hast, mit welchem Impetus bist du an die Sache rangegangen?
Zum einen habe ich da noch bei Morr Music gearbeitet, vor allem im Vertrieb. Da gab es schon die Idee, ob ich nicht mehr die Rolle eines A&Rs übernehmen soll oder gleich ein eigenes Label starten. Das hat mir dann ein bisschen zu lang gedauert. Habe die Zügel selber in die Hand genommen und wurde von Morr auch ständig unterstützt. Die haben mir einen Production-and-Distribution-Deal gegeben, so dass die Kosten für Vinyl bspw. sich bei mir in Grenzen hielten. Wie erklärt, bin ich in so eine Szene reingerutscht und habe viele talentierte Musiker*innen gesehen, die alle keine professionelle Unterstützung bekommen haben. Ich sah die meisten und dachte, da müsste es doch bestimmt jemanden im Hintergrund geben – dem war aber nicht so. So bin ich quasi eingesprungen. Über die Jahre habe ich mehr und mehr Selbstbewusstsein und Erfahrungen gesammelt. Ein Label, dachte ich mir, ist doch ein gutes Ventil. Das war nicht die logischste Entscheidung. Alles war sehr DIY und Indie, ich hatte kaum große Kontakte. Aber ich wusste, wie es läuft. Der Label-Name ist natürlich ein bisschen ironisch. Damals wie heute. Das Letzte, was man mit einem Indie-Label heute erreichen kann, ist Reichtum und Geld. Wir haben zu einem Zeitpunkt angefangen, als viel Underground-Musik noch bei Soundcloud stattfand. Die Klicks waren eigentlich ganz gut, es kam jedoch kein Geld rein. Ich saß ewig auf den ersten Vinyls, weil die Bekanntheit noch nicht da war und noch nicht so viel getourt wurde. Das war frustrierend, weshalb ich später mehr Tapes gemacht habe. Ich habe angefangen, als die Musikindustrie mehr oder weniger am Boden war, habe dadurch aber gemerkt, dass sich neue Einnahmequellen auftaten. So gibt es das Label heute immer noch und ich verliere nicht am laufenden Meter Geld.
Heute wird suggeriert, dass Artists alles selber machen können. Spotify for Artists, Bandcamp, Social Media. Wozu braucht es heute deiner Ansicht nach Labels?
Gute Frage, die ich mir auch immer wieder stellen muss. Ist man noch relevant? Ich manage auch Künstler*innen, was nicht exklusiv mit dem Label verbunden ist, auch in dem Kontext stellt sich die Frage. Es gibt aber viele Vorteile. Ich arbeite mit Acts zusammen, die keinen Bock auf den organisatorischen Krams haben. Die kriegt man gerade noch dazu, Social Media zu posten. Das sind aber Musiker*innen durch und durch. Die wollen sich darauf konzentrieren und wenn man ein professionelles Team im Hintergrund hat, dann wird das Organisatorische abgefedert. Man ist aber auch Teil von einer größeren Szene, eines Netzwerks und einer Community. Das können Labels auch bieten – und haben sie traditionellerweise ja auch schon immer gemacht. Viele haben nicht Unrecht, wenn sie sagen, dass viele Labels eine Bank zu sehr schlechten Konditionen ist.
„Wenn man so ein Label startet, dann braucht es eine gewisse Motivation. Und die ist eben, Sachen selber zu machen, unabhängig und kritisch im Hinblick auf den Rest der Welt und Industrie zu machen. “
Wer sagt das?
Das habe ich oft gehört. Im Grunde genommen schießt ein Label Geld vor. Ich bezahle ja auch erstmal alles, und viele Artists haben gar nicht das Startkapital – um das im neoliberalen Sprech zu sagen –, um eine Karriere auf einem halbwegs professionellen Level zu starten.
Ich sehe das ähnlich. Es werden heute irrsinnig viele Aufgaben auf Artists abgewälzt.
Die Ich-AGs.
Selbstvermarktung, Selbstausbeutung. Wie kann man Leute dazu bringen, Labels zu starten? Im Rap gibt es einige Erfolgsgeschichten, auch in Deutschland. Wie beschreibst du die Landschaft im Indie-Sektor? Worum geht es, vom vermeintlichen Geld verdienen mal abgesehen.
