Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Boris, Recondite und GCOM.
Boris – W
Ji-Hun: Die japanische Band Boris gibt es seit 1992 und mehr als 20 Alben wurden seither veröffentlicht. Zuletzt 2020 das großartige „No“ und nun „W“. Das Trio besteht aus der Sängerin und Gitarristin Wata, Bassist Takeshi und dem Drummer Atsuo, der 1996 dazu stieß. „No“ und „W“ sind durchaus zusammen zu lesen. Ergibt das doch zusammen „Now“, was auch keine Indiana-Jones-Chiffre-Meisterleistung ist. Ich finde Boris in vielerlei Hinsicht besonders. Die Band ist in ihren Sounds wirklich meta. Aber nicht dieses Pop-Meta, das oft mit Eklektizismus und Ironie einhergeht. Das hier ist alles wahrhaftig und trotzdem kommen hier Ambient, Doom Metal, Sludge, Shoegaze und Dream Pop so homogen zusammen als hätte es Subkulturen mit Grabenkämpfen nie gegeben. Das macht den Ausdruck des Trios universell und in zerfaserten Musikperioden wie diesen so zeitgemäß wie nie. Wir hatten Black-Metal-Bands wie Deafheaven, die sich immer mehr dem Indie und dem Song verschrieben haben. Boris bleiben divers, unerwartbar, decken ein weites psychologisches Spektrum ab und arbeiten daran immer mehr zur großen Legende zu werden.
Recondite – Taum
Thaddi: Dieses Album kommt nicht wie aus heiterem Himmel, und doch hatte ich nicht damit gerechnet. Lorenz Brunner aka Recondite – ein alter Bekannter in Technohausen – definiert auf „Taum“ seine Liebe zur 303 neu. Nicht kickend, schon gar nicht auf die 12, sondern vielmehr über weite Strecken zurückhaltend, dark und melancholisch. Das sind alles keine neuen Beschreibungen für die Musik von Recondite, nur in dieser verdichteten Form kam es mir lange nicht mehr unter. Natürlich poppt bei den Stichworten dark und 303 die Richie-Hawtin-Referenz auf, aber die passt hier nicht. Dafür ist Brunner rhythmisch und melodisch einfach ganz anders unterwegs. Keine wie auch immer minimal-programmierten Blubber-Pattern, sondern mit größter Craft gestaltete Melodien, die zwar durchaus um sich selbst kreisen, statt des Repetitiven dann aber immer wieder andere Register ziehen. Made for Versinken.
GCOM – E2-XO
Jan-Peter: Gestern habe ich ein Gespräch gehört, bei dem es um die Neunziger ging, um Retrophänomene im Pop und die Frage, ob und wann der Popkultur der Futurismus abhanden gekommen sei, als letzte Beispiele wurden unter anderen Drum'n'Bass, Goldie und die ganzen kosmisch-planetaren Bezüge aufgefahren. Es blieben mir viele Fragen offen, aber auch der Wunsch, mal richtig Futuristisches zu hören. Dieses Album vom GCOM, dem neuen Pseudonym von Tom Middleton (u.a. Global Communication mit Mark Pritchard), erfüllt diesen Wunsch bisweilen. Episch und gar nicht zukünftig ist das Intro, doch im Verlauf des abwechslungsreichen Anderthalbstünders wird es munterer, und wenngleich sich Bezüge zu Autechre und anderen Schlachtrössern elektronischer Musik Geschmacksrichtung IDM auftun, es ist doch schön vorwärts. E2-XO thematisiert, abstrakt freilich, die Suche nach erdähnlichen Planeten, Exoplaneten, was könnte futuristischer sein, folgerichtig sind die Tracks auch nach entsprechenden Himmelskörpern benannt. Eine kleine Weltraumoper mit schönem beigefügtem Planetenmodell-Artwork.