Das war das Dekmantel-Festival 2015Über Slipmats, Waschmaschinen, kubistischen Tribalismus und das Leuchten in den Augen
7.8.2015 • Sounds – Text: Bjørn SchaeffnerWenn es um Techno geht, dann ist das Amsterdamer Label „Dekmantel“ eine der besten Adressen überhaupt. Doch die Crew wirft nicht nur 12"s auf den Markt und ist im Radio sehr aktiv. Seit drei Jahren gehört auch das Dekmantel-Festival zum festen Programm. Letztes Wochenende fand es wieder statt. Unser Korrespondent Bjørn Schaeffner war vor Ort.
Was man wieder alles verpasst hat: Das Konzert von Manuel Göttsching. Das Liveset von Autechre. Gesloten Cirkel und Omar-S. Mike Servito. All die intimen Auftritte auf der NTS- und Redlight-Radiobühne. Ja, das Dekmantel in Amsterdam ist ein notorisches Qual-der-Wahl-Festival mit einer auch im dritten Jahr bestechenden Qualitätsdichte. Einer Qualitätsdichte, die als hochsommerliches Techno-Disco-Electro-House-Festival seinesgleichen sucht in Europa. Holländischem Checkertum sei Dank.
Und auch dieses Jahr war das Wetterglück den Tüchtigen von Dekmantel hold. Notabene, nachdem es in Amsterdam zehn Tage lang kühl und regnerisch gewesen war. Verschont bliebt Dekmantel erst recht das Jahr zuvor: Wegen einer Sturmwarnung musste 2014 am Festival-Samstag ein Teil des Festivalgeländes abgesperrt werden. Der Sturm nahm das Dekmantel schließlich kurz ins Visier, zirkelte ums Gelände herum, nur um schnurstracks in ein anderes Musikfestival hineinzurasen. Wo dann alle Besucher evakuiert werden musste.
Und da war wieder diese Dekmantel'sche Freundlichkeit, die einen aus zig Helfer-Gesichtern entgegen leuchtete. Und wenn man eine Amsterdamer Szenekennerin fragte, was die Ambiance des Dekmantel ausmacht? Sie fand, es seien die ausländischen Gäste, die die richtige Stimmung bringen. Denn sonst kämen hier die Leute nicht so richtig aus sich heraus.
Im dritten Jahr seiner Austragung hat das Dekmantel sein Repertoire erweitert: ein Eröffnungskonzertabend im Symphonieorchester-Ambiente des Muzikgebouw. Und das erstmals durchgeführte Dekmantel by Night im Melkweg. Herzstück des Festivals ist weiter das Tagesfestival im Amsterdamse Bos – fünf Floors am Rande der grünen Lunge Amsterdams.
Dekmantel, in Erinnerungsfetzen: Die regelmäßigen Reminder, die die App absetzte, dass Cannabis auf dem Festivalgelände verboten sei. Primäre Zielgruppe: bekifft-vergessliche Raver. Das Gedrücke um Taxis beim Ausgang. Die hübsch-personalisierten Slipmats, welche die DJs erhielten. Die gespenstisch schöne Landschaft, als der „Blue Moon“ am Freitag herunterleuchtete. Die Perlon-Waschmaschine von Zip und Ricardo Villalobos, die nicht so richtig schleudern wollte. Der Promoter, der mit Pomp in der Stimme das Liveset von Model 500 verkündete („And now, from the Motorcity, the innnnventooor of Techno!“). Der Boiler Room, der gefühlt doppelt so großen Andrang erlebte wie letztes Jahr. Der freundliche Herr mit dem „Jesus loves UK Garage“-T-Shirt. Der warme Händedruck von Madlib. All die „Underground Resistance“-Jünger. All die Kids, die tatsächlich dachten, ich sei ein Drogendealer.
Dekmantel, in einen Track geronnen: „Cuica Digitales“ von Errorsmith & Mark Fell.
Dekmantel, in Höhepunkten: Das Detroit-Set, das Carlos Souffront ablieferte. Der Hands-up-in-the-Air-Vibe beim Konzert von Roy Ayers. Und wie der alte Mann mit dem Vibrafon seinen belustigten Blick umherschweifen ließ. Joy Orbison, der sich leise lächelnd über seine Platten beugte, während auf der Selector's Stage die Crowd tobte. Der hypnotische Techno des Japaners DJ Nobu. Die Fulminanz, mit der Danny Wolfers aka Legowelt sein Liveset beendete. Der kubistische Tribalimus von Actress: ein fantastisches Understatement. Helena Hauff und ihr Acid-Electro-Gewitter. Das herumwildernde DJ-Set von Solar aus San Francisco. Die letzten zwei Stunden des Back-to-Back-to-Back zwischen Hunee, Floating Points und Antal. Hunee beendete mit Nicolette Larsons „Lotta Love“. Den Track, auf den er immer hinarbeiten wolle, „wenn es nur noch um Emotion geht“. Es dürfte der perfekte Abend gewesen sein.
Und zum Schluss? Radelte ich ermattet in mein Hotel zurück. Vom Dekmantel-Gelände trug es die warmen Schwingen von "At Les" rüber. Live gespielt von Carl Craig. Der Sonnenuntergang flimmerte. Es war gut.