Filter Tapes 036„80s Synth Music“ von Jordan
19.8.2019 • Sounds – Interview: Thaddeus Herrmann, Illustration: Susann MassuteJordan McCuaig ist ein fester Bestandteil der Belfaster Club-Szene. Dort, in Nordirland, funktionieren die Dinge auch dank ihm immer noch ein bisschen anders. Statt auf immer größere Events mit Superstar-DJs zu setzen, hat er als Promoter und DJ über die Jahre eine kreative Community aufgebaut – mit kleineren Partys und vornehmlich DJs aus der Stadt selbst. Eine ganz bewusste Entscheidung, im „The Night Institute“ geht es um die Menschen und nicht um VIP-Bereiche, Big-Room-Gehabe und teure Drinks. Mittlerweile reist aber auch er mit seinem Plattenkoffer durch die Welt, spielt in Berlin genau wie in New York. Und wenn die Zeit noch reicht, produziert er und betreut seine beiden Labels „Nocturne“ und „Nocturne Edits“. Belfast jedoch ist und bleibt seine Homebase. Welche Geschichte hat Clubbing in der Stadt, die so lange Kriegsschauplatz war? Und warum hat er sich als Thema für sein Filter Tape Synthesizer-Musik aus den 1980er-Jahren ausgesucht? Nur zwei von vielen Aspekten aus dem Gespräch mit dem ersten Kinderstar der DJ-Kultur.
Lieber Jordan, vielen Dank für deinen tollen Mix. Bevor wir uns damit beschäftigen, gilt es ein paar Fakten hinzustellen. Wie bist du ursprünglich mit dem Dancefloor in Berührung gekommen?
Ich und die elektronische Musik … das geht zurück auf meine Kindheit und einen TV-Sender namens „Rapture TV“, wo praktisch ausschließlich DJ-Sets ausgestrahlt wurden – aus der ganzen Welt. Morgens lief dort oft eher so balearischer Sound, das schaute ich mir an, wenn ich mich für die Schule fertig machte. Ich habe dann ziemlich schnell angefangen, selbst aufzulegen. Meinen ersten Gig hatte ich mit 13. Damals hatte ich an einem Wettbewerb der BBC teilgenommen und ich war einer der Finalisten. Ja, ich spielte Trance. Die flogen mich dann nach Newcastle, das wurde alles auch gefilmt und ist Teil einer BBC-Doku, die es bestimmt noch auf YouTube gibt. Ich bitte alle dringend darum, nicht danach zu suchen. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich regelmäßig Gigs, vor allem in Irland natürlich, aber auch schon auf Ibiza oder in London. Kein Club hätte mich als Gast reingelassen in dieser Zeit, ich war einfach zu jung. Aber auflegen? Das ging. Je älter ich wurde, desto mehr änderte sich dann aber auch mein musikalischer Geschmack.
Heute bist du DJ, Produzent und organisierst die Party-Reihe „The Night Institute“. Wie hat sich dieser Split entwickelt?
Das Auflegen war zuerst da. Ich glaube, ich war 14, als ich zum ersten Mal mit Fruity Loops experimentiert habe, aber wirklich verstanden habe ich den Produktionsprozess erst später, als ich begann, mit Dave Lievense zu arbeiten. Er zeigte mir Cubase, ich sehe ihn heute als meinen Mentor. Schließlich studierte ich das auch an der Uni und baute mir ein richtiges Heimstudio auf. Partys mache ich, seit ich 17 bin. Zu Beginn noch nicht regelmäßig. Als ich dann jedoch nach vier Jahren nach Belfast zurückkam und mit dem Studium fertig war, hatte sich die Szene ziemlich gewandelt. Ich habe dann zunächst kleinere Partys gemacht. Ich nannte die Reihe „Nocturne“ und buchte zum Beispiel Roman Flügel, San Soda oder Session Victim. Dazu kamen noch kleinere Events, klassisch halb-legal in Galerien oder auch in chinesischen Restaurants. Daraus hat sich dann langsam die Idee für „The Night Institute“ entwickelt. Ich wollte das alles auf sichere und legale Füße stellen.