Da mache ich mir viele Gedanken. Indie ist aktuell nicht gerade der aller heißeste Scheiß. Und für viele aufkommende Musiker*innen auch nicht die natürlichste Wahl. Da sind andere Genres populärer. Dennoch wird weiterhin gute Musik gemacht. Es gibt unfassbar gute Musiker*innen.
Die werden auch immer besser, finde ich. Dass gerade die junge Generation an den Instrumenten technisch um einiges besser sind, als noch in meiner Generation.
Das denke ich auch. Die Gefahr ist, dass man sich zu sehr auf Vorgaben von Plattformen einschießt. Bei Indie gibt es die Spotify-Playlist Hyperpop, nach diesen Vorgaben wird ganz viel Musik produziert. Das bringt mich zum nächsten Problem: Wenn man so ein Label startet, dann braucht es eine gewisse Motivation. Und die ist eben, Sachen selber zu machen, unabhängig und kritisch im Hinblick auf den Rest der Welt und Industrie zu machen. Auch im Indie-Bereich waren viele froh, einfach nur Geld zu verdienen. Das hat aber mit Indie nicht viel zu tun. Mir ist der DIY-Aspekt wichtig. Wenn jemand wie ich aus der Punk-Hardcore-Szene kommt, geht es um Werte, auch wenn das dumm klingt.
Ich finde, das darf man schon so pathetisch sagen. Die Werte von Musik und Musikkultur sind heute ohnehin auf dem Prüfstand.
Man merkt, dass große Konzerne auch in der Indie-Szene stark an Terrain gewinnen. Da hilft eine Community. Gemeinsam ist man stärker. So lassen sich Dinge eher gestalten, als wenn man alleine unterwegs ist. Das ist ein schwieriges Feld und ich behaupte nicht, dass ich die Formel gefunden habe, wie man es macht.
In den 80ern hat man am Kopierer Fanzines für lokale Szenen gemacht und Tapes auf Konzerten verkauft, heute hat man viel schneller auch als Band mit internationalen Plattformen wie YouTube, TikTok oder Spotify zu tun.
Die Möglichkeiten, neue Acts zu etablieren, sind einerseits einfacher, gleichzeitig aber auch praktisch unüberwindbar geworden. Ich tue mich mit dem Narrativ der Demokratisierung schwer. Die sehe ich nicht. Die großen Player bleiben immer im Game und sorgen dafür, dass sie es auch bleiben. Das sind die Gatekeeper. Ich möchte nicht nostalgisch klingen, aber es gab vor ein paar Jahren noch viele Musikentdeckungen, die über kleine Blogs liefen, die sich wirklich auf die Fahne geschrieben haben, Musik zu entdecken. Heute ist der Musikjournalismus sehr klickgesteuert und für die wenigsten ist es lukrativ, neue Acts zu promoten, die von sich aus keine Reichweite bringen. Ab und zu engagiere ich PR-Agenturen, merke aber auch, dass das bei ganz wenigen neuen Acts etwas bringt. Ich will nicht sagen, dass das nicht geht, manchmal schaffen wir es. Aber gerade in einer Krise, in der man nicht spielen kann, ist es nicht leicht. Wo allerdings eine Demokratisierung stattgefunden hat, ist, dass Musikproduktion und Vertrieb einfacher geworden sind. So gibt es heute viel mehr Musik. Es ist ein zweischneidiges Schwert.
Deine Artists sind international aufgestellt. Es gibt Acts aus Kanada, aber auch aus Polen. Wie kommt das zusammen? Du giltst ja heute als eine Art Indie-Pate von Neukölln. Wie würdest du die Innen- und Außenwahrnehmung beschreiben? Heute ist Neukölln international ja auch der Inbegriff für Hipstertum und das Ex-Pat-Berlin.
Das Label und die Szene sind ein Beispiel für das Internationale. Die mobile Generation, die Anywheres. Dass man sich in Berlin künstlerisch entwickeln und zu halbwegs moderaten Preisen leben kann, war und ist bekannt – und teilweise auch immer noch möglich. Man trifft wahnsinnig kreative und offene Menschen – das ist das Schöne für mich. Das macht Berlin noch immer aus und das Label ist ein gutes Abbild davon.
