Filter Tapes 017„Rückbesinnung“ von Barbara Preisinger
6.7.2015 • Sounds – Interview: Thaddeus Herrmann, Illustration: Kristina WedelGegen ein andauerndes Leben auf der musikalischen Überholspur. Techno und House sind von Lichtgeschwindigkeit getriebene musikalische Genres. Ein schnelllebiges Geschäft, befeuert von zu vielen neuen Tracks für viel zu kurze Nächte. Das war einmal anders. Es gab eine Zeit, in der nicht alle Floors in einem Club auf maximale Druckbetankung ausgelegt waren, in der die Sounds zwischen den Bassdrums genauso die Welt bedeuten konnten, wie das vierviertelige Pumpen. Barbara Preisinger baut ihr Filter Tape um eine ähnliche Idee herum auf. Seit genau 20 Jahren ist sie im „Dancemusic-Geschäft“ und legt auch schon fast genauso lange auf. In den Nullerjahren war sie außerdem maßgeblich an der künstlerischen Ausrichtung des Labels „˜scape“ beteiligt, half anderen Musikern und Plattenfirmen bei der Promo, um dann am Wochenende selbst die Plattenkiste zu packen. Seit 2009 betreibt sie nun ihr eigenes Label: „Slices Of Life“.
##Tracklisting:
- Burnt Friedman & The Nu Dub Players - Railway Palace, Melbourne
- Al Dobson Jr. - Live At Central Hotel
- Eddie C - Winelite
- James Duncan - Friday Night Sessions
- Lalo Schiffrin - Bullitt (Bitten By The Black Dog - Mini Driver Jam)
- Hans Nieswandt - You Don't Know Shake It
- Caribou - Odessa (David Wrench's Drumapella)
- Eddie C - Ess Oh Ess
- Soul 223 - From The Dirt
- Ron Trent - Pop, Dip And Spin
- Phil Weeks - Live At The Palladium
- Hrdvsion - Unlimited Edition (The Mole Remix)
- Metro Area - Orange Alert
- No Milk - Voices Of... (Rondenion's Purple Mix)
- Andrés - Jungle Pain
- Hu Vibrational - Calling To The Water Goddess
- Theo Parrish - Space Bumps
- Timothy Blake - Squiggles (The Mole remix)
Liebe Barbara, vielen Dank für dein Filter Tape! Diese Mixe sollen ja vor allem die DJs und ihre Lieblingsplatten in den Mittelpunkt rücken. Als du den Mix konzipiert hast, was war dir besonders wichtig?
In letzter Zeit habe ich regelmäßig Podcasts für verschiedene Webseiten gemacht und meist einen Querschnitt der Clubmusik präsentiert, die ich in meinen aktuellen Sets spiele. Davon kursieren nun mehrere Mixe auf Soundcloud und im Netz. Für die Filter Tapes wollte ich etwas anders herangehen, ohne aber komplett von meiner Idee eines kontinuierlichen Grooves abzuweichen. Ich hatte dabei ein bisschen die Berliner WMF Lounge Ende der Neunzigerjahre/Anfang der Nullerjahre im Hinterkopf, die Zeiten zwischen 1998 und 2002, als ich mit ˜scape im Johannishof und der Ziegelstraße einmal pro Monat spielte. Damals eröffnete ich die Nacht häufig mit reinen Listening-Stücken oder seltsamen Sound-Experimenten. Über den Abend hinweg kamen dann immer mehr Stücke mit Beats dazu, erst recht langsam, oft gebrochen und später dann auch grade Tracks, um gegen Ende der Nacht wieder etwas ruhiger zu werden.
Für diesen Mix wollte ich nicht ausschließlich in der Vergangenheit schwelgen, sondern ein paar ältere Stücke, die ich schon länger nicht mehr gespielt habe, mit neueren zusammenbringen, die ich heutzutage auflegen würde, wenn es die WMF Lounge noch gäbe. Während ich mich zu WMF-Zeiten häufig im Klangkosmos von ˜scape, Mille Plateaux, Warp, Rephlex sowie diverser Dub- und Minimalexperimente bewegte, habe ich in den letzten Jahren immer mehr Gefallen an Disco Edits und souligen Elementen gefunden. Diese Vorliebe habe ich in den Mix für Das Filter einfließen lassen. Mein Filter Tape ist daher nicht unbedingt ein Zusammenstellung meiner „all time favourites“, sondern eine Rückbesinnung auf ein früheres DJ-Gefühl, was mir große Freude bereitete.
