Immer freitags haben wir drei Platten für euch – zumeist drei Tipps, mindestens aber drei Meinungen. Nicht immer neu, doch immer die Erwähnung wert. Heute mit: Acid Pauli, Machinedrum und Hiroshi Yoshimura.
Acid Pauli – Mod
Thaddi: Bei Martin Gretschmann kommen ganz viele Dinge zusammen. Seine Console-Alben, seine Elektronik-Spritze für The Notwist, seine endlosen DJ-Sets und nicht zuletzt die Releases als Acid Pauli: mal hier, mal da, früher vor allem auf Smaul, aktuell eher auf seinem eigenen Label Ouïe. Dort erscheint auch seine neue LP „Mod“. Und die ist toll. Kann man ja der kurzen Einschätzung mal so vorausschicken. Dass Gretschmann ein Faible für Modularsysteme hat, ist schon lange bekannt. Die sind für viele zum Fetisch geworden, zum heiligen Gral, zum Ausweg aus der DAW-Langeweile. Und vielleicht ist es ungerecht, aber ich unterstelle diesen Schaltkreisen im Eurorack immer ein gewisses Rumpeln. Ein Rumpeln, mit dem man umgehen und es im Zaum halten muss. Gretschmann beherrscht das aus dem Effeff. „Mod“ ist nicht wirklich still, hat mit dem Dancefloor aber rein gar nichts zu tun. Ich erspare allen einen Kommentar, warum das im Moment sowieso eine gute Idee ist. Ambient ist das Album aber auch nicht. Dafür rumpelt und flirrt es viel zu sehr. Neun wunderbare Entwürfe, in denen der Komponist den Maschinen genau den richtigen Raum zugesteht und immer dann eingreift, wenn es aus der Clock, bzw. dem Ruder zu laufen droht. Das ist nicht experimentell, das ist hochmusikalisch – weil Gretschmann die polyphone Euphorie immer mit denkt. Und man sich so trotz der Ruhe ständig selbst in den Arm nimmt.
Machinedrum – A View Of U
Benedikt: 20 Jahre Machinedrum, die nunmehr elfte Platte, aber bislang weder Review- noch Walkman-Content? Kaum zu glauben. Travis Stewart wird gern unter Drum & Bass oder UK Dubstep, vielleicht noch Footwork subsumiert. Daran lässt auch schon der erste Track der neuen Platte keinen Zweifel. Dennoch war Machinedrum immer mehr als sich hier einmal mehr Bahn brechendes Bassgewitter. Zig Rapper:innen, R&B-Künstler:innen und elektronischen Produzent:innen hat er mehr als nur Beihilfe für großartige Releases geleistet. Azealia Banks, Cardi B, DJ Rashad, Jesse Boykins III, Freddie Gibbs und und... ja lassen wir das. So bunt der Strauß seiner Discogs-Einträge, so facettenreich auch das nun bei Ninja Tune erschienene „A View Of U“. Die Bearbeitung der Stimme Tanerélles, die Beat-Komposition um die großartige Rapstimme von Freddie Gibbs, der feingliedrige R&B mit Father. Es braucht zweifellos eine Menge Erfahrung um eine derart zugängliche Platte zu produzieren, die immer noch zweifellos auf den Füßen von UK Rave, Jungle, Footwork aller sonst im derzeitigen Popgeschehen eher abseits stehenden Bassmusik zu schaffen.
Hiroshi Yoshimura – Green
Ji-Hun: Bei vielen Menschen, mich eingeschlossen, ist aus vielen offenkundlichen Gründen derzeit Musik besonders willkommen, die in der Lage ist Trost zu spenden. Musik, die vielleicht auch gar nicht zu konkret ist, sondern eher Räume schafft und durch warme Texturen Behaglichkeit. Das Label Lights in the Attic hat sich in den vergangenen Jahren mit interessanten Wiederauflagen japanischer Ambient-Pioniere der 1980er beschäftigt. Darunter fällt dieses Jahr die Neuauflage des Albums „Green“ des Musikers Hiroshi Yoshimura. Es erschien 1986 und entstand im Homestudio des Künstlers im Winter 85/86. Neben seinem Debüt „Music For Nine Postcards“ von 1982 ist das mit die einfühlsamste Arbeit Yoshimuras. Ein ambient-akustischer Eskapismus, raus aus dem städtischen Beton, hinein in ephemere Welten und digitale Wälder. Funktionsmusik wie man sie stringenter aus Yamaha-Synthesizern nicht heraus kitzeln kann. Ich hätte nie gedacht, dass mir New Age etwas sagen würde, hiervon bekomme ich derzeit nicht genug.