„Auf unserer Tanzfläche sind langjährige Beziehungen entstanden, aus Gästen wurden DJs. Die Liste der Freundschaften ist endlos. Es war eine gute Zeit.“
„The Night Institute“ findet aktuell nicht regelmäßig und vor allem auch in unterschiedlichen Locations statt. Kein vollkommen ungewöhnliches Konzept, aber doch eher die Seltenheit heutzutage. Wie hat sich das damals entwickelt? und vor allem: Was war die grundlegende Idee der Party-Reihe?
Es ging uns darum, eine wöchentliche Veranstaltung auf die Beine zu stellen, die für alle bezahlbar war, vor allem für die Clubber. Eine Homebase. Das bedeutete für Timmy Stewart und mich, dass wir praktisch jedes Wochenende spielten. Aber wir bezogen von Beginn an auch Designer*innen, Fotograf*innen und natürlich Musiker*innen aus Belfast mit ein. Auf unserer Tanzfläche sind langjährige Beziehungen entstanden, aus Gästen wurden DJs. Die Liste der Freundschaften ist endlos. Es war eine gute Zeit.
„Es gibt einen regelrechten Boom in Sachen big room „underground“ Techno und House, der immer mehr auch auf die kleineren Partys abfärbt. Das hat Folgen und stellt unseren gemeinsamen Ethos in Frage.“
Anfang des Jahres war dann erstmal Schluss. Zum einen verbringen Timmy und ich beide mehr Zeit im Studio. Zum anderen aber hat sich die Szene erneut verändert. Es gibt einen regelrechten Boom in Sachen big room „underground“ Techno und House, der immer mehr auch auf die kleineren Partys abfärbt. Das hat Folgen und stellt unseren gemeinsamen Ethos in Frage. Wir haben unsere Veranstaltungen immer auch als Teil der Community verstanden. Wenn die Events dann aber überrannt werden von den Massen, kann das nicht gut enden. Deshalb veranstalten wir zur Zeit eher sporadisch und in unterschiedlichen Venues, auch im Osten von Belfast, einer Gegend, in der bislang überhaupt nichts stattfand.
Wie ist es denn um die Party-Szene in Belfast generell bestellt? Historisch gesehen, aber auch aktuell?
Die größte Rolle spielt historisch gesehen natürlich „The Art College“, damals initiiert von David Holmes und Iain McCready. Das war lange vor meiner Zeit, aber mittendrin im Bürgerkrieg. Die beiden holten Andrew Weatherall nach Belfast, Slam, die Chemical Brothers, als sie sich noch The Dust Brothers nannten, und Orbital. Deren Klassiker „Belfast“ entstand nach ihrem Gig in der Stadt. Die Szene ist heute immer noch groß – aber im Rest der Welt wird auch bei uns alles größer und mainstreamiger. Wer eher den Underground sucht, geht zu Twitch, Inside Moves oder Breezeblock – Plain Sailing und Korova kümmern sich um die Musik, die nicht mehr auf den klassischen Dancefloor passt. Und es kommt wahnsinnig viel gute Musik aus Belfast: Black Bones, Bobby Analog, Touch Sensitive Records oder Carlton Doom zum Beispiel.
Die aktuelle BBC-Doku „Everybody In The Place“ erinnert einen daran, wie stark die Wechselwirkung zwischen Politik und Musik tatsächlich sein kann. Nordirland im Allgemeinen und Belfast im Besonderen waren in der Vergangenheit Schauplätze dramatischer Auseinandersetzungen. Und die Auswirkungen des Brexit zeigten in den vergangenen Wochen und Monaten, wie diese Konflikte wieder angefacht und erneut eskalieren könnten. Spürt man das heute in den Clubs? Und wie war das früher?
Solche Umstände verändern die Energie und Motivation vieler Menschen. Es wird mehr Punk und fördert die Kreativität. Da geht es um mehr, als nur für ein paar Stunden den Bullshit wegzutanzen. Aber das spürt man zur Zeit ja überall auf der Welt. Ob es nun um die Belange der LGBTQ-Community geht oder den Feminismus. Die Menschen wehren sich und treten für ihre Rechte ein. Das ist großartig und überträgt sich auch auf die Partys.