Es gibt viele, die sagen, Neukölln wäre langsam durch.
Ich bin ja Berliner, in Lichtenberg aufgewachsen. Deshalb versuche ich mich von solchen Diskursen fernzuhalten. Wobei ich froh bin, in Neukölln zu sein. Wenn irgendwo gute Musik stattfindet, dann ist es egal, woher sie stammt. Viele meiner Acts hat es in der Tat woanders hin verschlagen. Auch weil der Wohnungsmarkt so eng geworden ist. Viele Leute lernt man aber in Clubs und Bars kennen. Viel davon sind in Neukölln. Wir müssen uns fragen, was davon noch übrig bleibt. Orte wie Loophole, Tennis Bar, Internet Explorer, den es leider nicht mehr gibt, waren alle konstitutiv für diese Szene. Wir sind abhängig von diesen Freiräumen. Wo werden sich diese Freiräume zukünftig auftun? Wenn nicht mehr in Neukölln, finde ich das nicht schlimm. Hauptsache sie existieren.
International ist Neukölln zu einer Art Brand geworden. Wie siehst du das?
Skeptisch. Stadtmarketing finde ich problematisch. Aber oft hilft es Leuten, etwas einzuordnen. Viele meiner Artists aus Montreal wurden hochgespült, als die Stadt dank Grimes etc. der heiße Scheiß war. Das hat natürlich geholfen. Genauso schnell vergeht das aber auch wieder, und plötzlich ist es nicht mehr so cool. Die Gefahr, dass das von Wirtschaft und Politik instrumentalisiert wird, besteht. Ich bin vorsichtig, ich sehe auch die Nachteile, wenn das als Stadtmarketing genutzt wird.
Wie geht es deinen Artists? Worüber tauscht hier euch aus? Wie ist die Stimmung?
Ich bin im engen Austausch. Man trifft sich nicht mehr automatisch, weil ja alles zu ist. Die Tennis Bar war so ein Ort, aber das geht gerade natürlich nicht. Denen geht es ganz unterschiedlich. Better Person leidet zum Beispiel immer noch unter Long Covid. Er ist seit über einem Jahr krank und kann nicht viel machen. Da gibt es nicht nur wirtschaftlich sondern auch gesundheitlich knallharte Realitäten, mit denen man konfrontiert wird. Das ist wirklich tragisch und ich hoffe, dass er schnell genest. Ich versuch zu helfen, wo es nur geht. Finanziell ist die Lage angespannt, durch die Staatshilfen ist das aber nicht komplett hoffnungslos. Die hat uns schon alle gerettet. Letztes Jahr wären viele unserer Acts auf Tour gewesen, aber darüber denken wir kaum noch nach. Fast alle haben die Zeit genutzt, neue Musik aufzunehmen. Jetzt kommen die ganzen Releases, die während des Lockdowns entstanden sind. Die Zeit wurde kreativ genutzt. Aber es ist aktuell auch schwierig, Musik zu veröffentlichen. Es ist frustrierend, aber wir haben keine andere Wahl. Es bringt nichts, das alles noch weiter zu verschieben.
Heute Musik zu machen, ist ja teils völlig entkoppelt von sozialen Interaktionen und Events. Der fehlende Applaus, die wichtigste Währung für Bands …
Das Feedback der Fans … Wir sind aber froh, diese Releases zu haben. Wir müssen auf nichts warten. Es ist schon fast zu viel gute Musik, die entstanden ist. Das Publikum fehlt aber.
Wir warten ja alle darauf, dass es irgendwann mit der Musik weitergeht. Wie schätzt du die Situation ein? Positiv wie negativ? Siehst du Gefahren für die vielfältige und diverse Musikkultur in Berlin? Die Stadt wurde stark von Techno und Clubs dominiert, da ist ist dein Label so oder so schon erfrischend. Und zeigt auch, dass die Stadt neben dem viele spannende Sounds zu bieten hat. Gerade im Bereich Indie.