Du legst schon seit 1996 regelmäßig auf, hast aber auch für Labels gearbeitet und auch als selbstständige Promoterin. Mit anderen Worten: Du kennst das Business seit langer Zeit aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln. Was hat sich aus deiner Sicht in den 20 Jahren verändert? Wie funktioniert das heute mit der Musik?
Tatsächlich sind es dieses Jahr genau 20 Jahre, die ich im Musikbusiness arbeite. Ich habe im Herbst 1995 als Praktikantin bei Disko B in München angefangen. Es hat sich natürlich sehr viel geändert und es würde jetzt wohl den Rahmen sprengen, alles im Detail aufzuzählen, und über vieles wurde ja ausreichend in diversen Medien berichtet. Die für mich persönlich signifikanteste Änderung zu den Neunzigerjahren ist die unglaubliche Masse an Musik, die jeden Tag über Tonträger und Internet einer Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Egal ob gut oder schlecht produziert, ob ausgefeilt oder einfach zusammengeschustert, alles ist immer sofort erhältlich. Viele Nachwuchskünstler rechnen erst mal gar nicht damit, durch Verkäufe ihr Geld zu verdienen, der Fokus liegt darauf, Aufmerksamkeit zu erzeugen und Shows zu bekommen. Die Veröffentlichungen dienen dabei als Promo-Tool, und wenn sich kein Label für die Musik findet, wird schnell eines gegründet. Kleine Labels gab es früher natürlich auch, aber die Anzahl ist heutzutage immens. Aus DJ-Sicht für mich die größte Veränderung: Es wird inzwischen erwartet wird, dass ein DJ auch gleichzeitig Produzent sein soll. Oder umgekehrt: Ein Produzent sollte nach Möglichkeit auch auflegen.
„Ich finde es überaus angenehm, wenn eine Platte nicht sofort nach Erscheinen für alle Ewigkeiten vergriffen, bzw. nur noch zu horrenden Preisen auf Discogs zu bekommen ist.“
Du hast vor einiger Zeit ein eigenes Label gestartet: Slices Of Life. Worum geht es dabei?
Die erste Platte kam zu einem Zeitpunkt heraus, als ˜scape noch existierte. Da veröffentlichten wir sehr unterschiedliche Arten elektronischer Musik. Ich wollte ein reines Clublabel gründen. Und da ich am liebsten mit Vinyl auflege, war auch das Format klar. Ein wichtiger Punkt bei Slices Of Life, von Beginn an, war die Erhältlichkeit der Platten. Wenn eine Platte gut ist und Vinylfans sie gerne kaufen wollen, freue ich mich für den Künstler. Und schaue, dass diese Platte auch noch ein Weilchen nach dem VÖ-Termin zu bekommen ist. Als Plattenkäuferin finde ich es überaus angenehm, wenn eine Platte nicht sofort eine Woche nach Erscheinen für alle Ewigkeiten vergriffen, bzw. nur noch zu horrenden Preisen auf Discogs zu bekommen ist. Zudem stecken in jeder Platte viel Arbeit, Emotionen, Schweiß, schlaflose Nächte, ein kleines Stück Lebenszeit. Da wäre es doch schade, dies alles nach einer Miniauflage in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Wie wählst du die Musik und die Künstler dahinter aus?
Das richtet sich danach, ob ich mir vorstellen könnte, sie in meinen Sets zu spielen. Das mag vielleicht banal klingen, ist für mich aber ein wichtiges Kriterium. Wenn ich die Musik meines Labels nicht spielen möchte, wie kann ich dann zu hundert Prozent dahinter stehen und erwarten, dass andere sie spielen? Die Künstlerkontakte ergaben sich bislang aus persönlichen Bekanntschaften, aber ich höre mir auch jede Menge Demos an. Somit bin ich kontinuierlich auf der Suche nach eigenständiger Clubmusik, die mich begeistert, nach rollenden und funky Grooves, warmen Sounds, kickenden Basslines und nie langweilig werdenden Loops.
