Basslastiger ObstsalatFestival-Bericht vom Juicy Beats 2019
31.7.2019 • Sounds – Text & Fotos: Sophie Emilie BehaNoch vor dem Festivaleingang gibt ein Wagen, vollgepackt mit Boxen und DJ, einen Vorgeschmack: nämlich die volle Dröhnung. Wummernde Bässe, schnelle HiHats, und Deutschrap schleudern den Besuchern entgegen. Gegensätzlich dazu die idyllische Umgebung. Das Juicy-Beats-Festival findet im grünen Herzen Dortmunds statt. Im weitläufigen Westfalenpark dominiert sattes Grün, der Fernsehturm ragt wie ein Star-Wars-Raumschiff in die Luft. Durch Bäume und Sträucher schimmern Umrisse der Industriekaliber in der Ferne. Über jeder der zwanzig Stages schwebt aufblasbares Obst.
Auf den Hauptbühnen findet sich in erster Linie Deutschrap in seinen verschiedensten Ausprägungen. Trettmann, Ufo361 und Bausa liefern modulierenden Autotune. Dendemann, Moop Mama und OK Kid überzeugen mit unverbrauchten Wortspielen, Inhalt und Haltung. Es gibt ausgedehnte Instrumentals und Soli, genauso wie den immer gleich stampfenden Rhythmus und dazwischen AnnenMayKantereit. Die markante, dunkelraspelnde Stimme von Henning May, die nach Schleifpapier klingt, gibt eine Ballade nach der anderen zum Besten: Melancholie mit Tanzpotential. Den Gegensatz bietet die Brass-Pop-Band Querbeat aus Köln: Karnevals-Texte und Samba-Rhythmen treffen den Tanznerv des nordrheinwestfälischen Publikums, das erstaunlich textsicher im Gleichschritt über den staubigen Rasen steppt.
Das Juicy Beats ist so bunt wie die Obstsorten, die es repräsentieren. Neben den großen Hauptbühnen ist im Westfalenpark viel Platz, den kleine teils gut versteckte Bühnen über die Jahre für sich eingenommen haben. Der liebevollste und am aufwendigsten gestaltete ist der Tabula-Rasa-Floor der gleichnamigen Dortmunder Techno-Partycrew neben der Mainstage. Selbstgebaute Holzhäuser, tanzende Wimpel und eine bunt-wirbelnde Lichtshow erinnern an die Fusion. Nach vierundzwanzig Jahren Juicy Beats haben sich die einzelnen Genres nach und nach eigene Räume erobert. Da ist das aus Dortmund stammende, internationale Label Kittball mit eigenem Deep- und Tech-House-Floor. Und daneben mit jeweils eigener Bühne: Drum and Bass, Reggae, Indie, HipHop, Trash, Singer-Songwriter. Sogar Poetry Slam gibt es. Neben einem Teich zwischen herabhängenden Weidezweigen sitzen etwa fünfzig Menschen auf Bierbänken und Picknickdecken und lauschen lokalen Künstlern. Fünf Gehminuten entfernt klettern Kinder und Jugendliche einen überdimensionierten Kletterturm empor.
So divers wie die einzelnen Genres ist auch das Publikum. Dieses Jahr gibt es 50.000 Besucher. Einige tragen weit ausgeschnittene Tanktops, Sportkleidung, Alkoholfahne und fallen durch prolliges Verhalten auf. Sie feiern Ballermann-Mukke oder Autotune. Die übrigen Besucher gruppieren sich um ihre jeweiligen Künstler. Alle wirken sehr jung, als wären sie mit dem frischen Abiturzeugnis im Brustbeutel aufs Festivalgelände geschlendert.
Das Juicy Beats ist mittlerweile vierundzwanzig Jahre alt. Mit den Jahren kam der Kommerz. Das diesjährige Festival beheimatet nicht nur 170 Musiker, Bands und DJs, sondern auch einen Drogeriemarkt, zahllose Schmuckstände und überpräsentes Sponsoring. Inmitten einer immer größer werdenden Festivallandschaft wächst auch das Juicy Beats. Und bleibt dabei noch immer Plattform für lokale und internationale Künstler. Das Festival bietet jedem eine Bühne und trotzdem kommt am Ende nicht so richtig Festivalstimmung auf. Wohl auch, weil die vielen unterschiedlichen Genres am Ende mehr Vielfalt abbilden als eine Gemeinschaft. Vielleicht sind die Szenen und Interessen dann doch zu divers. Ein basslastiger Obstsalat.