Diese Techno-Dominanz war tatsächlich ein Grund dafür, wieso ich das Label gestartet habe. Ich finde House und Techno super. Aber ich hatte den Eindruck, dass in Berlin viel mehr los ist und nach außen gar nicht so abgebildet wurde. Mittlerweile merken die Leute, dass es hier nicht nur elektronische Musik gibt. Die Gefahren, die es gibt, gab es vorher auch, aber nun dringender und in einem anderen Tempo. Man ist den monopolistischen Plattformen immer mehr ausgeliefert, weil es immer weniger Alternativen gibt. Die Major-Labels waren im Kaufrausch und haben viele Vertriebe und Plattformen aufgekauft.
Daniel Ek von Spotify will Arsenal London kaufen.
Es freut mich für ihn, dass er so viel Geld verdient hat.
Podcaster wie Joe Rogan kriegen von Spotify 100 Millionen. Da wundert es nicht, dass für Musiker*innen „kein Geld übrig ist“. Zugleich bietet Spotify Artists an, präferiert in Playlisten aufzutauchen, dafür bekommt man aber nochmal 50 Prozent weniger als sonst.
Das ist Wahnsinn. Zumal die Firma ja selber gar keine Profite macht. Das Geld, das bei Investoren gesammelt wurde, wird dann für einen Fußballverein ausgegeben. Auf der anderen Seite habe ich erst mit Apple Music und Spotify angefangen, konstant Geld zu verdienen. Das ist ein positiver Part. Soundcloud hat bei all der Coolness, die es damals hatte, kein Geld bezahlt. YouTube bezahlt auch kein Geld, beziehungsweise nur einen Bruchteil von Spotify. Also sind wir auf das Geld angewiesen. Spotify ist eine digitale Plattform und kein Musikunternehmen. Sie produzieren Software, eine Plattform aus Code – mit knallharten wirtschaftlichen Interessen. Da gibt es niemanden, der einen Laden aufmacht und Musik reinstellt. Hier müssen Shareholder zufrieden gestellt werden. Das merkt man an der Firmenpolitik. Und da geraten Musiker*innen unter die Räder. Wenn man sieht, dass Spotify immer weniger Interesse an Musik zeigt und immer stärker in den Podcast-Markt einsteigt ... wir haben doch alle nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Nun wird die Aufmerksamkeit immer weniger auf neue Musik gelegt, das ist als Label-Betreiber natürlich unfassbar frustrierend. Wir haben große Schwierigkeiten in Playlists zu kommen, dabei ist man heute abhängiger denn je von ihnen. Dass Algorithmen by design intransparent sind und man nur ahnen kann, wie sie funktionieren. Heute machen viele so Musik, dass man meint zu wissen, wie der Algorithmus funktioniert. Ich beobachte genau, was mit KI abgeht. Es ist gruselig wie spannend zugleich, dass man in Zukunft Hits nur mit KI schreiben kann. Was macht das mit dem Wert von Musik?
Zyniker sagen, Musik wird heute immer mehr zur Soundtapete für TikTok-Dancemoves.
Wobei damals Leute aufgeschrien haben, als die ersten Walkman aufkamen. Wie man denn Musik bloß unterwegs abgekoppelt von der Stereoanlage hören kann. Da haben viele schon von der Entwertung von Musik gesprochen. Opernfans haben gegen vierminütige Popsongs aus den 80ern gewettert, dabei sind einige von ihnen für uns hohe Kunst. Ich bin da nicht nur pessimistisch. Der künstlerische Anspruch bleibt, wenn auch für die Nische, für immer bestehen. Es wird immer Gegenbewegungen geben. Vor zwei Jahren meinten schon einige, dass Livemusik ein Auslaufmodell sei. Das sehe ich weiterhin anders, denn gerade die Pandemie hat gezeigt, dass die Digitalisierung, vielleicht auch aufgrund momentaner technischer Limitierungen, das gar nicht eingelöst hat. Niemand hat mehr Lust auf Livestream-Konzerte, und genau diese Erfahrungen vermissen alle. Auch wenn das von einigen schon für tot erklärt wurde. Auch wenn das letzte Jahr es nicht einfach gemacht hat, versuche ich die Entwicklungen immer positiv zu sehen. Nischen wird es immer geben und aus denen werden auch immer interessante Einflüsse und Inputs kommen.