„Ich liebe es, Musik zu spielen. Da muss ich nicht ein paar tausend Pfund ausgeben, nur damit ein anderer meinen Job macht.“
Ihr bucht seit geraumer Zeit weniger internationale DJs, sondern eher Leute aus der Gegend. Das passt ins Bild. Der „DJ-Zirkus“ ist komplett außer Kontrolle geraten, die Gagen sind nicht mehr abbildbar.
Zuallererst müssen wir uns fragen, warum man so viel Geld eigentlich ausgeben sollte. Liefert DJ XY wirklich den perfekten Soundtrack für deine Party? Wenn ja, lohnt es sich vielleicht auch, sie oder ihn zu buchen. Für uns spielt das keine Rolle mehr. Unsere Partys sind klein, und wir buchen keine Gäste. Wir wissen sehr genau, welche Musik bei uns funktioniert. Und ganz ehrlich: Ich liebe es, Musik zu spielen. Da muss ich nicht ein paar tausend Pfund ausgeben, nur damit ein anderer meinen Job macht. Es sei denn, ich bin selbst großer Fan oder unsere Community wünscht sich das.
Wie lässt sich dieser Wahnsinn wieder auf Normaltemperatur herunterkühlen?
Für mich geht es um DIY und den gegenseitigen Support. Nur so entsteht eine wirkliche Community. Und genau die macht die Szene aus, kein Feuerwerk, hohe Getränkepreise oder DJs, zu denen man keine Beziehung hat. Wenn du als Promoter mit einer Party viel Geld verlierst, machst du vielleicht keine Veranstaltungen mehr. Das tut niemandem gut.
Du hast kürzlich ein neues Label geründet, „Nocturne Edits“. Für ... Edits.
Die Clubs schließen in Belfast um 3 Uhr morgens. Fast schon traditionell bespielen wir die letzte halbe Stunde unserer Partys mit Musik aus den 80ern: Talking Heads, Pet Shop Boys, Patrick Cowley ... solche Tracks. Ich habe von den Tracks immer wieder Edits gemacht und natürlich auch rumgeschickt. Gerd Janson hat die dann gespielt, Midland auch. Ich hab das dann mal pressen lassen.
Das passt ja zum Thema deines Filter Tape: „80s Synth Music“. Ich bin in den 80ern aufgewachsen und kann da nahtlos anschließen, aber woher kommt dein Interesse für diese Ära?
Ich kann hinter den 80ern schon mal zwei wichtige Haken für mich setzen: Synths und Drum Machines. Und die Musik von damals hat genau die richtige Portion Affektiertheit. Das sind alles Dinge, die meinen Musikgeschmack geprägt haben, und die ich auch in House, Disco und Electro wiederfinde. Es ist wie immer: Es gibt soviel zu entdecken.
Deine persönlichen Highlights im Mix?
Zunächst habe ich mich bemüht, sicherzustellen, dass alle Tracks auch tatsächlich aus den 80ern sind, und sich kein Stück von 1979 reingeschummelt hat. Für mich sind das natürlich alles tolle Tracks, egal ob Afrika Bambaataa, Jamie Jupitor oder Mozzart & Kenny „Jammin“ Jason. ich habe versucht, so viele Ecken der 80er wie möglich abzudecken. Mit House, EBM, Breakbeat, Synthpop und Italo.
Tracklisting
- Helen – Zanibar (Afro Mix)
- Afrika Bambaataa & The Soulsonic Force – Looking for the Perfect Beat (Instrumental)
- D.A.N. – Premintal
- Splash Band – The End (Disco Mix)
- Capricorn – I Need Love
- Patrick Cowley – Primitive World (Edit)
- The Megatrons – Rock The Planet
- NOIA – True Love (Sexual Version)
- Robotiko Rejekto – Rejekto (Perfekto Mix)
- Mozzart – Money
- Kenny Jammin Jason – Can U Dance
- Lime – Take it Up
- Orchestral Manoeuvres in the Dark – Enola Gay