Superstar-Alarm: Dixon ist einer der erfolgreichsten und gefragtesten DJs der Welt. Wie funktioniert man in dieser Position? Wie erfindet man sich immer wieder neu, auf der Suche nach Selbstbestätigung und Relevanz? Steffen Berkhahn hat für sich Antworten gefunden. In der letzten Ausgabe des Telekom Electronic Beats Podcast für dieses Jahr steht er Jakob Thoene Rede und Antwort. Es geht um Technik, Clubkultur, Familienleben und den Traum, auf Ibiza doch noch die (Club)-Welt zu verändern.
Es ist für Techno- und House-DJs ja nicht immer ganz einfach, mit der Gegenwart adäquat umzugehen. Die Musik, die sie tagein, tagaus spielen, trat einst mit dem Versprechen an, aus der Zukunft zu kommen – gemacht mit Maschinen, die von Menschen zwar bedient, aber nie ganz durchschaut wurden. Das Eigenleben der Schaltkreise war zu ausgeprägt und unberechenbar, um jemals wirklich beherrschbar zu sein. Dystopisch war das nie, im Gegenteil: Es war der beherzte Sprung ins kalte Wasser – und die Ausgangsbasis unserer Dancefloor-Kultur, die heute immer noch mehr und mehr Menschen in ihren Bann zieht. Doch die mit diesen Produktionstechniken assoziierten Zukunftsversprechen, allen voran das kreative Eigenleben von Maschinen, ist längst Wirklichkeit geworden. Die Zukunft hat uns eingeholt. Das nimmt DJs, also den menschlichen Kurator*innen dieser Maschinen-Musik, fast schon den Wind aus den 4/4-Segeln. Der unerwartete Moment einer langen ekstatischen Nacht ist verschwunden. Fast.
Natürlich muss man es sich leisten können zu versuchen, diese Magie wieder zu beleben. Dixon kann das. Der Berliner Steffen Berkhahn ist einer der erfolgreichsten DJs der Welt. Er sucht sich seine Bookings ganz genau aus, ist darauf bedacht, alle Ecken der Welt zu bedienen und auch, dabei so gerecht wie möglich zu sein. Dabei geht es Berkhahn nicht nur um erprobte Abfahrt – den Status Quo des DJ-Alltags hinterfragt er regelmäßig. Nicht nur mit seinen Sets, sondern vor allem auch mit den Innervisions-Label-Partys „Lost In A Moment“ haben er und sein Team immer wieder versucht, die Magie und die „Jungfräulichkeit“ der Bassdrum zurückzuholen – an ungewöhnlichen Orten, außerhalb etablierter Clubs. Was bietet sich da besser an, als diese Idee im Epizentrum des Eskapismus neu zu definieren, auf Ibiza? In der aktuellen Ausgabe des Telekom Electronic Beats Podcast spricht Dixon ganz offen und ehrlich über seine Vision.
20 Freitage hat er dort 2019 gespielt, in seiner ersten Residency seit Jahren. Im Pacha stellte er die „Transmoderna“ hin – weit mehr als eine Party-Reihe. Berkhahn liebt die Insel seit jeher, hat nach eigenen Angaben ihre Hochzeit allerdings verpasst. Um die Jahrtausendwende war er das erste Mal dort. Damals war das, was er sich erhofft hatte, schon aufgesogen worden von den Superclubs. Der Spirit war ein anderer. Der Wunsch, der Insel seinen eigenen Stempel aufdrücken zu können, blieb jedoch. Die Residency begriff er als Chance, genau das zu tun.
Denn: Beim Clubbing geht es nicht mehr schnell genug voran. Die technischen Möglichkeiten haben sich sprunghaft weiterentwickelt, in den Clubs jedoch achtet man nach wie vor höchstens auf Sound und Licht. „Wenn man mich nach meinen Lieblings-Clubs fragt, dann nenne ich in der Regel eher kleinere. Das Robert Johnson in Offenbach zum Beispiel. Aber das spiegelt für mich nur eine Seite des Clubbings wider. Gerade in den größeren Venues fühle ich mich oft verloren. Weil es ästhetisch nicht meinen Vorstellungen entspricht. Warum macht ihr hier nicht das, oder das? Ibiza ist einer der Orte, an denen ich eine Chance sah, etwas anderes auszuprobieren, meine Ideen umzusetzen.“
Es geht um mehr Kontrolle, mehr Interaktion und ein direkteres Zusammenspiel der Musik und allen anderen Elementen, die eine Club-Nacht heute ausmachen: Licht, Laser etc. Wenn DJs die Musik auswählen, brauchen alle anderen Beteiligten immer ein bisschen Zeit, um den Vibe zu begreifen und umzusetzen. Das ist Dixon nicht schnell genug, auch wenn er sich auf ein fantastische Team an den Reglern verlassen kann. Die Technologie, all das umzusetzen, existiert bereits, wird aber bislang kaum oder nicht konsequent genug eingesetzt. Mit „Transmoderna“ soll das Clubbing wieder an Wert gewinnen. Weil: Anders als im Rest Europas, wo es vergleichsweise preisgünstig ist, von A nach B zu reisen, und auch die Eintrittspreise noch nicht übertrieben hoch sind, ist auf Ibiza alles teuer. Gerade dort also lohnte sich für Dixon der Versuch, den Besucher*innen mehr zu bieten. Weil sie schlicht schon mehr investiert hatten, um ihn zu sehen und eine gute Zeit zu haben. Einen Mehrwert, den sie nicht bekämen, wenn sie Dixon in Berlin oder Paris hörten.
Wie das geht? Mit einem Kollektiv aus Tänzer *innen, Programmierer*innen, Künstler*innen und Musiker*innen, das gemeinsam die Grenzen neu auslotet. Und das somit auch Dixon selbst immer wieder an seine Grenzen brachte. So spielte er selber nicht nur länger als sonst, es ging ihm generell um mehr als den DJ. Im Fokus von „Transmoderna“ stand der Dancefloor, das alte Gefühl der Gemeinschaft – aus einer Zeit, in der es noch keine Smartphones gab. „Der DJ sollte nicht glorifiziert werden, es ging eher darum, ihn verschwinden zu lassen. Dafür nutzten wir Technologie. Zur Ablenkung. Es durfte aber natürlich auch keine oberflächliche Show werden. Das mussten wir lernen. Es veränderte und entwickelte sich kontinuierlich.“
Natürlich geht es im Podcast mit Jakob Thoene um mehr als Ibiza. Dixon hat sich trotz seiner globalen Präsenz einen präzisen Blick auf das Lokale bewahrt. Die Club-Kultur und deren Fortbestehen liegt ihm am Herzen. Und genau hier sieht er zahlreiche Probleme. Festivals vs. Clubs, ein mehr oder weniger zufälliges Megastar-Booking vs. kontinuierliche Aufbauarbeit des musikalischen Profil der Clubs: Wo es Künstlern wie Richie Hawtin eher darum geht, Techno wieder begreifbar zu machen, plädiert Dixon dafür, die Musik besser erfahrbar zu machen. Koste es, was es wolle. Wobei: So ganz stimmt das auch nicht. Das DJ-Sein ist schon längst nicht mehr alles, was Berkhahn umtreibt. Er ist ein Familienmensch geworden, der klar trennen kann zwischen Job und dem Rest, obwohl diese Unterscheidung bei so einem Getriebenen faktisch natürlich gar keinen Sinn macht. Aber Dixon geht damit um. Denn: „Die Qualität der Musik treibt mich an.“ Ein echter Superstar eben.