Wie wichtig sind dir heutzutage noch physikalische Tonträger, besonders das Vinyl?
Mir persönlich ist Vinyl und der physikalische Tonträger wichtig, da ich damit aufgewachsen bin und mich damit am wohlsten fühle. Vinyl hat nicht nur deshalb eine Wertigkeit für mich, weil ich etwas Schönes in der Hand halte, sondern weil ich auch weiß, dass auch ein gewisser Aufwand zur Herstellung nötig ist. Eine Schallplatte höre ich mir meist lieber an als ein File auf dem Rechner. Einen digitalen Track übersehe ich auch schneller, wenn ich ihn nicht sofort in den passenden Ordner sortiere. Eine Schallplatte ist einfach präsenter und nicht zu übersehen. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch die Vorteile der digitalen Welt sehe. Es geht schon damit los, wenn ich eine Überseereise mache und dann die Anzahl der Platten, die eingepackt werden kann, limitiert ist. Hier greife ich dann vermehrt auf digitale Versionen zurück oder digitalisiere selbst, um ein größeres Repertoire mitnehmen zu können. Vinyl ist definitiv mein bevorzugtes Medium zum Auflegen, aber ein gut klingendes WAV-File ist ab und an auch hilfreich.
Der Mix klingt wie gemacht für einen kleinen Club. Intim, knackige Anlage, Konzentration. Du kennst Clubs auf der ganzen Welt. Wo spielst du besonders gern und in was für einer Atmosphäre?
Einen Lieblingsclub gibt es nicht wirklich, eher eine Lieblingssituation, die sich durch eine gute Anlage und gutes Equipment auszeichnet. Und durch ein Publikum, das offen ist dem gegenüber, was da kommen mag und sich Zeit nimmt hinzuhören. Das kann in einem Club ebenso stattfinden wie auf einem Festival oder auf einer improvisierten Party.
„Ich finde es schade, dass das frühere Experimentalfeld 'Chill Out Floor', wo von Vogelgezwitscher bis Hardcorebreaks alles möglich war, nach und nach aus den Clubs verschwunden ist.“
Wie hat sich die Art und Weise, wie Clubs funktionieren, aus deiner Sicht verändert? Und ist das ein gutes oder schlechtes Phänomen?
Da sich das gesamte Business über die Jahre entwickelt hat, sind natürlich auch viele Clubs immer professioneller geworden. Für den DJ ist es toll, wenn alles wie am Schnürchen läuft, der Sound passt und das Hosting perfekt ist. Das daraus resultierende positive Gefühl wird dann auch gerne ans Publikum zurückgegeben. Diese Professionalisierung lässt aber häufig weniger Platz für Experimente. Es wird eher versucht, die Erwartungen und Vorstellungen des Publikums zu bedienen, als ab und an für Überraschungen zu sorgen. Parallel dazu ist aber auch das Publikum häufig nicht mehr bereit, sich auf Neues und Außergewöhnliches einzulassen. Die heutige Ausgeh-Generation geht häufig mit einer bestimmten Idee los, wie der Abend verlaufen und klingen soll. Und wenn diese Idee nicht sofort erfüllt wird, gibt es lange Gesichter und die Fragezeichen schweben beinahe sichtbar über den Köpfen.
Ich finde es z.B. schade, dass durch diese Entwicklung das frühere Experimentalfeld Chill Out Floor, wo von Vogelgezwitscher bis Hardcorebreaks alles möglich war, nach und nach aus den Clubs verschwand. Meist, um einem weiteren 4/4-Dancefloor Platz zu machen. Die Experimente finden nun eher ausgelagert statt, mit eigenen speziellen Veranstaltungen oder in kleinen Venues. Eine Vermischung von Club und Experiment im größeren Stil sehe eigentlich fast nur noch auf Festivals.