Jeden Freitag haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Andy Stott, Pneumatic Tubes und Dominik Eulberg.
Andy Stott – The Slow Ribbon
Thaddi: Neue Musik von Andy Stott ist immer ein Anlass zu feiern. Dieser Release jedoch ist anders. Denn es gibt rein gar nichts zu feiern – globalpolitisch. Weiß auch Herr Scott, hat in kürzester Zeit sein Archiv durchwühlt, ein Album mit unveröffentlichten Tracks aus dem Zeitraum 2019-2022 zusammengestellt und heute auf Tape veröffentlicht. Keine Resterampe, kein Ausschuss, sondern vielmehr deepe und wunderbare Stücke. Genauso, wie wir es von ihm gewohnt sind. Und wofür wir den Producer so lieben. Diese Cassette gibt es genau eine Woche – bis zum 17. März. Danach wieder eine Woche lang als Download. Alle Einnahmen gehen an Medical Aid Ukraine und den DEC Ukraine Humanitarian Appeal. Nicht die erste musikalische Hilfe, die wir in dieser Woche empfehlen, aber das wäre ja auch noch schöner. Bei unseren Freund:innen von Boomkat könnt ihr in alle sieben Tracks reinhören. Als würde es darum gehen.
Pneumatic Tubes – A Letter From TreeTops
Ji-Hun: Hinter Pneumatic Tubes steckt der Multiinstrumentalist Jesse Chandler, der auch schon bei Midlake, Mercury Rev und BNQT gespielt hat bzw. spielt. „A Letter From TreeTops“ ist ein Instrumental-Album, das in vielerlei Hinsicht retro und vintage ist. Tapemaschinen, alte dräuende Synthesizer-Flächen, ein üppiger cineastischer Soundtrack zum Durchstöbern alter Fotoalben, Super-8-Videos oder andere Filme im Kopf. Das klingt jetzt so unrevolutionär wie es am Ende ist. Es ist dennoch eine schöne Sache, weil die Sounds und Instrumente frisch und verspielt klingen und gewohnte rauschige Komfortzonen dieser Tage erstmal nicht schlecht sind und nicht unterschätzt werden sollten.
Dominik Eulberg – Avichrom
Jan-Peter: „Mein Ziel war es dieses Mal, ein bunteres Album zu machen. Das einen mit auf eine Reise nimmt, in verschiedenen Klangkostümen. Bei all dem Vogelsterben hätte ich auch ein dystopisches Album machen können, aber ich wollte eines erreichen: die Naturschutzbemühungen als positive Lebensphilosophien verstehen“, sagt Dominik Eulberg in einem Interview mit dem Magazin Business Punk. Mission erfüllt, „Avichrom“ klingt durch und durch positiv, manchmal kratzt es dabei an der argen Gefälligkeit, aber: Ich mag das. Schöne Akkordfolgen, Gasthof zum satten Bass, moderates Tempo. Spätere Stücke wie das „Braunkehlchen“ packen die Neotrance-Klamotten aus. Kein Album, das etwas genuin Neues entwirft, vielmehr bringt es wohlige Nullerjahre-Erinnerungen hervor. Ist doch auch mal in Ordnung. Vor dem Hintergrund all des Tier- und Menschensterbens ein kleiner Eskapismus, bei dem innere Bilder von brütenden Vogeleltern, in Slowmotion aus dem Wasser startenden Langbeinern und im Abendlicht schöne Formationen bildende Schwärme entstehen. Für den Moment völlig hinreichend für mich.